Dem Urteil des BGH (v. 13.1.2015 – VI ZR 386/13, abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de = NJW 2015,776 = BeckRS 2015, 01982 [beck-online]) lag folgender (leicht vereinfachter) Sachverhalt zugrunde:
Der K, der als Friseur von zahlreichen Prominenten bekannt geworden ist, betreibt mehrere Friseurgeschäfte. Im März 2012 veröffentlichte die B, in dem von ihr betriebenen Internetportal www.bild.de unter der Überschrift „Filialleiter von UW [voller Name des K] mit ,Hells Angels‘ verhaftet“ einen Artikel, in dem im Wesentlichen darüber berichtet wird, dass Benjamin S, ein Mitarbeiter des K, zusammen mit einem Freund und zwei Mitgliedern der Gruppierung „Hells Angels“ wegen des Vorwurfs der versuchten schweren räuberischen Erpressung verhaftet worden sei. Wörtlich heißt es dazu unter anderem:
„Als Filialleiter bei Promi-Friseur UW [voller Name des K] (67) frisiert Benjamin S (26) die Reichen und Schönen. Jetzt verhaftete das SEK den Kudamm-Geschäftsführer, einen Freund (29) und zwei ,Hells Angels’-Rocker (25, 29)! Der Vorwurf: versuchte schwere räuberische Erpressung. Was hat der Figaro bloß mit den Rockern zu tun? [...] Dem Filialleiter tut jetzt alles leid. Über seinen Chef sagt er: ,Ich bin im Kreuzberger Kiez groß geworden. U [Vorname des K] weiß, dass ich eine schwierige Vergangenheit habe. Er hat mir trotzdem eine Chance gegeben.’“
Der K ist insbesondere der Auffassung, er müsse es nicht dulden, für die B als Aufmacher für ein Ermittlungsverfahren gegen eine dritte Person herzuhalten. Er nimmt die B darauf in Anspruch, es zu unterlassen, ihn namentlich im Zusammenhang mit einer Festnahme des Herrn Benjamin S zu erwähnen, insbesondere wenn dies wie geschehen passiere.
Kann K gegen B einen dahingehenden Unterlassungsanspruch geltend machen?
Falllösung:
K könnte gegen B einen Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog haben, dass er nicht im Zusammenhang mit der Festnahme des Herrn Benjamin S erwähnt wird.
Der Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB kann auf Unterlassung gerichtet sein, wenn eine Wiederholungsgefahr besteht (Lüke, Sachenrecht, 3. Aufl. 2014, § 13 Rn. 528).
I. Geschütztes Rechtsgut
Zunächst müsste die Beeinträchtigung eines von § 1004 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsguts möglich sein. Nicht nur der Eigentümer von beweglichen oder unbeweglichen Sachen kann den Anspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB geltend machen. Vielmehr kommen auch andere Inhaber von dinglichen Rechtspositionen oder absolut geschützten Rechten und rechtlich geschützten Positionen als Anspruchsinhaber in Betracht (Lüke, Sachenrecht, 3. Aufl. 2014, § 13 Rn. 531). Die Vorschrift findet bei Störung aller absolut geschützten Rechte im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB Anwendung (Lüke, Sachenrecht, 3. Aufl. 2014, § 13 Rn. 525).
Hier könnte eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht gem. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gegeben sein. Das allgemeine Persönlichkeitsrechtsrecht stellt ein sonstiges Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB dar und ist daher von § 1004 Abs. 1 BGB analog geschützt.
II. Beeinträchtigung
Des Weiteren müsste das allgemeine Persönlichkeitsrecht des K auch beeinträchtigt sein. Mit diesem Anspruch kann der Eigentümer sich grundsätzlich gegen jegliche Beeinträchtigungen wehren, die keine Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes darstellen (Lüke, Sachenrecht, 3. Aufl. 2014, § 13 Rn. 525).
D.h. die angegriffene Berichterstattung müsste einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des K darstellen.
Zunächst müsste der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des K betroffen sein.
Hierzu führt der BGH folgendes aus:
„[Dass der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist] ergibt sich noch nicht allein aus dem Umstand, dass der Kl. im angegriffenen Artikel überhaupt
namentlich erwähnt wird. Denn anders als bei der Veröffentlichung eines Bildes einer Person, die eine grundsätzlich rechtfertigungsbedürftige Beschränkung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts begründet, die unabhängig davon ist, ob die Person in privaten oder öffentlichen Zusammenhängen und in vorteilhafter oder unvorteilhafter Weise abgebildet ist, ist dies bei personenbezogenen Wortberichten nicht ohne Weiteres der Fall. Art. 2 I iVm Art. 1 I GG bietet nicht schon davor Schutz, überhaupt in einem Bericht individualisierend benannt zu werden, sondern nur in spezifischen Hinsichten [...].
Betroffen ist der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aber unter dem Gesichtspunkt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, das über den Schutz der Privatsphäre hinausgeht und sich als Befugnis des Einzelnen darstellt, grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden, ob und wann sowie innerhalb welcher Grenzen seine persönlichen Daten in die Öffentlichkeit gebracht werden [...]. Es erschöpft sich nicht in der Funktion des Abwehrrechts des Bürgers gegen den Staat, sondern entfaltet als Grundrecht Drittwirkung und beeinflusst hierdurch auch die Werteordnung des Privatrechts [...]. In dem angegriffenen Artikel wird dem Leser mitgeteilt, dass der Kl. Benjamin S beschäftigt. Dass dieser Umstand der beruflichen Sphäre des Kl. zuzuordnen ist, steht der Annahme eines Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht entgegen [...].
Darüber hinaus ist die ebenfalls vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützte [...] Geschäftsehre des Kl. tangiert. Zwar wird dem Kl. selbst kein Vorwurf gemacht. Er wird
aber [...] insbesondere durch die Gestaltung der Überschrift, in der bereits sein Name genannt wird, in einen Zusammenhang mit den „Hells Angels“ gebracht. Die im Artikel dabei enthaltene Aussage, in seinem Geschäft arbeite mit Benjamin S eine Person, die einer gemeinsam mit zwei Mitgliedern der „Hells Angels“ begangenen Straftat verdächtig sei, ist für das Ansehen und den geschäftlichen Erfolg des Kl. abträglich, da sich Kunden auf Grund dieses Umstands möglicherweise veranlasst sehen, auf einen Besuch in einem Geschäft des Kl. zu verzichten, weil sie mit vermeintlichen Straftätern und den „Hells Angels“ nichts zu tun haben wollen.
Von der angegriffenen Berichterstattung nicht betroffen ist indes die vom allgemeinen
Persönlichkeitsrecht geschützte Privatsphäre des Kl. Denn der Kl. wird allein als Arbeitgeber des Benjamin S und damit ausschließlich in Bezug auf seine berufliche Tätigkeit, die der Sozialsphäre zuzurechnen ist, erwähnt.“
Mithin ist der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des K betroffen.
Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des K müsste aber auch rechtswidrig sein.
Hierzu führt der BGH folgendes aus:
„Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der EMRK interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt [...].
Im Streitfall sind das durch Art. 2 I, 1 I (auch iVm Art. 12 I) GG und Art. 8 I EMRK gewährleistete Interesse des Kl. am Schutz seiner sozialen Anerkennung, seiner Geschäftsehre und seiner persönlichen Daten mit dem in Art. 5 I GG und Art. 10 EMRK verankerten Recht der Bekl. auf Meinungs- und Medienfreiheit abzuwägen. Diese Abwägung ergibt [...], dass die geschützten Interessen der Bekl. diejenigen des Kl. überwiegen.
Bei Tatsachenbehauptungen hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen insbesondere vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie für den Betroffenen nachteilig sind, unwahre dagegen nicht [...]. [...] [D]ie im angegriffenen Artikel der Bekl. aufgestellten Tatsachenbehauptungen [sind] wahr. Ob dies auch für die Behauptung gilt, bei Benjamin S handle es sich um den Filialleiter der „Kudamm-Filiale“, kann dahinstehen. In welcher Funktion Benjamin S tätig ist, als Filialleiter oder als Verantwortlicher am Empfang, hat für die den Kl. betreffende Abwägung keine Bedeutung.
Besondere Umstände, auf Grund derer die Abwägung trotzdem zu Lasten der Meinungs- und Medienfreiheit der Bekl. ausfallen könnte, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil spricht für ein Überwiegen der geschützten Interessen der Bekl. auch der Umstand, dass die angegriffene Berichterstattung den Kl. nur in seiner beruflichen Sphäre betrifft. Schwerwiegende Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht des Kl., wie sie [...] erforderlich wären, um an Äußerungen im Rahmen der Sozialsphäre negative Sanktionen knüpfen zu können, drohen nicht. Die angegriffene Berichterstattung belastet den Kl. nur in geringem Maße. Insbesondere drohen – in Bezug auf den Kl. – weder soziale Ausgrenzung noch Stigmatisierung oder Prangerwirkung.
[...] [E]ine stigmatisierende Wirkung des Artikels in Bezug auf den Kl. [kann] nicht aus dem Umstand abgeleitet werden, dass über ihn im Zusammenhang mit einem strafrechtlichen Verfahren berichtet wird. Zwar mag es [...] durchaus zutreffen, dass im Zusammenhang mit einem Strafverfahren bereits die namentliche Nennung einer Person stigmatisierend wirken kann. Im Streitfall ist dies in Bezug auf den Kl. aber gerade nicht der Fall. Es wird im angegriffenen Artikel nämlich in keiner Weise behauptet, der Kl. sei in das möglicherweise strafrechtlich relevante Geschehen in irgendeiner Weise involviert gewesen.
Darüber hinaus entfaltet die angegriffene Berichterstattung in Bezug auf den Kl. auch keine Prangerwirkung. Eine solche kommt [...] in Betracht, wenn ein beanstandungswürdiges Verhalten einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht wird und sich dies schwerwiegend auf Ansehen und Persönlichkeitsentfaltung des Betroffenen auswirkt [...]. Dies ist hier nicht der Fall. Der angegriffene Artikel enthält keinerlei gegen den Kl. gerichtete Vorwürfe. Die Annahme des BerGer., die Nennung des Namens des Kl. im Zusammenhang mit dem Umstand, dass „(s)ein ,Filialleiter‘ mit ,Hells Angels‘ verhaftet wurde“, stehe dem Vorwurf eines beanstandungswürdigen Verhaltens im Sinne der Prangerwirkung gleich, teilt der erkennende Senat nicht. Auch wenn die im Artikel enthaltene Aussage [...] die Geschäftsehre des Kl. berührt, entspricht die von ihr ausgehende Ehrbeeinträchtigung weder hinsichtlich ihrer Qualität noch ihrer Intensität den an die Annahme einer unzulässigen Prangerwirkung zu stellenden Anforderungen. Der [...] Umstand, der Kl. sei von Kunden auf die im Artikel thematisierten Vorgänge angesprochen worden, geht über eine bloße Unannehmlichkeit nicht hinaus. Eine tatsächlich eingetretene wirtschaftliche Beeinträchtigung, die das Gewicht des Eingriffs verstärken könnte, macht der Kl. selbst nicht geltend.
Weiter ändert am Ergebnis der Abwägung und der Zulässigkeit der streitgegenständlichen Veröffentlichung auch der Umstand nichts, dass über die Festnahme des Benjamin S und deren Hintergründe auch hätte berichtet werden können, ohne den Kl. zu erwähnen. Es gehört zum Kern der Meinungs- und Medienfreiheit, dass die Medien im Grundsatz nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden können, was sie des öffentlichen Interesses – auch unter dem Gesichtspunkt des „Aufmachers“ – wert halten und was nicht. Denn die Meinungsfreiheit ist nicht nur unter dem Vorbehalt des öffentlichen Interesses geschützt, sondern garantiert primär die Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers über die Entfaltung seiner Persönlichkeit in der Kommunikation mit anderen. Bereits hieraus bezieht das Grundrecht sein in eine Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht einzustellendes Gewicht, das durch ein mögliches öffentliches Informationsinteresse lediglich weiter erhöht werden kann [...]. Im Übrigen kann ein objektives Informationsinteresse an der Berichterstattung darüber, dass der prominente Kl. Benjamin S trotz seiner „schwierigen Vergangenheit“ beschäftigt, nicht verneint werden.
Zuletzt greift der Einwand [...] nicht, die namentliche Nennung des Kl. in der angegriffenen Berichterstattung sei auch deshalb unzulässig, weil sie im Zusammenhang mit einer unzulässigen Verdachtsberichterstattung erfolgt sei. Dabei kann offenbleiben, ob in Bezug auf Benjamin S tatsächlich von einer unzulässigen identifizierenden Verdachtsberichterstattung ausgegangen werden kann. Denn jedenfalls könnte der Kl. daraus nichts für sich herleiten. Dass Benjamin S in – unterstellt – unzulässiger Weise identifizierbar dargestellt wurde, bedeutet nicht, dass auch der Kl. in diesem Zusammenhang nicht hätte namentlich erwähnt werden dürfen.“
Im Rahmen einer Abwägung ergibt sich also, dass die Meinungs- und Pressefreiheit der B gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des K überwiegt. Damit ist der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des K ist nicht rechtswidrig.
III. Ergebnis
K hat im Ergebnis daher gegen B keinen Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, dass er nicht im Zusammenhang mit der Festnahme des Herrn Benjamin S erwähnt wird.
Anmerkung: Auch in diesem Fall war es wieder einmal sehr wichtig, alle Informationen des Sachverhalts zu verarbeiten und eine vertretbare und umfassende Interessenabwägung durchzuführen. Für weiterführende Hinweise kann auf die Urteilsanmerkung von Jahn (GRUR-Prax 2015, 90 [beck-online]) verwiesen werden. Bezüglich der zulässigen Veröffentlichung von Informationen über die Tochter eines Prominenten siehe BGH, NJW 2014, 768 mit Anm. Elmenhorst, NJW 2014, 770. Weitere Ausführungen zu diesem Thema finden Sie auch in unseren ExO`s und im GuKO ZR. Eine Leseprobe aus unserem Skript finden Sie hier: http://www.juracademy.de/web/skript.php?id=37365.