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Soweit sich aus Spezialgesetz keine Ermächtigungsgrundlage ermitteln lässt, kommen vor einem Rückgriff auf die Generalklausel nach §§ 1 Abs. 1, 3 PolG zunächst die sog. Standardmaßnahmen als Rechtsgrundlage polizeilichen Einschreitens in Betracht. Sie sind in den §§ 27 ff. PolG geregelt. Gegenüber der Generalklausel gilt wiederum der Grundsatz „lex specialis derogat legi generali“ (Spezialitätsgrundsatz), d.h. die jeweils in Betracht kommende Standardmaßnahme ist gegenüber §§ 1 Abs. 1, 3 PolG eine Spezialermächtigung.
Expertentipp
In Polizeirechtsklausuren liegt es häufig so, dass es am Ende auf die Einschlägigkeit der polizeirechtlichen Generalklausel hinausläuft und diese dann nach dem oben dargestellten Prüfungsschema abzuhandeln ist. Daher werden nachfolgend nur die wichtigsten – d.h. klausurrelevantesten – Standardmaßnahmen dargestellt. Dies sind die Identitätsfeststellung, der Platzverweis/das Aufenthaltsverbot und die Sicherstellung. Für alle übrigen Standardmaßnahmen gilt, dass sich die Prüfung zumeist aus dem Gesetz ableiten lässt. Gerade die Essentialia zum Gefahrbegriff entsprechen überdies dem, was Ihnen bereits von der Generalklausel bekannt ist. Die Generalklausel als häufigste Ermächtigungsgrundlage in Polizeirechtsklausuren wird hier lediglich wegen des Spezialitätsgrundsatzes erst weiter unten behandelt. Bei der Prüfungshäufigkeit liegt es – wie gesagt – freilich genau umgekehrt.
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Standardmaßnahmen ermächtigen die Polizei zur Abwehr bestimmter Gefahren durch bestimmte Handlungsbefugnisse.Kingreen/Poscher Polizei- und Ordnungsrecht, § 12 Rn. 1. Die Generalklausel hingegen ermächtigt zur Abwehr aller konkreten Gefahren dazu, die zur Beseitigung dieser Gefahr notwendigen Maßnahmen zu treffen. Die Spezialermächtigungen, die zur Abwehr bestimmter – zu typisierender – Gefahren dienen und das Ergreifen von Standardmaßnahmen ermöglichen, dienen vor allem den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Normenklarheit und Bestimmtheit.Zeitler/Trurnit Polizeirecht für Baden-Württemberg, Rn. 301. Es soll vermieden werden, dass die Polizei auf der Grundlage einer weit gefassten Generalklausel zu jedwedem Eingriff in die Freiheitsgrundrechte des Bürgers ermächtigt ist.Zeitler/Trurnit Polizeirecht für Baden-Württemberg, Rn. 301. Man unterscheidet zwischen aktionellen (zur Abwehr einer Gefahr ermächtigenden) und informationellen (der Datenerhebung und -erfassung dienenden) Spezialbefugnissen.Kingreen/Poscher Polizei- und Ordnungsrecht, § 12 Rn. 6. Während die aktionellen Standardbefugnisse in den §§ 27 ff. PolG geregelt sind, finden sich die informationellen Befugnisse der Polizei in den §§ 42 ff. PolG. Hier geht es mit Blick auf die Polizeirechtsklausur – wenn überhaupt – nur um die aktionellen Standardmaßnahmen.
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Die wichtigsten aktionellen Standardmaßnahmen sind nach den §§ 27 ff. PolG:
• Identitätsfeststellung (§ 27 PolG), ggf. ergänzt durch Mitnahme zur Wache (§§ 27 Abs. 2, 33 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 PolG),
• Platzverweis und Aufenthaltsverbot (§ 30 Abs. 1, Abs. 2 PolG),
• Prüfung von Berechtigungsscheinen (bspw. Führerschein, Jagdschein o.ä., § 27 Abs. 3 PolG),
• Erkennungsdienstliche Maßnahmen (bspw. Fingerabdrücke, Lichtbilder, § 41 PolG, soweit nicht § 81b Alt. 2 StPO ohnehin vorrangig, h.M. Nach h.M. stellt § 81b Alt. 2 StPO auch eine spezialgesetzliche Befugnis zur Gefahrenabwehr dar, die neben § 41 Abs. 1 PolG als Eingriffsnorm besteht und für dessen Anwendung kaum Raum belässt, vgl. Zeitler/Trurnit Polizeirecht für Baden-Württemberg, Rn. 424. ,
• Vorladung (§ 28 PolG),
• Ingewahrsamnahme (§ 33 PolG, möglich sowohl zum Schutz der öffentlichen Sicherheit als auch zum Selbstschutz von Personen; allerdings Erfordernis einer unverzüglichen gerichtlichen Entscheidung nach § 33 Abs. 3, Abs. 4 PolG; Achtung: Der sog. Verbringungsgewahrsam, d.h. das Verbringen einer Person zur Abwehr einer Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung an einen anderen Ort, fällt nicht unter § 33 PolG, sondern ist von der polizeilichen Generalklausel nach §§ 1 Abs. 1, 3 PolG gedeckt!),
• Durchsuchung von Personen und Sachen (§§ 34, 35 PolG),
• Betreten und Durchsuchen von Wohnungen (§ 36 PolG, außer bei Gefahr im Verzug nur auf richterliche Anordnung gemäß § 36 Abs. 5 PolG), Zum Betreten und Durchsuchen von Privatwohnungen bei Verdacht auf Verstoß gegen sog. Corona-Verordnung instruktiv Roggenkamp, PSP 2021, S. 1 ff.
• Sicherstellung (§ 37 PolG),
• Beschlagnahme und Einziehung (§§ 38, 39 PolG),
• Vernehmung (§ 40 PolG).
• Identitätsfeststellung (§ 27 PolG), ggf. ergänzt durch Mitnahme zur Wache (§§ 27 Abs. 2, 33 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 PolG),
• Platzverweis und Aufenthaltsverbot (§ 30 Abs. 1, Abs. 2 PolG),
• Prüfung von Berechtigungsscheinen (bspw. Führerschein, Jagdschein o.ä., § 27 Abs. 3 PolG),
• Erkennungsdienstliche Maßnahmen (bspw. Fingerabdrücke, Lichtbilder, § 41 PolG, soweit nicht § 81b Alt. 2 StPO ohnehin vorrangig, h.M. Nach h.M. stellt § 81b Alt. 2 StPO auch eine spezialgesetzliche Befugnis zur Gefahrenabwehr dar, die neben § 41 Abs. 1 PolG als Eingriffsnorm besteht und für dessen Anwendung kaum Raum belässt, vgl. Zeitler/Trurnit Polizeirecht für Baden-Württemberg, Rn. 424. ,
• Vorladung (§ 28 PolG),
• Ingewahrsamnahme (§ 33 PolG, möglich sowohl zum Schutz der öffentlichen Sicherheit als auch zum Selbstschutz von Personen; allerdings Erfordernis einer unverzüglichen gerichtlichen Entscheidung nach § 33 Abs. 3, Abs. 4 PolG; Achtung: Der sog. Verbringungsgewahrsam, d.h. das Verbringen einer Person zur Abwehr einer Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung an einen anderen Ort, fällt nicht unter § 33 PolG, sondern ist von der polizeilichen Generalklausel nach §§ 1 Abs. 1, 3 PolG gedeckt!),
• Durchsuchung von Personen und Sachen (§§ 34, 35 PolG),
• Betreten und Durchsuchen von Wohnungen (§ 36 PolG, außer bei Gefahr im Verzug nur auf richterliche Anordnung gemäß § 36 Abs. 5 PolG), Zum Betreten und Durchsuchen von Privatwohnungen bei Verdacht auf Verstoß gegen sog. Corona-Verordnung instruktiv Roggenkamp, PSP 2021, S. 1 ff.
• Sicherstellung (§ 37 PolG),
• Beschlagnahme und Einziehung (§§ 38, 39 PolG),
• Vernehmung (§ 40 PolG).
Expertentipp
Lesen Sie einmal in Ruhe die aufgeführten Spezialermächtigungen zu den Standardmaßnahmen im PolG durch. Sie werden feststellen, dass insbesondere die tatbestandlichen Voraussetzungen der jeweiligen Ermächtigungsgrundlage genauestens geregelt sind und sich daher – sofern es denn in der Klausur tatsächlich einmal auf die Prüfung einzelner Standardmaßnahmen hinauslaufen sollte – entsprechende Fälle bereits aus dem Gesetz lösen lassen. Im Folgenden werden die besonders wichtigen – da klausurrelevanten – Standardmaßnahmen (Identitätsfeststellung, Platzverweis/Aufenthaltsverbot und Sicherstellung) näher erläutert. Erwähnt sei noch, dass die sog. Meldeauflage in Baden-Württemberg nicht zu den Standardmaßnahmen zählt, sondern auf die Generalklausel nach §§ 1 Abs. 1, 3 PolG gestützt wird.Grundlegend BVerwGE 129, 142; VGH Mannheim, NJW 2000, 3658 (3660); instruktiv Schneider, ZJS 2008, S. 281 (286).