BVerfG zur Parteienfinanzierung
Das BVerfG in Karlsruhe hat zwei Entscheidungen zur Parteienfinanzierung gefällt. Einem Normenkontrollantrag von FDP, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke gegen die Erhöhung der staatlichen Höchstfördersumme gab es statt (Urt. v. 24.01.2023, Az. 2 BvF 2/18); eine Organklage der AfD hingegen wies das oberste deutsche Gericht als schon unzulässig zurück (Urt. v. 24.01.2023, Az. 2 BvE 5/18).
Umstritten war sie von Beginn an - die von der „großen Koalition“ beschlossene "Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze" (PartGuaÄndG 18). Das im Juli 2018 hierzu beschlossene Gesetz sah in Art. 1 die Erhöhung der sogenannten absoluten Obergrenze der Parteienfinanzierung in einem großen Sprung von 165 auf 190 Millionen Euro vor. Diese Erhöhung war verfassungswidrig, urteilte nun das BVerfG.
Denn: diese verstoße gegen den Grundsatz der Staatsfreiheit der politischen Parteien aus dem Urteil zur Parteienfinanzierung vom 9. April 1992, (Az. 2 BvE 2/89) und die dort gefassten verfassungsrechtlichen Vorgaben. Zudem urteilte der 2. Senat, die Gesetzesänderung sei nicht hinreichend begründet gewesen, zumindest nicht als es darauf ankam.
Grundsätzlich ist eine staatliche Parteienfinanzierung zwar zulässig, darf aber wegen des Grundsatzes der Staatsfreiheit der Parteien (abgeleitet aus Art. 21 Abs. 1 GG) nicht zu einer Abhängigkeit der Parteien vom Staat führen. Denn die Parteien dienen vor allem dem Volk, als Bindeglied zwischen Staatsgewalt und gewählten Vertretern. Die staatliche Unterstützung darf daher nur Teilfinanzierung sein. Hierzu gab das BVerfG zwei Obergrenzen vor: Die relative Obergrenze legt fest: eine Partei darf nicht mehr Geld vom Staat erhalten als sie aus eigener Kraft an Geld einwirbt.
Im Fall geht es nun um die absolute Obergrenze, also die Menge an Unterstützung, die der Staat insgesamt für die Finanzierung aller politischer Parteien aufwenden darf. Diese absolute Obergrenze wurde erstmals 1994 (damals bei 230 Millionen DM) festgesetzt und danach mehrfach erhöht. Seit 2013 ist die Grenze gemäß § 18 Abs. 2 Parteiengesetz geregelt und hätte somit im Jahr 2018 ca. 165 Millionen Euro betragen müssen. Für Ausnahmefälle, wenn „sich die Verhältnisse einschneidend geändert habe“ ist jedoch eine „außergewöhnliche Erhöhung der absoluten Obergrenze“ möglich.
Und eine solche Ausnahmesituation soll laut Gesetzesbegründung 2018 vorgelegen haben. Doch zwei der vier Gründe, die der Gesetzgeber für eine außerplanmäßige Erhöhung der absoluten Finanzierungsgrenze angeführt hatte, verwarf das Gericht. Zu einen gab die GroKo an, dass Parteien einen erhöhten Aufwand hätten um die Transparenz- und Rechenschaftspflichten zu erfüllen. Diese Begründung überzeugte den Senat nicht.
Als absolut nicht nachvollziehbar betrachten die Richter:innen der Argumentation, die absolute Obergrenze müsse angehoben werden, damit die nach der relativen Obergrenze bestehenden Ansprüche nicht gekürzt würden. Hier kritisiert das BVerfG den Gesetzgeber ausdrücklich und legt nahe, dass hier ein sachfremdes Motiv herangezogen wurde: man habe sich bei der Erhöhung der absoluten Obergrenze primär an dem orientiert, was nach der relativen Obergrenze an Subventionen möglich ist, d.h. nicht höhere Kosten begründen höhere Ausgaben sondern es soll das höchstmögliche an Förderung „herausgeholt“ werden.
In zwei weiteren Punkten konnte der Senat zumindest dem Grunde nach die Begründung nachvollziehen: die Digitalisierung interner Abläufe und die steigende Zahl teurer Mitgliederentscheide und -befragungen führten zu steigenden Kosten. Das BVerfG billigt der Legislative auch hier weiterhin einen erheblichen Einschätzungsspielraum zu. Es fordert aber ein Prozeduralisierungsgebot, d.h. die Legislative hat Einschätzungen eingehend und nachvollziehbar zu begründen, und zwar im Gesetzgebungsverfahren selbst, damit dieser Zwang zur Rationalisierung den Inhalt des Gesetzes noch beeinflussen kann.
Daran, so das Gericht, fehlte es im parlamentarischen Verfahren zu Art. 1 PartGuaÄndG 18. Im gerichtlichen Verfahren hatte die Bundesregierung zwar einige Erwägungen und Gründe nachgeschoben, etwa zu den gestiegenen Ausgaben für das Plakatieren sowie veränderte Kosten durch die Digitalisierung. Dies genügte den Anforderungen nicht, weil es eben zu spät erfolgte, um sich noch auf das Gesetzgebungsverfahren auswirken zu können. Diesbezüglich aber weist das Gesetz erhebliche Lücken auf, viele Argumente wurden erst nach dem Erlass des Gesetzes in der Verhandlung vor dem BVerfG vorgebracht – und damit zu spät.
Die AfD wollte damals dem Normenkontrollantrag beitreten, aber die anderen Oppositionsparteien ließen dies nicht zu. Daraufhin brachte die AfD einen Organstreit ein und begehrte im Wesentlichen zweierlei: zum einen die Feststellung, dass ihre verfassungsgemäßen Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Anhebung der absoluten Obergrenze der Parteienfinanzierung verletzt worden seien, zum anderen die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze (PartGuaÄndG 2018).
Hiermit erlitten die Antragssteller aber eine Abfuhr: Der erste Antrag lasse die einschlägige Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG „vollständig außer Acht“, der zweite verkenne die kontradiktorische Natur des Organstreits. Denn anders als im Normenkontrollverfahren stehe nicht die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes in Frage - allein die Abgrenzung von Organrechten sei tauglicher Gegenstand des Verfahrens.
Die AfD behauptete, aus Art. 20 Abs. 1 bis 3 GG ließen sich Beteiligungsrechte für das Gesetzgebungsverfahren ableiten, welche durch das nur zehn Tage dauernde Verfahren verletzt worden seien. Der 2. Senat erklärte hierzu, es sei bereits unklar, warum das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) tauglicher Anknüpfungspunkt für das individuelle Recht zum parlamentarischen Opponieren sei, dies richte nach der „Ordnung des Grundgesetzes“ und müsse daher an Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG anknüpfen. Da die AfD-Fraktion sich in dem Organstreitverfahren trotz mehrfachen Hinweisens durch den Bundestag und das BVerfG aber nicht auf Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG gestützt habe, könne der Antrag auch nicht dahingehend ausgelegt werden. Damit fehle es bereits an der Antragsbefugnis.
Beim zweiten Punkt fehlte dem Senat bereits ein tauglicher Antragsgegenstand. Das Organstreitverfahren sei eben ein kontradiktorisches Verfahren, es diene der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen und nicht der objektiven Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit von Handlungen. Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes könne damit gerade nicht Ziel sein.