Ende August hatten etwa 300 bis 400 Demonstranten Absperrgitter am Reichstagsgebäude überrannt und sich mit schwarz-weiß-roten Reichsflaggen vor dem verglasten Besuchereingang aufgebaut. Kurzzeitig waren dort nur drei Polizisten vor Ort bis Verstärkung eintraf und die Protestler schließlich auch mit Hilfe von Pfefferspray zurückdrängen konnte. Der Vorfall wurde parteiübergreifend verurteilt, der Bundespräsident lobte die Polizisten auf einer Feierstunde. Schon vorher waren Mängel im Sicherheitskonzept aufgefallen: Im Juli hatten Umweltschützer Flugblätter in die Westlobby des Parlaments werfen können; bei einer anderen Aktion gelang es Aktivisten auf das Dach des Reichstagsgebäudes zu klettern und dort ein großes Transparent anzubringen. Nun wird teils vehement besserer Schutz für den Bundestag gefordert.
Der Ältestenrat des Bundestags hat sich nach den Vorkommnissen zunächst gegen ein absolutes Demonstrationsverbot vor dem Reichstag ausgesprochen. Das zuständige Gremium forderte einen ausführlichen Bericht der Berliner Sicherheitsbehörden und des Bundesamtes für Verfassungsschutz an. Auch wurde beschlossen, dass sich der Innenausschuss des Bundestags und das für die Geheimdienste zuständige Parlamentarische Kontrollgremium mit dem Vorfall befassen sollen.
Die Regelungen zum Schutz der Verfassungsorgane finden sich im Gesetz über befriedete Bezirke für Verfassungsorgane des Bundes (BefBezG). Um den Bundestag im Reichstagsgebäude – wie auch um den Bundesrat in der Leipziger Straße oder das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe – besteht ein „befriedeter Bezirk“, § 1 BefBezG und Anlage hierzu. Der Bereich wird umgangssprachlich und fälschlich oft als „Bannmeile“ bezeichnet. Das BefBezG schützt vor allem die Ungestörtheit von Tagungen der Verfassungsorgane. „Verbannt“ sind Versammlungen keineswegs, jedoch gemäß § 2 BefBezG dem Wortlaut nach verboten, das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, Art. 8 GG, wird eingeschränkt. Versammlungen können aber zugelassen werden gemäß § 3 Abs. 1 BefBezG: nach Absatz 2 Satz 2 durch das Bundesministerium des Inneren im Einvernehmen mit dem Präsidium des jeweiligen Verfassungsorgans. Die Zulassung muss erteilt werden, wenn keine Beeinträchtigung der Tätigkeit der Verfassungsorgane droht, also solange unmittelbare Gefahren für den Bundestag oder andere Verfassungsorgane nach der üblichen gefahrenabwehrrechtlichen Prognose nicht bestehen. Hiervon ist mindestens an sitzungsfreien Tagen auszugehen. Natürlich kommt eine Zulassung auch an anderen Tagen in Betracht.
Es gibt also kein wirkliches Verbot von Versammlungen, stattdessen besteht eine Kontrollerlaubnis, hauptsächlich eine Verfahrensregelung – die Verfassungsorgane werden beteiligt und die Entscheidung obliegt nicht allein der sonst im Umfeld zuständigen Landespolizei (für das Reichstagsgebäude ist schon laut Grundgesetz eine eigene Bundestagspolizei verantwortlich). Ein weitergehendes Verbot liefe wohl auch den versammlungsrechtlichen Vorgaben der „Brokdorf-Entscheidung“ des BVerfG vom 14. Mai 1984, BVerfGE 69, 315-372, entgegen. Ein Antrag soll eine Woche vorher schriftlich gestellt werden, § 3 Absatz 2. Wer gegen ein dennoch ausgesprochenes Verbot verstößt begeht eine Ordnungswidrigkeit, § 4 BefBezG.
Die erste Bannmeile gab es schon 1848, beschlossen von der Frankfurter Nationalversammlung. In der Weimarer Republik wurde die Regelung zunächst abgeschafft, aber schon 1920 wurde ein „befriedeter Bannkreis“ geschaffen, in dem keine Versammlungen stattfinden durften. Zu Zeiten der „Bonner Republik“ galt ab 1955 ein Bannmeilengesetz, das in einem Gebiet von fünf km2 - in Teilen auch auf dem gegenüberliegenden Rheinufer - die Versammlungsfreiheit stark beschränkte. Zuwiderhandlungen konnten als Straftat geahndet werden, es drohten bis zu zwei Jahre Gefängnis. Die Versammlungen fanden daher meist im Hofgarten der Universität in der Innenstadt statt. Mit der „Berliner Republik“ sollte sich das ändern. Das „Bannmeilengesetz“ wurde im August 1999 zum BefBezG vom 11. August 1999, welches am 11. Dezember 2008 seine derzeitig gültige Fassung erhielt. Die Praxis der Zulassung von Demonstrationen im Bonner Regierungsbezirk war außerordentlich restriktiv gewesen, insbesondere in den 70er und 80er Jahren. Nicht zuletzt angestoßen durch die friedlichen Revolutionen ab 1989 und die Wiedervereinigung wollte man dies ändern, offener und transparenter werden.