Der Streit um den Rundfunkbeitrag hat in Sachsen-Anhalt zu einer veritablen Regierungskrise geführt. Die CDU-Fraktion im Landtag wollte sich gegen die geplante Beitragserhöhung um 0,86 € stellen, anders als die Partner in der „Kenia-Koalition“. Auch die AfD im Magdeburger Parlament war gegen die Beitragserhöhung. SPD und Grüne drohten mit dem Bruch der Koalition, sollte die sächsisch-anhaltinische CDU-Fraktion mit der AfD gemeinsam stimmen. Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) deutete in einem Interview die Möglichkeit einer CDU – Minderheitsregierung an. Ministerpräsident Reiner Haseloff entließ seinen Parteikollegen daraufhin, Stahlknecht trat auch als Parteichef zurück..
Wenige Stunden vor der Abstimmung zog Haseloff dann die Gesetzesvorlage der Regierung zum neuen Rundfunkstaatsvertrag zurück - der Landtag wird nun nicht über die geplante Erhöhung des Rundfunkbeitrags abstimmen. Die Folge: Der ganze Staatsvertrag wird nicht ratifiziert, die Beitragserhöhung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk von 17,50 Euro auf 18,36 Euro am 1. Januar ist bundesweit blockiert.
Der Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (kurz Rundfunkstaatsvertrag oder RStV) ist ein Staatsvertrag zur bundeseinheitlichen Regelung des Rundfunkrechts zwischen allen 16 deutschen Ländern. Er wurde zuletzt mit Wirkung zum 1. Mai 2019 angepasst. Wichtige Punkte der letzten Novelle waren die Neuregelung des seit 2009 geltenden Telemedienauftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks - die Online-Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender sollen ihren Schwerpunkt auf Bewegtbild und Ton setzen, um sich von den Angeboten der Presseverlage stärker zu unterscheiden. Dafür erhalten ARD, ZDF & Co. mehr Spielraum bei Online-Abrufen, etwa was die Dauer der Zurverfügungstellung angeht. Neben dem eigentlichen Rundfunkstaatsvertrag umfasst das Rundfunkrecht unter anderem die ARD- und ZDF- Staatsverträge, sowie den Deutschlandradio-Staatsvertrag, den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag und den Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag.
Der Rundfunkstaatsvertrag ist schon seit Langem umstritten, insbesondere die für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk anfallenden Gebühren rufen immer wieder Kritik hervor. Dem Grundgedanken nach geht es um die Finanzierung von unparteilichen, sachlichen und inhaltlich ausgewogenen, vielfältigen Programmen. Dies ist Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Diese finanzieren sich – neben Werbung und anderen gewerblichen Tätigkeiten – hauptsächlich aus eben jenem Rundfunkbeitrag. Durch den „Staatsvertrag zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland“ sollte der bisherige Rundfunkstaatsvertrag durch einen Medienstaatsvertrag ersetzt werden. Nach Unterzeichnung des Staatsvertrages durch die Regierungschefs der Länder fehlte noch die Zustimmung der Landesparlamente (Ratifikation). Diese muss bis Ende des Jahres 2020 erfolgen, was nun nicht mehr möglich scheint. Haseloff hatte den Staatsvertrag im Juni unterschrieben, jedoch mit dem Zusatz, dass es hierfür keine parlamentarische Mehrheit in Sachsen-Anhalt gebe.
Die Medienanstalten sollen unabhängig vom Staat sein, sie werden hierzu im Wesentlichen durch den Rundfunkbeitrag finanziert. Über Jahrzehnte hinweg wurde pro existierendem Radio oder Fernseher abgerechnet, dies lag in den Händen der Gebühreneinzugszentrale (GEZ). Im Jahr 2013 änderte sich dann das Kriterium, seitdem muss nun grundsätzlich jeder Wohnungseigentümer oder -mieter einen Rundfunkbeitrag an die öffentlich-rechtlichen Anstalten zahlen. Das BVerfG musste sich mit den Änderungen auseinandersetzen (BVerfG, Urt. v. 18.07.2018, Az. 1 BvR 1675/16, 1 BvR 745/17, 1 BvR 836/17, 1 BvR 981/17). Es befand (so wie vorher schon das BVerwG, Urt. v. 18.03. 2016, Az. 6 C 6.15 u. a.) es handele sich nicht um eine verkappte Steuer. Der Beitrag flöße a) nicht in den allgemeinen Haushalt, sondern sei zweckgebunden. Zudem stünde b) mit der Möglichkeit des Rundfunkempfangs ein konkreter Vorteil dem Beitragszahler zu Verfügung. Dieser Vorteil läge auch dann vor, wenn man gar keine Geräte hat oder haben wolle. Für nicht korrekt hielten die Karlsruher Richter aber die pauschale Heranziehung von Zweitwohnungen: der (potentielle) Vorteil sei mit der Zahlung des Beitrags komplett abgegolten. Eine weitere Beitragsheranziehung für eine Zweitwohnung stelle daher eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung dar. Dem Gesetzgeber war daher aufgegeben, hier bis Juni 2020 nachzubessern.
Auch der EuGH musste sich mit dieser Änderung bei der Finanzierung befassen und erklärte ihn für rechtmäßig (Rechtssache C-492/17). Der Beitrag stelle keine rechtswidrige staatliche Beihilfe dar, befand Generalanwalt Campos Sánchez-Bordona in seinem Gutachten. Auch sei nicht zu beanstanden, dass die Rundfunkanstalten eigenständig säumige Zahlungen eintreiben und dafür nicht ordentliche Gerichte anrufen müssten. Der EuGH folgte dem am 13.12. 2018.
Sehr schnell gingen beim BVerfG drei Verfassungsbeschwerden ein um die Erhöhung zu erstreiten - die Anstalten waren offenbar gut vorbereitet. ARD, ZDF und Deutschlandradio stellten auch Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz. Diese wies der 1. Senat am 22. Dezember 2020 - 1 BvR 2756/20 – zurück. Die Richter legten dar, es sei nicht ausreichend begründet, inwieweit den Beschwerdeführern vor der endgültigen Entscheidung über den Beitrag schwere Nachteile entstehen könnten, die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei gesichert.