Inhaltsverzeichnis
I. Überblick
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Zu den wesentlichen Akteuren in der Gemeinde gehören in erster Linie die bei den Kommunalwahlen unmittelbar gewählten Organe (vgl. Rn. 116). Sie sind unmittelbar demokratisch legitimiert und müssen daher auch entsprechend hervorgehobene Kompetenzen haben. Es handelt sich hierbei primär um den Rat und den Bürgermeister.
Konsequenterweise normiert denn auch § 40 Abs. 2 S. 1 GO:
Die Bürgerschaft wird durch den Rat und den Bürgermeister vertreten.
Man spricht insoweit von einem Zwei-Säulen-Modell in der nordrhein-westfälischen GemeindeverfassungVgl. VG Aachen Urteil vom 28.6.2001 – 4 K 1787/00 –, NVwZ-RR 2002, 214., d.h. dass der Gesetzgeber neben dem Rat mit dem direkt gewählten Bürgermeister eine zweite gleichwertige Säule demokratisch legitimierter Repräsentanz der Bürgerschaft errichtet hat.
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Auch unmittelbar demokratisch legitimiert ist in kreisfreien Städten die Bezirksvertretung. Zur Herstellung größerer Bürgernähe ist das Gebiet der kreisfreien Städte in Bezirke unterteilt (§ 35 Abs. 1 GO). Die Bezirksvertretungen vertreten die in den jeweiligen Stadtbezirken wohnhaften Bürger. Sie sind deshalb nur für solche Angelegenheiten zuständig, deren Bedeutung nicht wesentlich über den Stadtbezirk hinausgeht (§ 37 Abs. 1 S. 1 GO).
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Sowohl der Bürgermeister als Vorsitzender des Rates wie auch die einzelnen Ratsmitglieder haben bestimmte Rechte und Pflichten, die auch ihr internes Zusammenspiel bestimmen können.
Beispiel
Der Bürgermeister hat die Sitzungen zu leiten und die Ordnung in den Sitzungen zu handhaben (§ 51 Abs. 1 GO).
Die Ratsmitglieder haben das Recht auf ungestörte Ausübung ihres Mandates (§ 43 Abs. 1 GO).
Aus ihrer Mandatsausübungsfreiheit kann ein Störungsbeseitigungsanspruch folgen, wenn der Bürgermeister erhebliche Störungen in einer Ratssitzung nicht abstellt (z.B. Plakate werden in der Sitzung hochgehalten).
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Innerhalb des Rates und der Bezirksvertretungen können sich die Ratsmitglieder bzw. Mitglieder der Bezirksvertretung zu Fraktionen und Gruppen zusammenschließen. Es handelt sich um jeweils freiwillige Vereinigungen, die auf der Grundlage grundsätzlich politischer Übereinstimmung zu möglichst gleichgerichtetem Wirken gebildet werden (§ 56 Abs. 1 S. 1 GO und § 56 Abs. 1 S. 3 GO). Neben den Fraktionen und Gruppen gibt es Ratsmitglieder, die keiner Fraktion oder Gruppe angehören („Einzelmandatsträger“).
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Weitere Untergliederungen des Rates sind die Ausschüsse. Diese werden nach den Vorschriften der Gemeindeordnung gebildet und zusammengesetzt und bereiten die Beschlüsse des Rates vor. Teilweise können Ausschüsse kraft gesetzlicher Anordnung bzw. kraft Übertragungsbeschluss des Rates Entscheidungskompetenzen haben.
Beispiel
Der Wahlausschuss teilt das Wahlgebiet in Wahlbezirke ein (§ 4 Abs. 1 KWahlG NRW).
Der Rat überträgt einem Ausschuss die Entscheidung über eine bestimmte Angelegenheit, die nicht in die ausschließliche Zuständigkeit des Rates fällt (§ 41 Abs. 2 S. 1 GO).
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Der Bürgermeister hat innerhalb der Gemeinde eine Doppelstellung. Zum einen ist er Mitglied und Vorsitzender des Rates (§ 40 Abs. 2 S. 2 und S. 4 GO) und zum anderen Chef der Verwaltung (§§ 62 ff. GO). Als Vorsitzender des Rates leitet er die Sitzungen und vertritt den Rat nach außen. Da er auch Mitglied kraft Gesetzes ist, hat der Bürgermeister – außer in den Fällen des § 40 Abs. 2 S. 6 GO – im Rat Stimmrecht. Als Chef der Verwaltung ist er insbesondere Dienstvorgesetzter des Verwaltungspersonals, leitet und verteilt die Geschäfte und ist gesetzlicher Vertreter der Gemeinde.
Der Bürgermeister wird bei der Leitung der Sitzungen und bei der politischen Repräsentation vertreten durch die ehrenamtlichen Stellvertreter nach § 67 GO. Im Übrigen wird er von seinem (hauptamtlichen) Vertreter im Amt („allgemeiner Vertreter“) nach § 68 GO vertreten.
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Zum hervorgehobenen Verwaltungspersonal – als kommunale Wahlbeamte auf Zeit – gehören die Beigeordneten, die vom Rat für die Dauer von acht Jahren gewählt werden (§ 71 GO). Der Rat bestellt einen Beigeordneten zum allgemeinen Vertreter des Bürgermeisters nach § 68 Abs. 1 S. 1 GO (Vertreter im Amt).
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Die gemeindlichen Organe und Organteile unterliegen bei der Ausübung ihrer Kompetenzen untereinander dem Grundsatz der Organtreue. Die Pflicht zur Organtreue wurzelt in dem verfassungsrechtlichen Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme sowie in dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben.OVG NRW Urteil vom 12.5.2021 – 15 A 2079/19 –, juris, Rn. 56. Sie kann aber weder zu einem Verstoß noch zu einer Verdrängung von gesetzlich eingeräumten Kompetenzen führen.
Definition
Definition: Aus dem Grundsatz der Organtreue
Aus dem Grundsatz der Organtreue folgt die Unzulässigkeit rechtsmissbräuchlichen Handelns und die Pflicht zur Berücksichtigung der Auffassung des anderen Organs bei der eigenen Entscheidungsfindung. Umgekehrt sind Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Verfahrensgestaltung eines Gemeindeorgans von dem dadurch betroffenen Organ in der verfahrensrechtlich gebotenen Form rechtzeitig geltend zu machen.
Wird diese Obliegenheit verletzt, so ist die spätere Geltendmachung der Rechtsverletzung treuwidrig und deshalb unzulässig.OVG NRW Urteil vom 12.5.2021 – 15 A 2079/19 –, juris, Rn. 56 und Urteil vom 2.5.2006 – 15 A 817/04 –, EildStNRW 2007, 132, 135.
Das Erfordernis der rechtzeitigen Geltendmachung verfolgt den Zweck, dass der Rügeadressat innerhalb kurzer Frist Klarheit darüber haben muss, ob eine Maßnahme/Beschlussfassung als rechtswidrig betrachtet oder akzeptiert wird. Besteht im Vorfeld keine Gelegenheit zur Rüge, so ist diese zeitnah im Anschluss zu erheben, um noch die Möglichkeit der Selbstkorrektur einzuräumen. Erfolgt gar keine oder eine verspätete Rüge, so kann dieses Versäumnis auch in einem nachfolgenden Klageverfahren nicht geheilt werden; vielmehr wäre eine entsprechende Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des beanstandeten Verhaltens wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Organtreue bereits unzulässig.OVG NRW Urteil vom 12.5.2021 – 15 A 2079/19 –, juris, Rn. 58 ff.
Beispiel
Der Rat beschließt am 1. Juni eine neues System der Zuwendungen an die Ratsfraktionen nach § 56 Abs. 3 S. 1 GO gegen die Stimmen der Ratsmitglieder der A-Fraktion. Weder im Vorfeld noch im Zuge der Ratssitzung hatten die Ratsmitglieder der A-Fraktion bzw. die A-Fraktion geltend gemacht, dass sie den Zuwendungsbeschluss des Rates für rechtswidrig halten. Mitte Oktober erhebt die A-Fraktion vor dem Verwaltungsgericht eine Klage gegen den Rat mit dem Antrag festzustellen, dass der Ratsbeschluss vom 1. Juni rechtswidrig ist. In der Klagebegründung werden Gründe dafür dargelegt, dass der Ratsbeschluss nach Auffassung der A-Fraktion gegen den rechtsstaatlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße.
Die Feststellungsklage ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses der A-Fraktion bereits unzulässig. Die A-Fraktion hat dem Grundsatz der Organtreue nicht genügt, da sie den Ratsbeschluss vom 1. Juni nicht rechtzeitig gerügt hat. Sie hat weder im Vorfeld noch im Zuge der Ratssitzung gegenüber dem Rat geltend gemacht, dass sie den Beschluss für rechtswidrig hält, obwohl sie die Möglichkeit hierzu hatte. Auch dass die Ratsmitglieder der A-Fraktion in der Sitzung gegen den Beschlussentwurf gestimmt hat, kann nicht als rechtliche Rüge gewertet werden. Da dem Grundsatz der Organtreue das Erfordernis einer rechtzeitigen vorprozessualen Rüge wesensimmanent ist, ist das spätere Vorbringen in einem nachfolgenden Verwaltungsprozess hierfür unbeachtlich.OVG NRW Urteil vom 12.5.2021 – 15 A 2079/19 –, juris.
Eine Verletzung des Grundsatzes der Organtreue kann nicht nur zur Unzulässigkeit einer Klage führen, sondern auch nachteilige Folgen hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit von außergerichtlichen Kosten mit sich bringen.
Beispiel
Die Fraktion F ist mit einem bestimmten angekündigten Verhalten des Bürgermeisters ihr gegenüber nicht einverstanden. Anstatt dem Bürgermeister ihre Bedenken mitzuteilen und gegebenenfalls einen konkreten Antrag zu stellen, beauftragt sie selbstständig einen Rechtsanwalt mit der Prüfung und verlangt von der Gemeinde eine Kostenerstattung, nachdem dieser eine Rechnung für seine Beratung übersandt hat. Die Gemeinde verweigert dies.
Die gegen die Gemeinde gerichtete Leistungsklage ist unbegründet, da der Fraktion der Kostenerstattungsanspruch nicht zusteht. Eine Kostenerstattung in einer internen Auseinandersetzung zweier Gemeindeorgane bzw. Organteile ist beschränkt auf die dem Grunde und der Höhe nach notwendigen Kosten. Hiervon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein, da nach dem Grundsatz der Organtreue einem Funktionsträger in aller Regel zugemutet werden kann, die Entscheidung des zuständigen Gemeindeorgans.Nach OVG NRW Urteil vom 24.4.2009 – 15 A 981/06 –, NVwZ-RR 2009, 819.