Im Juli hatte es noch grünes Licht gegeben: auf einem Gipfel hatten sich die 27 Staaten auf den Plan für 2021-2027 geeinigt. 1,1 Billionen Euro umfasste dieser, dazu ein 750 Milliarden Aufbaufonds mit Hilfen für durch die Corona-Pandemie gebeutelten Wirtschaften. Enthalten war auch eine Klausel, nach der Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit mit dem Entzug von EU-Geldern geahndet werden konnte. Die Mitgliedsländer Polen und Ungarn votierten Ende Oktober im Rat gegen den Haushalt – da dieser einstimmig verabschiedet werden muss wurde das bisher größte Finanzpaket der EU damit vorläufig gestoppt.
Die Budapester und Warschauer Regierung wollten damit eine Koppelung der Auszahlung von Finanzmitteln mit Vorgaben zum Rechtsstaat verhindern, die sie als „nicht hinnehmbar“ bezeichneten. Beide Staaten stehen häufig wegen des Umgangs mit Minderheiten, Umstrukturierung der Justiz und umstrittenen Gesetzesvorhaben in der Kritik. Die Blockade hat auch schwere Nachteile für beide Länder: Polen stünden ca. 23 Milliarden aus dem Corona-Fonds zu, Ungarn etwa sechs. Der gesamte Haushaltsplan sieht gut 125 Milliarden für Polen vor; knapp fünf Prozent des ungarischen Staatshaushalts wird mit EU-Mitteln bestritten.
Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft legte einen Vermittlungsvorschlag vor: Demnach wird in einer Zusatzerklärung festgehalten, welche Möglichkeiten Ungarn und Polen haben, sich gegen die Anwendung des Verfahrens zu wehren. Wichtigste davon ist eine Überprüfung der Kriterien durch den EuGH. Dies würde eine erste Anwendung des Verfahrens stark verzögern, vermutlich um mehr als ein Jahr. Auch wird klar festgeschrieben, dass die Feststellung eines Rechtsstaatsverstoßes allein nicht ausreicht, um EU-Finanzhilfen zu kürzen. Es muss zudem belegt werde, dass der Verstoß negative Auswirkungen auf die Verwendung von EU-Geld hat. Korruption kann also zum Entzug von Mitteln führen; das Vorgehen gegen die LGBTQ-Bewegung für sich genommen nicht. Im Falle des Falles muss sich auch ein Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs mit dem Problem befassen.
Das Europaparlament billigte diesen Kompromissvorschlag am 16.12. Eine breite Mehrheit der Abgeordneten stimmte für die vorher mit den Mitgliedstaaten getroffene Einigung, die zunächst vorläufig gilt. Der EU stehen somit für 2021 166,1 Milliarden Euro zur Verfügung.