Sachverhalt:
Die U GmbH bietet im Stadtgebiet Hamburg eine App namens „uber pop“ an, über die von U ausgewählte Fahrer und beförderungswillige Personen zusammenfinden können. Die angemeldeten Fahrer willigen vertraglich ein, zu bestimmten Zeiten mit ihren PKW für Beförderungsdienste zur Verfügung zu stehen. Hierfür erhalten sie eine Unterstützungsgebühr für jede Stunde im Einsatz. Die App-Nutzer können ihre Fahrtwünsche unter Angabe von personenbezogenen Daten (Name, Kreditkartennummer etc.) angeben. Die Anfragen werden an die Fahrer weitergeleitet. Für einen Kilometer Fahrt wird durchschnittlich eine Gebühr von 1 € und pro Minute zusätzlich 0,25 € berechnet. Die Gebühr wird von der U GmbH in Rechnung gestellt und eingezogen.
Die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation der Freien und Hansestadt Hamburg erlässt eine Verfügung, in der sie der U GmbH u. a. untersagt „Beförderungswünsche von Fahrgästen über die App ‚uber pop‘ oder in sonstiger Weise an Fahrer zu vermitteln, soweit diese mit der Erfüllung von Beförderungswünsche entgeltliche oder geschäftsmäßige Personenbeförderung durchführen würden, ohne im Besitz der nach dem PBefG erforderlichen Genehmigung zu sein.“ Zudem wird die sofortige Vollziehbarkeit der Verfügung angeordnet. Die Behörde begründet dies u. a. damit, dass die Fahrgäste nicht ausreichend versichert sind und weder von Fahrern noch von der UvGmbH Umsatzsteuern oder Sozialversicherungsbeiträge gezahlt würden. Die Geschäftstätigkeit der U GmbH sei nach den hier einschlägigen Vorschriften des PBefG nicht genehmigungsfähig und müsse deswegen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit verboten werden. Die U GmbH wendet ein, dass für eine solche Gewerbeuntersagung die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation gar nicht zuständig sei. Darüber hinaus vermittele sie ja nur Mitfahrgelegenheiten und betreibe selbst keine Personenbeförderung. Die U GmbH fühlt sich in Ihrer Berufs- und Dienstleistungsfreiheit verletzt. Ist die Verfügung rechtmäßig?
Hinweis: Es ist davon auszugehen, dass die durchschnittliche Betriebs- und Fahrtkosten für einen PKW im Stadtgebiet Hamburg bei 0,35 € pro Kilometer liegen.
Entscheidung des Gerichts:
Auf die Besonderheit, dass es sich um eine Berufung gegen eine Entscheidung des VG Hamburg handelt, wird im weiteren nicht eingegangen.
1. Liegt eine Geschäftstätigkeit vor, die unter das PBefG fällt?
Das Gericht geht zunächst auf die Frage ein, ob die Dienstleistung von „Uber“ überhaupt vom PBefG umfasst ist. Denn nur dann könnte eine fehlende Genehmigung bzw. Genehmigungsfähigkeit zu einem Verbot der Tätigkeit der U GmbH führen.
a) Keine Ausnahme von der Anwendbarkeit des PBefG
Die Ausnahme des § 1 Abs. 2 Nr. 1 PBefG liegt nicht vor. Nach dieser Vorschrift unterliegen Beförderungen mit Personenkraftwagen nicht dem PBefG, wenn sie unentgeltlich sind oder das Gesamtentgelt die Betriebskosten der Fahrt nicht übersteigen. Mit „uber pop“ liegt der Fahrtpreis im Stadtverkehr bei etwa 1,5 Euro pro km. Dieser Betrag übersteigt die Betriebskosten von 0,35 € pro km.
b) Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen im Gelegenheitsverkehr iSd § 2 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 46 Abs. 1 PBefG
Entgegen der Auffassung der U GmbH ist ihre Geschäftstätigkeit keine bloße Vermittlung von Mitfahrgelegenheiten. Denn:
„Mitfahrgelegenheiten zeichnen sich dadurch aus, dass der Fahrer Start und Ziel einer ohnehin von ihm durchgeführten Fahrt bestimmt und Dritte bei dieser Fahrt mit befördert. Das mit „uber pop“ betriebene Geschäft bietet dagegen an, dass Nutzer der App ihren Beförderungswunsch (...der U GmbH, Anm.d.Verf.) mitteilen, diese einen Fahrer informiert und er dann von seinem Standort den Nutzer aufsucht, um nach dessen Wünschen ihn zu dessen Fahrziel gegen Entgelt zu befördern. Damit werden entgeltliche Beförderungsleistungen mit Kraftfahrzeug erbracht. Dies ist gem. § 46 Abs. 1 PBefG als Gelegenheitsverkehr mit Kraftfahrzeugen zu qualifizieren.“
c) U GmbH als Unternehmerin dieses Gelegenheitsverkehrs iSd § 2 Abs. 1 S. 2 PBefG
Die U GmbH betreibt den Gelegenheitsverkehr selbst und nicht ausschließlich die Fahrer.
„(Sie) steuert und verantwortet die Beförderung der Nutzer der App von deren Werbung über den Einsatz der Fahrer bis zur Bezahlung der Fahrt und Entlohnung der Fahrer. Sie erfüllt damit alle Voraussetzungen, die einen selbst Personenbeförderungen durchführenden Unternehmer kennzeichnen.“ Anders sahen diese Fragen noch einige Landgerichte.
LG Berlin, Urt. V. 11.4.2014 – 15 O 43/14, BeckRS 2014, 11647
LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 10.09.2014 – 2-03 O 329/14, BeckRS 2014, 18788
d) Zulässigkeit des Gelegenheitsverkehrs der U GmbH nach PBefG
Zulässig als Gelegenheitsverkehr sind gem. § 46 Abs. 2 PBefG nur der Verkehr mit Taxen, Ausflugsfahrten und Fernziel-Reisen sowie der Verkehr mit Mietomnibussen und Mietwagen. Die Geschäftstätigkeit der U GmbH fällt unter keine dieser Kategorien. Taxenverkehr liegt nicht vor, weil die U GmbH die eingesetzten Fahrzeuge nicht an den für Taxen behördlich zugelassenen Stellen bereithält (§ 47 Abs. 1 PBefG). Außerdem besteht keine Beförderungspflicht für den Fahrer. Die Fahrzeuge sind äußerlich nicht als Fahrzeuge der gewerblichen Personenbeförderung gekennzeichnet.
Die Einordnung als Verkehr mit Mietwagen scheidet aus, weil die Fahrzeuge nach Ausführung des Beförderungsauftrags nicht unverzüglich zum Betriebssitze zurückkehren (§ 49 Abs. 4 PBefG).
Eine Genehmigungsfähigkeit zur Erprobung neuer Verkehrsarten unter Abweichung von den Vorschriften des PBefG nach § 2 Abs. 7 PBefG liegt auch nicht vor. Überragende Interessen der Allgemeinheit sprechen gegen eine solche Einordnung (s. sogleich) und sperren eine entsprechende Ermessensentscheidung der Behörde.
e) Kein Verstoß gegen die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)
Mit dem Untersagung der Vermittlung der Beförderungswünsche von Fahrgästen an Fahrer ohne Genehmigung ist ein Verbot des gesamten Geschäftsmodells der U GmbH verbunden. Der U GmbH ist es verboten, ihre gewerbliche Tätigkeit fortzuführen. Dadurch ist die Berufsfreiheit eingeschränkt. Es liegt eine sog. objektive Zulassungsregel vor. Ein solcher Eingriff ist dann gerechtfertigt, wenn überragende Interessen der Allgemeinheit für ein Verbot sprechen. Dies gilt v. a. dann, da „der Unternehmer für die gewerbliche Nutzung nicht versicherte Fahrzeuge einsetzt und das Entrichten von Einkommensteuern und Sozialabgaben für die Fahrer sowie von Umsatzsteuern für die Entgelte im Geschäftsmodell nicht vorgesehen sind.(…) Andernfalls würden zumindest die Kosten von Personenschäden den Sozialversicherungssystemen zur Last fallen, denen Beiträge zuzuführen nach dem Geschäftsmodell (…der U GmbH) nicht vorgesehen ist.“ Die sonst entgangenen Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträge sowie die Sicherheit der Fahrgäste sind überragende Interessen der Allgemeinheit dafür, die die objektive Zulassungsregel rechtfertigen.
Merke: Bei dem Verbot eines gesamten Geschäftsmodells liegt eine objektive Zulassungsregel im Sinne der Dreistufen-Theorie vor. Für deren Rechtfertigung bedarf es überragender Interessen der Allgemeinheit.
f) Dienstleistungsfreiheit, Art. 58 Abs. 1 AEUV
Eine Berufung der U GmbH auf Art. 58 Abs. 1 AEUV geht fehl. Nach Art. 58 Abs. 1 gelten für den freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs die Bestimmungen des Titels über den Verkehr (Art. 90 – 100 AEUV). Nach Art. 2 Abs. 2 d) der Dienstleistungsrichtlinie (RL 2006/123/EG) ist diese auf Verkehrsdienstleistungen nicht anwendbar. Auch die Richtlinie zur Festlegung gemeinsamer Regeln für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers (VO (EG) Nr. 1071/2009) findet keine Anwendung auf entgeltliche Personenbeförderung mit Kraftfahrzeugen bis zu neun Personen. Verkehrsdienstleistungen sind daher von der Anwendbarkeit von Art. 58 Abs. 1 AEUV ausgeschlossen.
2. Ermächtigungsgrundlage
Die Verfügung könnte eine Gewerbeuntersagung gem. § 15 GewO sein. Voraussetzung wäre, dass ein grundsätzlich erlaubnisfähiges, nur ohne die erforderliche Erlaubnis betriebenes Gewerbe vorliegt. Eine solche lag hier aber nicht vor, da das Geschäftsmodell der U GmbH von vorneherein nicht genehmigungsfähig ist. Im PBefG fehlt eine spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlage für das Verbot einer solchen Tätigkeit. Deswegen ist mangels spezialgesetzlicher Regelung auf § 3 Abs. 1 HmbSOG abzustellen.
Anmerkung: Das hatte die Vorinstanz, das VG Hamburg, noch anders gesehen.
3. Zuständige Behörde
„Die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation ist für den Erlass der angefochtenen Verfügung zuständig. Art. 186 der Anordnung zur Änderung der Zuständigkeitsanordnungen aus Anlass der Neustrukturierung der Behörden 2011 vom 20.09.2011 (AmtlAnz. S. 2157, 2178) weist ihr die Durchführung des Personenbeförderungsgesetzes zu. Ihre Zuständigkeit für Maßnahmen auf der Grundlage von § 3 Abs. 1 HmbSOG ergibt sich aus der Vorschrift selbst. Für die danach zulässigen Maßnahmen sind die Verwaltungsbehörden zuständig.“ Die örtliche Zuständigkeit folgt daraus, dass sich das Verbot auf das Stadtgebiet von Hamburg beschränkt.
Das Gericht bejaht auch die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit. Das Begründungserfordernis gem. § 80 Abs. 3 VwGO sei erfüllt. Für das überwiegen des Anordnungsinteresses werden die gleichen Argumente wie oben angeführt (überragendes Interesse der Allgemeinheit).
Das OVG Hamburg hat sich einer Aussage über die Verfassungsmäßigkeit der (engen) gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung zum Gelegenheitsverkehr nach dem PBefG enthalten. In einer Examensklausur könnte an dieser Stellschraube gedreht werden.