Der letzen Entscheidung, die sich mit einer auf Auflösung gerichteten Vertauensfrage des Bundeskanzlers zu beschäftigten hatte, lag ein Organstreit zu grunde. Antragsteller waren zwei Abgeordnete aus der damaligen Regierungskoalition. Sie wendeten sich mit ihrem Antrag gegen die Auflösungsentscheidung nach Art. 68 Abs. 1 S. 1 GG des Bundespräsidenten Köhler. Sie fühlten sich durch die Maßnahme des Präsidenten in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 in Verbindung mit Art. 39 Abs. 1 S. 1 GG verletzt.
Es war die Zeit der "Agenda 2010". Seit dem Jahre 2002 musste die Regierungspartei SPD laufend Verluste bei Landtagswahlen verzeichnen. Der Abwärtstrend gipfelte dann darin, dass Peer Steinbrück die Regierungsverantwortung 2005 in Nordrhein-Westfalen verlor. An diesem Wahlabend am 22.5.2005 erkärte Kanzler Schröder, dass er die Weiterführung seiner Politik für gefährdet ansah und eine Fortsetzung seiner Politik nur auf einer neuen Legitimationsbasis im Wege von Neuwahlen möglich sei. Innerparteilich gab Schröder zu dieser Zeit den Parteivorsitz an Franz Müntefering ab. In der laufenden Legislaturperiode schmolz die Regierungsmehrheit nach Wegfall zweier nicht wieder zu besetzender Direktmandate der SPD. Um sein Ziel Neuwahlen zu erreichen, stellte Schröder am 27.6.2005 die Vertrauensfrage nach Art. 68 Abs. 1 S. 1 GG. Diese Ziel erklärte er auch dem Deutschen Bundestag bei dessen Beratung am 1.7.2005. Wie erwartet sprach der Bundestag dem Kanzler nicht das Vertrauen aus und es kam zu der Auflösung des Parlaments durch den Bundespräsidenten und der Ansetzung von Neuwahlen.
Das Gericht stellt zunächst fest, dass es sich um ein zulässiges Organstreitverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG iVm § 13 Nr. 5 BVerfGG handelt. Die Beteiligten würden sich über den Umfang der Rechte des Präsidenten aus Art. 68 Abs. 1 S. 1 GG streiten. Dabei wären die beiden Abgeordneten andere Beteilgte im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, da sie in Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG mit eigenen Rechten ausgestatten seien. Zudem würde die Dauer der Wahlperiode nach Art. 39 Abs. 1 GG auch zum Abgeordnetenstatus gehören. Beide Rechtspositionen begründen die Antragsbefugnis.
Das Gericht hält die Anträge im Übrigen jedoch für unbegründet. Im Wesentlichen schließt es sich einem Vorgängerurteil an aus dem Jahre 1983 an, das sich mit der unechten Vertrauensfrage Helmut Kohls beschäftigte (NJW 1983, 735 ff.).
Kern des verfassungsrechtlichen Problems ist ausschließlich die Auslegung des Art. 68 Abs. 1 S. 1 GG. Nach dem Wortlaut der Norm, kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers den Bundestag binnen 21 Tagen auflösen, wenn zuvor ein Antrag des Bundeskanzlers ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit des Bundestags findet. Würde man sich ausschließlich am Wortlaut orientieren, dann gäbe der Fall keinen Anlass, das Vorgehen des Bundespräsidenten für verfassungswidrig zu erachten. Es ist aber fast einhellige Meinung in Literatur und Verfassungsrechtsprechung, dass bei der Frage nach der sog. "auflösungsgerichteten Vertrauensfrage" der Sinn und Zweck der Norm zu beachten sei. Einigkeit besteht darin, dass die Vertrauensfrage positiv und negativ gestellt werden darf. Also sowohl mit dem klaren Ziel das Vertrauen positiv zu erlangen, als auch mit der Erkenntnis nicht mehr die parlamentarische Mehrheit zu besitzen. Die Besonderheit kommt immer dann zum Vorschein, wenn ein Kanzler -trotz mathematischer Mehrheit im Parlament- den Bundestag auflösen will, um Neuwahlen zu erreichen.
Früher sprach das Bundesverfassungsgericht noch von ungeschriebenen Tatbestandsmerkmalen des Art. 68 Abs. 1 S. 1 GG. Auch eine materielle Auflösungslage wurde von einigen Autoren verlangt. Das letzte Urteil zu dieser Frage dampft die verfassungsrechtliche Prüfung auf eine reine Willkürprüfung zusammen. Ausgeschlossen sei von Sinn und Zweck der Norm nur, dass es keine manipulative Herbeiführung vorgezogener Bundestagswahlen durch eine Regierungsmehrheit im Interesse eines möglichen günstigen Wahlergebnisses geben dürfe.
Grundsätzlich betont das Gericht, dass die parlamentarische Unterstützung für den Kanzler unerlässlich für eine funktionsfähige Regierungsarbeit sei. Inwieweit diese wirklich bestünde sei eine von diesem zu treffende Prognoseentscheidung. Es bestünde im Zweifel auch kein verfassungsrechtliches Rücktrittsgebot in diesen Fällen. Im weiteren Verlauf des Urteils betont das Gericht dann noch, dass eine wirksame Auflösung nur durch das wirksame Zusammenspiel von drei Verfassungsorganen geschehen kann. Auf den Antrag des Kanzlers müsse der Bundestag und dann anschließend noch der Bundespräsident entscheiden. Die beiden letzten könnten eigenverantwortlich die Auflösung verhindern. Es handele sich um einen wichtigen Ausfluss der Gewaltenteilung.
Im Ergebnis lagen damit die Voraussetzungen des Art. 68 Abs. 1 S. 1 GG vor und die Antragsteller unterlagen mit ihrem Antrag.