- Änderungen bei der Nebenklage
Gem. § 397a StPO ist dem Nebenkläger in den dort genannten Fällen auf Antrag ein Beistand zu bestellen. Die Kosten trägt zunächst die Staatskasse. Sofern der Angeklagte verurteilt wird, versucht der Staat, die Kosten bei diesem einzutreiben. Im Falle eines Freispruches verbleiben die Kosten beim Staat (lesen Sie dazu die §§ 464ff StPO).
Gem. § 397b StPO gibt es nunmehr eine gemeinschaftliche Nebenklagevertretung: „Verfolgen mehrere Nebenkläger gleichgelagerte Interessen, so kann ihnen das Gericht einen gemeinschaftlichen Rechtsanwalt als Beistand bestellen oder beiordnen“. Diese Bündelung soll zum einen die wirksame Vertretung der Opferinteressen sicherstellen („Waffengleichheit“ zwischen dem Angeklagten und den Nebenklägern = faires Verfahren), zum anderen sollen dadurch Verfahrensverzögerungen vermieden werden (Beschleunigungsgrundsatz). Vor allem aber hat es vor dem Hintergrund, dass der Staat das Kostenrisiko trägt, auch fiskalische Gründe.
Mit § 397a I Nr. 1a StPO wird die Beiordnung eines Opferanwalts nun auf sämtliche Vergewaltigungsfälle erweitert.
- Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit
Da Befangenheitsanträge häufig der Verzögerung und Störung des Verfahrens dienen und in den meisten Fällen unbegründet sind, ist in § 29 StPO nunmehr ein grundsätzlich 2-wöchiges Verfahren ab Antragstellung vorgesehen, innerhalb dessen über den Antrag entschieden werden muss. Der abgelehnte Richter kann im Wesentlichen während dieses Zeitraums weiter an der Hauptverhandlung mitwirken.
Eine in diesem Verfahren ergehende Entscheidung kann gem. § 28 StPO angefochten werden.
Befangenheitsanträge, die schon aufgrund der Mitteilung über die Besetzung gestellt werden können, müssen nunmehr mit der Besetzungsrüge gestellt werden. Damit kommen wir zu den Neuerungen bei § 222b StPO.
- Besetzungseinwand
Findet erstinstanzlich die Hauptverhandlung vor dem LG oder dem OLG statt, so ist gem. § 222a StPO den Verfahrensbeteiligten spätestens zu Beginn der Hauptverhandlung die Besetzung des Gerichts unter Hervorhebung des Vorsitzenden und hinzugezogener Ergänzungsrichter und Ergänzungsschöffen mitzuteilen.
Gem. § 222b StPO muss nunmehr der Einwand, das Gericht sei nicht vorschriftswidrig besetzt, innerhalb einer Woche nach Zustellung der Besetzungsmitteilung oder, soweit eine Zustellung nicht erfolgt ist, ihrer Bekanntmachung in der Hauptverhandlung geltend gemacht werden. Gem. § 222b I 3 StPO müssen alle Beanstandungen gleichzeitig vorgebracht werden, auch der oben genannte Befangenheitseinwand.
Über diesen Einwand entscheidet zunächst das Ausgangsgericht. Hält es den Einwand für nicht begründet, so ist er spätestens vor Ablauf von drei Tagen dem Rechtsmittelgericht vorzulegen, welches das OLG ist, sofern das Ausgangsgericht das LG war und dementsprechend der BGH beim OLG als Ausgangsgericht.
Die Entscheidung ist abschließend und kann mit der Revision nicht mehr angegriffen werden. Sofern die Frist zur Einlegung versäumt wird, ist das Rügerecht präkludiert und kann auch mit der Revision nicht mehr geltend gemacht werden.
Als letztes Rechtsmittel bliebe die Urteilsverfassungsbeschwerde. Sofern die Rüge begründet und die Zurückweisung damit unbegründet war, ist das Prinzip des gesetzlichen Richters verletzt (Art. 101 I 2 GG).
Im Falle der unverschuldeten Säumnis könnte man an eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 44 StPO denken. Es handelt sich bei der in § 222b StPO genannten Frist aber um eine absolute Ausschlussfrist, so dass eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht kommt.
- Änderungen beim Beweisantragsrecht
Ein Beweisantrag kann im Gegensatz zu einem Beweisermittlungsantrag nur unter den strengen Voraussetzungen des § 244 III und IV, 245 II StPO abgelehnt werden.
Was ein Beweisantrag ist, legt nun § 244 III 1 StPO fest: „Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll.“
Damit wurde die vom BGH (NStZ 2006, 585) verlangte „Konnexität“ (mit dem angegebenen Beweismittel muss die behauptete Tatsache unmittelbar bewiesen werden können) in die Legaldefinition des Beweisantrags aufgenommen.
Die Ablehnungsgründe sind nun in § 244 III nummerisch aufgezählt. Herausgenommen aus dieser Aufzählung wurde die Verschleppungsabsicht. Diese findet sich nun in Abs. 6. Das Besondere an dieser neuen Regelung ist, dass die Ablehnung aus den in Abs. 3 genannten Gründen durch Beschluss erfolgen muss. Ein solcher Beschluss muss jedoch nicht ergehen, wenn Verschleppungsabsicht angenommen wird. Es genügt hier eine Entscheidung durch den Vorsitzenden (§ 238 I StPO), deren Maßstab die allgemeine Aufklärungspflicht nach § 244 II StPO ist. Die Begründungspflicht ist jedoch bei einem Beschluss größer, weswegen auch die Überprüfung in der Revision einfacher und umfangreicher ist.
- Höchstdauer der Unterbrechung
Zu unterscheiden ist im Strafverfahren die Aussetzung von der Unterbrechung. Bei der Aussetzung beginnt das Verfahren von Neuem, bei der Unterbrechung wird nach einer gewissen Zeit weiterverhandelt. Die Höchstdauer einer Unterbrechung regelt § 229 StPO.
Diese Norm wurde in Abs. 3 um eine Hemmung des Laufs der Unterbrechungsfristen ergänzt. Demnach ist die Frist gehemmt bei Krankheit des Angeklagten oder eine der zur Urteilsfindung berufenen Person oder aus Gründen des Mutterschutzes oder Elternzeit einer der zur Urteilsfindung berufenen Person.
Aufgrund der Corona Pandemie wurde zudem kürzlich in § 10 EGStPO eine weitere Hemmung des Laufs der Unterbrechungsfrist aus Gründen des Infektionsschutzes geregelt.
- Erweiterung des § 81e StPO
In § 81e StPO wird in Abs. 1 geregelt, dass im Wege der molekulargenetischen Untersuchung das DNA-Identifizierungsmuster, die Abstammung und das Geschlecht der Person festgestellt werden darf.
Der neue Abs. 2 erweitert diese Feststellungen nun: „Ist unbekannt, von welcher Person das Spurenmaterial stammt, dürfen zusätzlich Feststellungen über die Augen-, Haar- und Hautfarbe sowie das Alter der Person getroffen werden“
- Der Einbruchdiebstahl als Katalogtat
In § 100a II Nr. 1 lit. j StPO (Überwachen der Telekommunikation) wurde der Wohnungseinbruchdiebstahl gem. § 244 IV StGB mit aufgenommen.
- Gesichtsverhüllung vor Gericht
In § 176 II GVG wurde folgendes neu geregelt: „An der Verhandlung beteiligte Personen dürfen ihr Gesicht während der Sitzung weder ganz noch teilweise verhüllen. 2Der Vorsitzende kann Ausnahmen gestatten, wenn und soweit die Kenntlichmachung des Gesichts weder zur Identitätsfeststellung noch zur Beweiswürdigung notwendig ist.“
Eine Ausnahmeregelung dazu enthält § 68 III StPO.