Sachverhalt (vereinfacht):
Die Beklagte betreibt ein Juweliergeschäft. Im Februar 2012 übergab die Ehefrau des Klägers der Beklagten in deren Geschäftsräumen diverse im Eigentum des Klägers stehende Schmuckstücke mit der Intention diese reparieren zu lassen. Der Juwelier sollte jedoch vorab die voraussichtlich anfallenden Kosten bestimmen.
Anlässlich eines Raubüberfalls am 23. Februar 2012 auf das Geschäft der Beklagten wurden unter anderem die Schmuckstücke des Klägers entwendet.
Die Beklagte war insoweit nicht versichert, worauf sie in dem Gespräch mit der Ehefrau des Klägers vor Überlassung der Schmuckstücke nicht hingewiesen hatte.
Der Wert der Stücke lag bei 2500€.
Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz für die geraubten Schmuckstücke unter Berufung darauf, dass er die Schmuckstücke nicht bei der Beklagten belassen hätte, wenn er von dem fehlenden Versicherungsschutz gewusst hätte.
Welche Ansprüche stehen dem Kläger zu?
A. Vertragliche Ansprüche
I. §§ 280 I, 241 II, 631 I.
Vorliegend ergibt sich aus dem SV noch nicht klar, ob ein Vertrag geschlossen wurde. Aus diesem Grund kann aus der Abgabe der Schmuckstücke allein noch nicht auf einen Werkvertrag geschlossen werden.
B. Vertragsähnliche Ansprüche
I Anspruch des Klägers aus §§ 280 I, 311 II Nr. 2, 241 II
1. Vorvertragliches Schuldverhältnis
In der Abgabe der Schmuckstücke zur Einschätzung der Reparaturkosten liegt jedoch eine vorvertragliches Schuldverhältnis i.S.d. § 311 II Nr. 2.
2. Pflichtverletzung
Fraglich ist, ob der Beklagte eine Pflicht verletzt hat.
a. Pflichtverletzung durch Nichtversicherung?
Fraglich ist, ob sich eine Pflichtverletzung schon allein daraus ergibt, dass der Beklagte den Schmuck nicht gegen zufälligen Untergang versichert hat.
Eine allgemeine Versicherungspflicht von Unternehmern, entgegengenommene Gegenstände zu versichern, besteht jedoch grds. nicht. Eine andere Bewertung kann jedoch dann angedacht werden, wenn der Gegenstand besonders wertvoll ist.
Bei Schmuck im Wert von 2.500 € kann jedoch keine besondere Werthaltigkeit angenommen werden.
b. Pflichtverletzung durch nicht erfolgte Aufklärung?
Fraglich ist, ob sich eine Pflichtverletzung daraus ergibt, dass der Juwelier den Kläger nicht über das Fehlen einer entsprechenden Versicherung informiert hat. Ein Unterlassen ist dann pflichtwidrig, wenn eine Handlungspflicht angenommen werden kann.
Expertentipp
Wie stets bei Aufklärungspflichten gilt es sich nicht gleich auf den konkreten Fall im Einzelnen zu stürzen, sondern zunächst die Grundsätze aufzuzeigen. Der Korrektor im Examen will sehen, dass sie die Thematik insgesamt verstanden haben und nicht bloß diesen Fall kennen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht bei Vertragsverhandlungen zwar keine allgemeine Rechtspflicht, den anderen Teil über alle Einzelheiten und Umstände aufzuklären, die dessen Willensentschließung beeinflussen könnten. Vielmehr ist grundsätzlich jeder Verhandlungspartner für sein rechtsgeschäftliches Handeln selbst verantwortlich und muss sich deshalb die für die eigene Willensentscheidung notwendigen Informationen auf eigene Kosten und eigenes Risiko selbst beschaffen.
Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos.
Eine Rechtspflicht zur Aufklärung bei Vertragsverhandlungen auch ohne Nachfrage besteht allerdings dann, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise die Mitteilung von Tatsachen erwarten durfte, die für seine Willensbildung offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind.
Expertentipp
Fragen muss der Vertragspartner ohnehin stets wahrheitsgemäß beantworten.
Dabei kann die ausschlaggebende Bedeutung durch einen sehr hohen drohenden Schaden für den Vertragspartner begründet werden.
Vorliegend ist kein besonders hoher Schaden ersichtlich. Aus diesem Grund ergibt sich aus den Vorstehenden Ausführungen keine Aufklärungspflicht.
Der Vertragspartner kann aber nach Treu und Glauben auch dann eine Aufklärung über das Fehlen einer Versicherung erwarten, wenn ein entsprechender Versicherungsschutz branchenüblich ist.
Branchenüblichkeit liegt vor, wenn sich innerhalb einer Gruppe von Unternehmen, die ähnliche Leistungen auf dem Markt anbieten, eine Gepflogenheit oder ein Brauch innerhalb einer bestimmten Tätigkeit entwickelt hat, der nicht nur vorübergehend besteht, sondern eine gewisse Kontinuität erkennen lässt. Dies ist für die hier in Rede stehende Versicherung für die Revision mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts zugunsten des Klägers zu unterstellen.
Die Branchenüblichkeit kann eine berechtigte Erwartung des Kunden begründen, dass ein solcher Versicherungsschutz besteht. Dies ist für den Juwelier als Mitglied der Branche auch erkennbar. Wenn der Juwelier die deshalb möglicherweise gebotene Aufklärung unterlässt, begeht er eine Pflichtverletzung.
Dieser Annahme kann auch nicht generell entgegengehalten werden, dass eine solche Aufklärung den Geschäftsverkehr eines Juweliers unzumutbar beschränken würde. Bei Juweliergeschäften handelt es sich nicht um derartige Massengeschäfte, dass die Zeitspanne, welche eine Belehrung in Anspruch nehmen würde, den Betrieb nachhaltig stören würde.
3. Vertretenmüssen
Das Vertretenmüssen wird gem. § 280 I 2 vermutet und wurde nicht widerlegt.
4. Ersatzfähiger Schaden
Ersatzfähig sind die Kosten für einen Ersatz gem. § 249 I, II.
5. Ergebnis
Ein Anspruch der Beklagten auf Zahlung i.H.v. 2500€ besteht gem. §§ 280 I, 311 II Nr. 2, 249ff.