Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte das Sondervermögen und die Einhaltung des sogenannten Zwei-Prozent-Ziels bei Verteidigungsausgaben am 27. Februar als Reaktion auf den russischen Einmarsch in die Ukraine angekündigt. Für die notwendige 2/3 Mehrheit zur Änderung des GG nach Art. 79 II GG brauchte es aber auch Stimmen der Opposition. Nach wochenlangem Ringen räumten Koalition und Union ihre Differenzen über viele Milliarden für die Bundeswehr aus.
Für die Änderung stimmten in namentlicher Abstimmung 567 Abgeordnete; es gab 96 Gegenstimmen und 20 Enthaltungen. Schon im Vorfeld hatten auch mehrere Koalitionsabgeordnete angekündigt, sie würden gegen das Sondervermögen stimmen. Ablehnung kam zudem vor allem von der Linksfraktion und der AfD.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), in dessen Ministerium die Verhandlungen geführt worden waren, betonte den doppelten Charakter der Maßnahme: „Erstens stärken wir die Bundeswehr in einem einmaligen finanziellen Kraftakt. Zweitens stellen wir solide Staatsfinanzen sicher, indem die Schuldenbremse des Grundgesetzes erhalten bleibt.“ Denn: durch die Verankerung des Sondervermögens im GG werde der „besondere Ausnahmecharakter“ betont. Das sei zur Bekämpfung der Inflation wichtig.
Auch Maßnahmen zur Cybersicherheit, für den Zivilschutz sowie zur Stabilisierung von Partnerländern sollen künftig ergriffen werden - aber nicht aus dem Sondervermögen finanziert. Die Union hatte darauf gepocht, dass das Sondervermögen lediglich für die Bundeswehr verwendet wird. Vor allem die Grünen forderten mit dem Geld auch Cyberabwehr sowie Unterstützung für Partnerstaaten zu finanzieren. Außenministerin Baerbock (Grüne) hat die Einigung auf Grundzüge des geplanten 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens für die Bundeswehr begrüßt. Es sei "ein guter Kompromiss, wo wir dafür sorgen, dass sich die Nato auf uns verlassen kann", sagte sie im Deutschlandfunk. Zugleich habe man „die große Herausforderung von Cyberabwehr, die wir ebenfalls massiv angehen müssen“, gesetzlich verankert.
Doch es gibt auch Kritik: „800 Milliarden Euro werden jedes Jahr für Militär und Rüstung durch Nato-Staaten ausgegeben. Ich meine, das zeigt doch, dass wir keine Unterfinanzierung insgesamt innerhalb der Nato haben, sondern dass die einzelnen Streitkräfte nicht gut zusammenwirken“, sagte etwa der SPD-Politiker Mützenich. Auch die Linkspartei ist grundsätzlich gegen die Pläne. Zudem wurde bemängelt, dass über diese Änderung die – ebenfalls im GG verankerte aber seit Jahren ausgesetzte – Schuldenbremse „umgangen“ werde. Andererseits wurde auch in Frage gestellt, ob eine GG-Änderung überhaupt notwendig sei.
Der Bundesrat hat it der notwendigen Zweidrittel-Mehrheit heute (10.06.2022) zugestimmt. Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Thüringen enthielten sich. Jetzt können bald Rüstungsgüter im großen Stil bestellt werden. Daraufhin soll die Liste mit den genauen Bestellvorhaben für Panzer, Flugzeuge, Schiffe und andere Bundeswehrausrüstungen öffentlich werden, die Teil des Gesetzgebungsverfahrens sei. Nach Bundesverteidigungsministerin Lambrecht (SPD) Nachtsichtgeräte, Funkgeräten, schwere Transporthubschraubern. Allein an Munition gebe es für die Verpflichtungen in der Nato Bedarf im Volumen von 20 Milliarden Euro. Auch ein entsprechender Wirtschaftsplan mit den konkreten Beschaffungsvorhaben wurde beschlossen. „Seine Realisierung wird von einem beratenden Gremium des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages begleitet. Nachdem das Sondervermögen in Anspruch genommen wurde, werden weiter die erforderlichen Mittel zur Erreichung der dann gültigen Nato-Fähigkeitsziele bereitgestellt.“ Nach der Inanspruchnahme beginne auch die Tilgung „innerhalb eines angemessenen Zeitraums“.