Nehmen wir an, A gerät in eine allgemeine Polizeikontrolle und möchte aus welchen Gründen auch immer nicht kontrolliert werden, so z.B. weil er etwas getrunken und Angst um seinen Führerschein hat oder aber weil er schon längst keinen Führerschein mehr hat, aber gleichwohl fährt. Er übersieht also bewusst das Haltesignal der Polizei und gibt Gas. Die ihm folgenden Polizeibeamten möchte er abhängen, weswegen er innerorts die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreitet (130 km/h statt der erlaubten 50 km/h) und zudem über rote Ampeln fährt.
Natürlich hat A in diesem Fall die ein oder andere Ordnungswidrigkeit begangen, sich evtl. auch strafbar gemacht gem. § 315c I Nr.2 Ziff. a bis g StGB oder – sofern er keine Fahrerlaubnis hat – gem. § 21 I Nr. 1 StVG. Was aber ist mit § 315d I StGB?
Man könnte zunächst an § 315d I Nr. 2 StGB denken. Das würde aber voraussetzen, dass mindestens 2 Teilnehmer einen Wettbewerb austragen, bei dem es darum geht, durch Erzielung einer höchstmöglichen Geschwindigkeit einen Sieger zu ermitteln. Hier geht es aber darum, dass die verfolgende Polizei eine Maßnahme entweder nach dem POR oder der StPO durchführen und nicht als Sieger aus einem Rennen hervorgehen möchte. Die Nr. 2 scheidet damit aus.
Kommen wir damit zur Nr. 3. Im objektiven Tatbestand ist zu prüfen, ob A „sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt“ hat, was beim Überfahren roter Ampeln und dem Überschreiten der zulässigen Geschwindigkeit um mehr als das Doppelte unproblematisch bejaht werden kann.
Darüber hinaus muss er das aber mit der Absicht getan haben, „die höchstmögliche Geschwindigkeit zu erzielen“.
Dabei ist schon fraglich, auf welche höchstmögliche Geschwindigkeit abzustellen ist: die des Fahrzeugs oder in jene in der jeweiligen Situation, sog. „situationsabhängiges Geschwindigkeitsmaximum“ (so LG Berlin, NZV 2019, 315). Um Fahrer PS starker Fahrzeuge nicht zu privilegieren und unter Berücksichtigung des Strafzwecks (abstrakter Schutz der Allgemeinheit vor den Gefahren eines illegalen Rennens), sollte es um die „situationsabhängige Geschwindigkeit“ gehen.
Zu beachten ist nun aber, dass der Täter nur die Absicht haben muss, diese Geschwindigkeit zu erreichen. Nicht erforderlich ist, dass er sie tatsächlich auch erreicht, wobei das objektive Erreichen derselben natürlich ein Indiz für die Absicht ist.
Unter Absicht ist dabei nach wohl derzeit überwiegender Auffassung dolus directus 1. Grades zu verstehen. Muss diese Absicht aber nun das alleinige Motiv sein, oder werden auch Täter erfasst, die vorrangig ein anderes Ziel haben („Flucht vor der Polizei“) und dabei nur als „Neben“ – Absicht bzw. Zwischenziel das Erreichen einer Höchstgeschwindigkeit anstreben?
Dies wird, wie könnte es anders sein, unterschiedlich beurteilt. In der Literatur wird ausgeführt, dass „mit Blick auf die gesetzgeberische Intention, das nachstellen eines Rennens zu erfassen (o. 8), … es nicht (genügt), dass das schnellstmögliche Fahren lediglich ein notwendiges Zwischenziel zur Erreichung eines sonstigen Endziels ist … Vielmehr muss der Wille, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, der Hauptbeweggrund sein …; hieran fehlt es im Fall der Polizeiflucht …“ (Schönke/Schröder-Hecker § 315d Rn 9 mwN)
Die Rechtsprechung scheint das bislang anders zu beurteilen. So muss sowohl nach Auffassung des LG Berlin (NZV 2019, 315) als auch des OLG Stuttgart (FD-StrafR 2019, 419268) die Absicht nicht der Haupt- oder Alleinbeweggrund sein. Die Absicht habe der Gesetzgeber eingefügt, um das illegale Rennen von einer bloßen Ordnungswidrigkeit abzugrenzen. Die Absicht soll also den „Renncharakter“ der Fahrt charakterisieren. Dem Renncharakter zu eigen wiederum seien die spezifischen Gefahren für die Sicherheit der am Straßenverkehr Teilnehmenden, die auch bei einer Polizeiflucht vorlägen. Die Gefährdungslage sei damit mit jener des eigentlichen „Rennens gegen sich selbst“ vergleichbar, bei welchen die Fahrer eine Rennsituation nachstellten.
Sofern es also A darauf ankäme, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, um der Polizei zu entkommen, hätte er sich nach dieser Auffassung gem. § 315d I Nr. 3 strafbar gemacht.