Zu beachten ist, dass das unmittelbare Ansetzen zunächst auf Basis der Vorstellung des Täters ermittelt wird (=subjektives Element). Hiervon ausgehend wird nun bei objektiver Betrachtung bestimmt, ob der Täter mit seiner Handlung / seinem Unterlassen unmittelbar angesetzt hat (=objektives Element). Es stellt sich also die Frage „Was wäre wenn?“ Was wäre, wenn das Geschehen sich so weiterentwickelt hätte, wie der Täter es sich vorgestellt hat?
Beispiel
Der Täter verhängt einen an einer äußeren Hauswand angebrachten Zigarettenautomaten mit einer Plane, legt auf dem Boden einen Trennschleifer ab und sucht alsdann nach einer Steckdose in einem sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindlichen Schuppen, die er allerdings nicht fand. (BGH NJW 2020, 2570) Um zu ermitteln, welche Straftat der Täter versucht haben könnte, prüfen Sie nun zunächst den Tatentschluss (= die Vorstellung des Täters). Hier ist er auf einen Diebstahl an den Zigaretten und dem Geld gerichtet, mithin also an einer Verwirklichung des § 242 StGB. Ob die ausgeführten Handlungen nun das unmittelbare Ansetzen darstellen, muss ebenfalls anhand der Vorstellungen des Täters ermittelt werden. Danach hätte er zunächst noch eine Steckdose finden müssen. In Anbetracht des Umstands, dass sich der Automat nicht im Inneren eines Gebäudes, sondern außen befand, ein gewichtiger Umstand, da sich Steckdosen in der Regel nicht außen an Häuserwänden finden lassen. Der Täter ging aber davon aus, dass er eine solche Steckdose in dem offenen Schuppen finden würde.
Nach der herrschenden Formel wird das unmittelbare Ansetzen von der straflosen Vorbereitung wie folgt abgegrenzt:
Der Täter muss subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht`s los“ überschreiten und basierend auf seinem Tatplan Handlungen vornehmen / oder gebotene Handlungen Unterlassen die – objektiv betrachtet – bei ungestörtem Fortgang ohne wesentlichen Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung führen oder mit ihr in einem unmittelbaren räumlich-zeitlichen Zusammenhang stehen (Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT, 51. Auflage Rn. 947) Für den BGH ist darüber hinaus ein wesentliches Kriterium das „aus der Sicht des Täters erreichte Maß konkreter Gefährdung des geschützten Rechtsguts“ (BGH NJW 2020, 2570).
Expertentipp
In einer Klausur kombinieren Sie beide Ansätze: ist das Rechtsgut aus Sicht des Täters bereits konkret gefährdet, dann sind die ggfs. noch erforderlichen Zwischenschritte wahrscheinlich nicht mehr wesentlich.
Sofern der Täter die tatbestandliche Handlung ausführt oder beim Unterlasen die gebotene Handlung unterlässt, kann ein unmittelbares Ansetzen ohne größere Begründung bejaht werden. Bei vorbereitenden Handlungen liegt ein unmittelbares Ansetzen in der Regel aber auch schon dann vor, wenn
- der Täter die Waffe zieht,
- der Täter an der Haustüre klingelt in der Erwartung, dass das Opfer die Türe öffnen wird und er sofort beginnen kann
- der Täter dem Opfer auflauert oder ihm eine Falle stellt in der Erwartung, es werde sicher erscheinen; sofern diese Gewissheit nicht vorliegt, jedenfalls dann, wenn das Opfer in den Wirkungskreis der Gefährdung tritt.
Bei (erfolgs-) qualifizierten Delikten ist allein das unmittelbare Ansetzen zum Grunddelikt maßgeblich (BGH NStZ 2017, 86). Es ist denkbar aber nicht zwingend, dass die Verwirklichung der Qualifikation bereits das unmittelbare Ansetzen begründet.
Beispiel
So stellt das Einstecken einer Schusswaffe (§ 244 I Nr. 1a StGB) noch kein unmittelbares Ansetzen zum qualifizierten Diebstahl dar. Anders hingegen das Einsteigen durch ein geöffnetes Fenster (§ 244 IV StGB), um dann im Inneren des Wohnhauses alles Stehlenswerte mitzunehmen.
Im „Zigarettenautomaten-Fall (s.o.) würde sich in der Klausur das besondere Problem des „Versuchs beim Regelbeispiel“ stellen. Hier ist streitig, ob die Indizwirkung des Regelbeispiels schon durch den auf dessen Verwirklichung gerichteten Tatentschluss und das entsprechende Ansetzen dazu ausgelöst werden kann. Nähere Ausführungen zu diesem „Klassiker-Problem“ finden Sie im Kurs Strafrecht BT II in der JURACADEMY!