Tatbestand:
Der Kläger war von 2002 bis zum 31. Mai 2009 Mieter einer Wohnung der Beklagten in Erfurt. Zu Beginn des Mietverhältnisses hatte der Kläger ein Kautionssparbuch über 695,36 € eingerichtet, eine Verpfändungserklärung abgegeben und das Sparbuch an die Beklagte als Mietsicherheit übersandt. Die dem Kläger für die Jahre 2006 bis 2009 erteilten Betriebskostenabrechnungen vom 31. August 2007, vom 21. Oktober 2008, vom 3. November 2009 und vom 4. November 2010 wiesen jeweils Nachzahlungsbeträge zugunsten der Beklagten aus.
Mit der im Februar 2013 erhobenen und zugestellten Klage begehrt der Kläger die Pfandfreigabe und die Rückgabe des Sparbuchs.
Die Beklagte hat sich demgegenüber auf die aus ihrer Sicht bestehenden Nachzahlungsansprüche aus den Betriebskostenabrechnungen in Höhe von insgesamt 959,57 € berufen und diesen Betrag gleichzeitig im Wege der Widerklage geltend gemacht.
Beide Parteien berufen sich wechselseitig auf die Verjährung der gegen sie geltend gemachten Ansprüche.
Lösung:
Ein Anspruch des Klägers auf Freigabe der Sicherheit und Rückgabe des als Mietsicherheit übersandten Sparbuchs könnte sich aus §§ 1273 Abs. 2, 1223 Abs. 1 ergeben.
Ein weiterer Anspruch könnte aus der dem Pfandrecht zu Grunde liegenden (konkludenten) Sicherungsabrede der Parteien folgen. Hiernach ist in der Regel der Pfand zurück zu gewähren, insoweit der Sicherungszweck entfallen ist.
Der BGH hierzu:
Dem Mieter, der eine Mietsicherheit geleistet hat, steht (frühestens) nach Beendigung des Mietverhältnisses und Ablauf einer angemessenen Prüfungsfrist des Vermieters (BGH, Urteile vom 24. März 1999 - XII ZR 124/97, BGHZ 141, 160, 162; vom 18. Januar 2006 - VIII ZR 71/05, NJW 2006, 1422 Rn. 9) ein Anspruch auf Freigabe der Sicherheit zu. Bei Verpfändung einer Sparbuchforderung wie im vorliegenden Fall ergibt sich der Anspruch des Mieters auf Freigabe der Sicherheit und Rückgabe des Sparbuchs sowohl aus §§ 1273, 1223 Abs. 1 BGB (dinglicher Anspruch) sowie aus der regelmäßig stillschweigend abgeschlossenen Sicherungsabrede. Dieser Anspruch wird allerdings erst dann fällig, wenn das Sicherungsbedürfnis entfallen ist, mithin zu dem Zeitpunkt, in dem dem Vermieter keine Forderungen mehr aus dem Mietverhältnis zustehen, wegen derer er sich aus der Sicherheit befriedigen kann (BGH, Urteil vom 24. März 1999 - XII ZR 124/97, aaO).
In einer solchen Fallgestaltung gilt es zu prüfen, ob dem Vermieter offene Forderungen zustehen. Die Hingabe des Pfands dient grundsätzlich dazu dem Vermieter die Befriedigung offener Forderungen zu ermöglichen.
Vorliegend ist jedoch zu beachten, dass die Forderungen gegebenenfalls verjährt sein könnten.
Sodann gilt es auch zu fragen, ob ein Zugriff auf die Sicherheit trotz Verjährung möglich ist.
Betriebskostennachforderungen verjähren gemäß § 195 innerhalb von 3 Jahren (regelmäßige Verjährungsfrist).
Dabei beginnt die Frist gemäß § 199 Abs. 1 mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
Die Verjährungsfrist begann - bezüglich der Forderung aus dem Jahr 2006, geltend gemacht am 31. August 2007 - mit dem Schluss des Jahres 2007 und endete mit Ablauf des Jahres 2010. Entsprechend verjährte die Nachforderung aus dem Jahr 2007 Ende 2011, die aus dem Jahr 2008, mit Ablauf des Jahres 2012. Die Forderung aus dem Jahr 2009 würde mit Ablauf des Jahres 2013 enden.
Der Anspruch des Mieters jedoch auf Rückgabe einer Mietsicherheit wird erst dann fällig, wenn eine angemessene Überlegungsfrist abgelaufen ist und dem Vermieter keine Forderungen aus dem Mietverhältnis mehr zustehen, wegen derer er sich aus der Sicherheit befriedigen darf.
Vorliegend war zumindest die Forderung aus dem Jahr 2009 noch nicht verjährt (Zustellung der Klage im Februar 2013). Insoweit konnte die Sicherheit nicht zurückgefordert werden.
Fraglich ist, ob der Vermieter auch im Hinblick auf die verjährten Forderungen Befriedigung aus der Sicherheit suchen durfte.
§ 216 Abs. 1 bestimmt, dass die Verjährung eines Anspruchs, für den ein Pfandrecht besteht, den Gläubiger nicht daran hindert seine Befriedigung aus dem belasteten Gegenstand zu suchen.
Jedoch gilt § 216 Abs. 1 gemäß § 216 Abs. 3 dann nicht, wenn Ansprüche auf Zinsen oder andere wiederkehrende Leistungen betroffen sind.
Fraglich ist daher, ob Nachzahlungsforderungen als wiederkehrende Leistungen einzuordnen sind.
Nach der Ansicht des BGH sind wiederkehrende Leistungen solche, die nach Gesetz oder der jeweiligen Vereinbarung zwischen den Parteien dazu bestimmt sind in regelmäßig wiederkehrenden Terminen erbracht zu werden. Dem steht nicht entgegen, dass die Zahlungssumme variiert oder die Zahlungspflicht an einzelnen Terminen ausbleiben kann.
Jährliche Betriebskostenabrechnungen sind - als Teil der regelmäßig zu zahlenden Nebenkosten - als wiederkehrende Leistungen einzuordnen.
Die Betriebskostenjahresabrechnung ist somit nicht rechtsbegründend (konsti-tutiv) für den Leistungsanspruch. Der Anspruch ist vielmehr bereits mit der (re-gelmäßig zu Mietbeginn getroffenen) vertraglichen Vereinbarung gemäß § 556 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Übertragung der Betriebskostenlast auf den Mieter dem Grunde nach entstanden. Darin unterscheidet er sich etwa von dem Anspruch eines Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts auf Auszahlung des Gewinnanteils, der keine wiederkehrende Leistung zum Gegenstand hat. Denn letzterer erfordert zu seiner Entstehung einen rechtsbegründenden Akt in Gestalt eines Gesellschafterbeschlusses über die Aufstellung und Feststellung der Bilanz (BGH, Urteil vom 6. April 1981 - II ZR 186/80, aaO S. 358).
Dieser Einschätzung steht auch § 215 nicht entgegen.
Nach dieser Vorschrift schließt die Verjährung die Aufrechnung und die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts nicht aus, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet oder die Leistung verweigert werden konnte. Wie bereits ausgeführt, wird der Anspruch auf Freigabe der Sicherheit jedoch erst fällig, wenn keine gesicherten Forderungen mehr vorhanden sind; die Frage eines Zurückbehaltungsrechts stellt sich somit gegenüber dem Freigabeanspruch nicht (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 1999 - XII ZR 124/97, aaO). Im Übrigen ist die Frage, ob der Gläubiger sich wegen eines verjährten Anspruchs noch aus der Sicherheit befriedigen kann, in § 216 Abs. 1, 3 BGB abschließend geregelt. Der mit dieser Regelung verfolgte Zweck besteht darin, dass hinsichtlich wiederkehrender Leistungen für die Befriedigung des Gläubigers aus einer Sicherheit nur ein begrenzter Zeitraum zur Verfügung stehen soll, so dass der Schuldner nach Ablauf dieses Zeitraums und Eintritt der Verjährung der gesicherten Forderung die Verwertung der Sicherheit wegen derartiger Ansprüche verhindern und somit die Sicherheit zurückerhalten kann, wenn keine sonstigen gesicherten Forderungen mehr bestehen. Dieser Zweck würde indes vereitelt, wenn der Gläubiger in einem solchen Fall die Rückgabe einer Sicherheit unter Verweis auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen verjährter wiederkehrender Leistungen verweigern könnte.
Aufgrund bestehender Forderungen gegen den Mieter ist der Freigabeanspruch des Klägers zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig geworden. Denn der Beklagten stand jedenfalls zu diesem Zeitpunkt die Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung vom 3. November 2010 für das Jahr 2009 zu. Die Verjährungsfrist für diese Forderung lief noch bis Ende 2013 und wurde durch die Erhebung der Widerklage im März 2013 gehemmt.
Der Vermieter kann sich daher nur i.H. der bestehenden (unverjährten) Nachforderung befriedigen.
Der Mieter kann die Sicherheit gem. § 1223 II zurückverlangen.
Teste dein Wissen:
Was sollten sie aus dem Urteil mitnehmen:
Wann ist der Anspruch auf Rückgabe der Mietsicherheit fällig?
Woraus kann ein solcher Anspruch folgen?
Dauer der regelmäßigen Verjährungsfrist?
Wann beginnt und endet diese?
Ist die Jahresschlussrechnung konstitutiv für den Anspruch?
Wann wird der Anspruch auf Nachzahlung fällig?
Liegen regelmäßig wiederkehrende Leistungen vor (Hier an § 216 I und III denken)?