Der BGH (Urteil vom 18.08.2012, AZ 2 StR 295/10 - abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de) musste sich mit folgendem Fall befassen:
Der in finanzielle Schwierigkeiten geratene A plante, eine Tankstelle zu überfallen. Da er weder über Pistolen noch über sonstige Waffen verfügte, verfiel er auf die Idee, eine mit Wäsche gefüllte und verschlossene Sporttasche auf die Verkaufstheke zu stellen, demonstrativ das Handy zu zücken und dem Verkäufer zu erklären, in der Tasche befinde sich eine Bombe, die er zünden werde, wenn er nicht das Geld aus der Kasse bekomme. Zwar lachte ihn der erste Verkäufer aus, der zweite jedoch übergab ihm schlotternd 1.525 € Bargeld und eine Stange Zigaretten.
Da der BGH bekanntermaßen Raub als lex spezialis zur räuberischen Erpressung als lex generalis (also jeder Raub ist eine räuberische Erpressung) auf Konkurrenzebene nach dem äußeren Tatgeschehen abgrenzt und vorliegend ein Geben des Opfers zur Gewahrsamsübertragung am Geld und den Zigaretten geführt hat, kam eine Verurteilung aus den §§ 253, 255 StGB in Betracht. (Nach Auffassung der Literatur müsste dieses Geben eine Vermögensverfügung sein, was vorliegend wohl verneint werden müsste, da das Opfer weder eine "Hüterstellung" inne noch die Vorstellung hatte, es könne sich der Gewalt widersetzen.)
Durch Inaussichtstellen eines empfindlichen Übels (Drohung) brachte der Täter das Opfer dazu, ihm das Geld und die Zigaretten zu übergeben, wodurch ein Schaden entstand. Da auch die subjektiven Voraussetzungen verwirklicht sind, hat A sich zunächst gem. §§ 253, 255 StGB strafbar gemacht.
Fraglich ist nun,ob die Sportasche die Erpressung gem. § 250 I Nr. 1b StGB qualifiziert. Dann müsste die Sporttasche "sonst ein Werkzeug oder Mittel" sein. Anerkannt ist, dass dieses Werkzeug oder Mittel keine objektive Gefährlichkeit aufweisen muss. Es muss aber aus sich heraus geeignet sein, den Willen des Opfers zu beeinflussen. Fehlt ihm aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes diese Wirkung und erhält es diese Wirkung nur, weil der Täter eine täuschende Erklärung abgibt (Labellostift, der dem Opfer in den Rücken gedrückt wird mit den Worten "Das ist eine Waffe"), dann gebietet der hohe Strafrahemen eine Einschränkung mit der Folge, dass derartige Werkzeuge oder Mittel aus dem Anwendungsbereich heraus fallen. Unprobletisch darunter fallen täuschend echt aussehende Scheinwaffen, da diese aus sich heraus eine motivatorische Wirkung entfalten, ohne dass es einer weiteren Erkläung des Täters bedarf.
Nun stellt sich die Frage, ob die Sporttasche nebst Handy eher "Labellostift" oder eher "Scheinwaffe" ist. Sporttasche und Handy für sich genommen haben zunächst auch bei visueller Wahrnehmung keine bedrohliche und damit motivatorische Wirkung. Diese bekommen sie erst durch die Erklärung des Täters "Hier ist eine Bombe drin". Der BGH hat dazu aber folgendes ausgeführt:
„Für einen objektiven Beobachter war die Gefährlichkeit der vom Angeklagten verwendeten Gegenstände, die er täuschend als "Bombe" bezeichnete, überhaupt nicht einzuschätzen; der äußere Augenschein gab keinen Anhaltspunkt dafür, ob die Behauptung des Angeklagten über die Gefährlichkeit zutraf. Der Sachverhalt lag daher im Ergebnis nicht anders als bei Verwendung sonstiger als "Scheinwaffen" bezeichneter, objektiv ungefährlicher Gegenstände, …“ Will heißen: dadurch dass das Opfer durch Anschauen der Tasche nicht klären konnte, ob die Drohung des Täters zutrifft (wer macht in einer solchen Situation denn schon die Tasche auf!), bekam die Tasche eine eigenständige Bedeutung und ähnelte damit der Scheinwaffe. § 250 I Nr. 1b StGB wurde bejaht.
Weitere Ausführungen dazu finden Sie im GuKO SR III sowie die verschiendenen ExO`S. Einen Auszug aus unserem Skript zur "Eigentumsdelikte" finden Sie im Footer der JURACADEMY unter dem Thema "Eigentumsdelikte" oder direkt hier: http://www.juracademy.de/web/skript.php?id=37141