Das tatbestandsausschließende Einverständnis und seine Voraussetzungen
Ist der Rechtsgutsinhaber mit der Verletzung des geschützten Rechtsguts rechtswirksam einverstanden, dann kann sich der Täter nicht aus der infrage kommenden Norm strafbar machen. Die Strafbarkeit kann über ein tatbestandsausschließendes Einverständnis oder aber eine rechtfertigende Einwilligung entfallen.
Fraglich ist, ob der Wille des Opfers schon auf der Ebene des Tatbestands zu berücksichtigen ist oder aber erst bei der Rechtswidrigkeit. Grundsätzlich gilt folgendes:
- Dient die jeweilige Norm vor allem dem Schutz der Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung, dann ist der Wille des betroffenen Rechtsgutsinhabers bereits als tatbestandsausschließendes Einverständnis relevant, da eine tatbestandliche Verletzung des geschützten Willens dann nicht in Betracht kommt, wenn der Wille nicht vorhanden ist. Zu nennen sind hier vor allem folgende Normen: §§ 123, 239, 239a und b, 240 StGB.
- Dient die Norm dem Schutz anderer Rechtsgüter, dann ist der Verzicht auf einen Schutz dieser Rechtsgüter auf der Ebene der Rechtswidrigkeit als rechtfertigende Einwilligung relevant, so z.B. vor allem bei §§ 223 ff und § 303 Abs. 1.
- Eine Besonderheit gilt für den Diebstahl, § 242: hier ist auf Tatbestandsebene der Wille des Gewahrsamsinhabers Erfolgt der Gewahrsamsübergang mit seinem Willen, dann ist der Tatbestand nicht verwirklicht. Erfolgt er hingegen gegen den Willen des Gewahrsamsinhabers aber mit dem Willen des Eigentümers, der den Gewahrsam nicht innehat, dann ist zwar der Tatbestand verwirklicht, es liegt aber eine rechtfertigende Einwilligung vor (sofern nicht schon die Rechtswidrigkeit der Zueignung verneint wird).
Fraglich ist, welche Anforderungen an den tatbestandsausschließenden Willen zu stellen sind. Grundsätzlich reicht der natürliche Wille aus, d.h. auch ein 9jähriges Kind kann tatbestandsauschließend dem Täter die Wohnungstüre öffnen und ihn einlassen. Es gilt, dass dieser Wille ausdrücklich oder konkludent erklärt werden und tatsächlich vorliegen muss. Eine Täuschung ist in der Regel irrelevant. Lässt also der Mieter den angeblichen Handwerker in seine Wohnung, dann liegt kein Hausfriedensbruch vor, auch wenn er alsdann bestohlen wird. Gibt der Gewahrsams Inhaber den Gewahrsam täuschungsbedingt preis, dann liegt kein Diebstahl vor, es kommt aber Betrug in Betracht. Bei § 239 ist es streitig, inwieweit sich eine Täuschung auswirkt. Lesen Sie dazu die Entscheidungsbesprechung bei BGH & Co: https://www.juracademy.de/rechtsprechung/article/239-stgb-einverstaendnis.