„Bei Begehung der Tat“ heißt gem. § 8 StGB: „Eine Tat ist zu der Zeit begangen, zu welcher der Täter oder der Teilnehmer gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen. Wann der Erfolg eintritt, ist nicht maßgebend.“
Es kommt also auf die konkrete, zur Vollendung des Tatbestandes führende Tathandlung bzw. – sofern es um ein (un-) echtes Unterlassungsdelikt geht – auf das konkrete Unterlassen an.
Expertentipp
U.a. aus diesem Grund ist es wichtig, dass Sie im Obersatz exakt dieses tatsächliche Handeln oder Unterlassen des Täters, der Täterin benennen. Eine bloße Wiedergabe der tatbestandlichen Voraussetzungen im Obersatz ist falsch. Der Obersatz lautet also nicht: „Er könnte sich gem. § 242 I StGB strafbar gemacht haben, indem er eine fremde bewegliche Sache wegnahm“ sondern „Sie könnte sich gem. § 242 I StGB strafbar gemacht haben, indem sie das Handy ihres Bruders B in ihre Hosentasche steckte.“ Dieses Handeln muss den objektiven Tatbestand erfüllen, bei diesem Handeln müsste die Täterin Vorsatz gehabt haben, dieses Handeln könnte gerechtfertigt gewesen sein und bei diesem Handeln muss die Täterin schuldfähig gewesen sein.
Bei einem Vorsatzwechsel ist darauf zu achten, wann welcher Vorsatz vorgelegen hat. Hatte der Täter / die Täterin zunächst Vorsatz, gab diesen dann aber wenig später auf, liegt ein unbeachtlicher dolus antecedens vor. Umgekehrt spricht man von einem dolus subsequens, also einem „nachfolgenden“ Vorsatz.
Fesseln und Knebeln die Täter zwei 84jährige Opfer nachts in deren Schlafzimmer, um die Safekombination zu erfahren und lassen sie diese dort liegen, nunmehr davon ausgehend, dass diese hilflose Lage zum Tode führen könnte, der tatsächlich nicht eintritt, da die Opfer gefunden werden, dann kommt kein versuchter Mord durch aktives Tun in Betracht, da die Täter den Tötungsvorsatz nachträglich gefasst haben, wohl aber ein versuchter Mord durch das nachfolgende Unterlassen (dazu BGH JuS 2020, 696).
Zu beachten ist, dass der Vorsatz irgendwann zwischen Eintritt der Tat ins Versuchsstadium und Vollendung vorliegen muss.
Vergiftet also z.B. die Täterin einen von mehreren Schokoriegeln, die im Schreibtisch ihres Arbeitskollegen liegen und zu denen er in der Mittagspause zuverlässig greift, dann hat sie damit die Tat in das Versuchsstadium gebracht. Hat sie nun am nachfolgenden Tag vergessen, dass sie diese Handlung vorgenommen hat, hat sie sich gleichwohl gem. §§ 223, 224 I Nr. 1 und 3 StGB strafbar gemacht, wenn der Kollege am nächsten Tag den Schokoriegel isst und schwere Bauchkrämpfe bekommt.
Fesselt und knebelt der Täter sein Opfer, legt es dann in den Kofferraum, um es an einen abgelegenen Ort zu verbringen, wo das Opfer erst noch etwas tun soll und erst anschließend aufgehängt werden soll, dann liegt keine vollendete Tötung vor, wenn das Opfer infolge des Knebelns bereits im Kofferraum stirbt. Hier hat der Täter zwar Tötungsvorsatz. Er hat aber mit dem Verbringen in den Kofferraum noch nicht unmittelbar zu der von ihm vorgestellten, späteren Tötung (Tod durch Erhängen) angesetzt. Es fehlt also an der Koinzidenz. In Betracht kommt aber § 227 StGB. (BGH NJW 2002, 1057)