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Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit stellt den Kernbereich dar, auf den die polizeiliche Gefahrenabwehr bezogen ist. Es gibt allerdings keinen einheitlichen Begriff dessen, was unter öffentlicher Sicherheit zu verstehen ist. Vielmehr ist der Begriff der öffentlichen Sicherheit dreigeteilt.
Definition
Danach sind unter dem Schutzgut der öffentlichen Sicherheit zu verstehen
• die Unversehrtheit der gesamten geschriebenen Rechtsordnung,
• der Schutz der Rechtsgüter des Einzelnen (Individualrechtsgüter des Bürgers als subjektive Rechte),
• der Schutz des Staates und seiner Einrichtungen.
Für die Prüfung ist von Bedeutung, dass der Schutz der Unversehrtheit der gesamten Rechtsordnung bereits einen (bzw. „den“) Teil des Schutzgutes der öffentlichen Sicherheit umfasst. Denn die allermeisten Rechte des Einzelnen (so z.B. hinsichtlich der Grundrechte) sind bereits positiviert, d.h. in geschriebenes Recht umgesetzt. Gleiches gilt für den Staat und seine Einrichtungen, von dem das Allermeiste sich auch in organisationsrechtlichen Regelungen des Verfassungs- und des einfachen Rechts bereits wiederfindet. Daraus folgt aber auch die wichtige Erkenntnis, dass in der Klausur festzustellen ist, ob ein Verstoß gegen irgendeine Norm droht. Dann ist bereits die Unversehrtheit der gesamten geschriebenen Rechtsordnung (bzw. eines Teiles davon) und damit einer (der maßgeblichen) Unterausprägung des Schutzgutes der öffentlichen Sicherheit einschlägig.
Beispiel
Hebamme H wird zur Geburtsbegleitung eines Kindes in die städtische Kinderklinik gerufen. Der auf dem Parkplatz ihrer Hebammenpraxis geparkte PKW des P verunmöglicht ihr das Ausfahren. Hier kann die Polizei eingreifen, da eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu beseitigen ist, die sich unter dem Aspekt der Unversehrtheit der gesamten geschriebenen Rechtsordnung ergibt. Das Zuparken durch den P stellt nämlich einen Verstoß gegen § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO dar.
Die öffentliche Sicherheit dient also als Schutzgut vor allem dazu, dass bei etwaigen Gefährdungslagen die Polizei zu ihrem Schutze tätig werden darf. Die meisten subjektiven Rechte Einzelner sind – wie dargestellt – ebenfalls normiert und damit Teil des geschriebenen Rechts (so insbesondere die Grundrechte). Entscheidend ist, dass unter den Begriff der Rechtsgüter des Einzelnen regelmäßig nur solche Individualrechtsgüter des Bürgers fallen, die sich als subjektiv-öffentliche Rechte darstellen. Der Schutz und die Durchsetzung subjektiver privater Rechte ist im Regelfall den ordentlichen Gerichten und deren Vollstreckungsorganen übertragen (vgl. § 13 GVG). Daher ist auch auf der Grundlage eines möglichen Einschreitens der Polizei auf der Grundlage der polizeirechtlichen Generalklausel stets § 2 Abs. 2 PolG zu beachten, die Polizei muss also Grenzen bei dem Schutz von Rechtsgütern Einzelner einhalten.
Der Schutz des Staates und seiner Einrichtungen unterfällt als eigenständiges Schutzgut dem Begriff der öffentlichen Sicherheit nur dann (und geht nicht ebenso wie die Rechte Einzelner bereits in der „Unversehrtheit der Rechtsordnung“ auf), wenn es keine ausdrückliche geschriebene Grundlage gibt. Zu staatlichen Einrichtungen zählen vor allem öffentliche Einrichtungen wie Theater, Museen, Bibliotheken oder Bahnhöfe. Allerdings werden auch „Veranstaltungen“ des Staates umfasst, die nicht räumlich begrenzt oder dauerhafter Natur sind.
Beispiel
Staatsbesuche oder öffentliche Gelöbnisse der Bundeswehr.
Veranstaltungen des Staates sind aber auch solche der Verfassungsorgane oder der Polizeibehörden selbst.
Beispiel
Die Fälle sog. „Radarwarnungen“ werden ganz überwiegend als Störung der öffentlichen Sicherheit unter dem Aspekt des Schutzes des Staates und seiner Einrichtungen gewertet. Postiert sich also eine Person mit einem Warnschild in unmittelbarer Nähe zu einer Radarkontrolle, um die anderen Verkehrsteilnehmer zu warnen, handelt es sich um die Behinderung einer staatlichen Veranstaltung, nämlich einer solchen der Polizei, die im Rahmen ihrer Aufgaben und Befugnisse tätig wird. (Geschwindigkeitsmessung).Zu den Radarwarnungen etwa OVG Münster NJW 1997, 1596.
Expertentipp
Schauen Sie in der Klausur zunächst, ob es mit Blick auf das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit im geschriebenen Recht eine Vorschrift gibt, deren Verletzung droht. Dann unterfällt dies bereits dem Schutz der Unversehrtheit der Rechtsordnung als Auffangtatbestand. Eine Prüfung, ob die Rechte Einzelner oder des Staates und seiner Einrichtungen in Rede stehen, erübrigt sich dann.