Internationales Privatrecht

Internationales Zivilverfahrensrecht - Einführung und Überblick

A. Einführung und Überblick

I. Prüfungsrelevanz und Gegenstand des IZVR

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IPR ohne Internationales Zivilverfahrensrecht (IZVR) bleibt blutarm.

In diesem Sinne treffend Brödermann/Rosengarten Rn. 63: „[…] Deshalb erfordert die Beherrschung des Internationalen Privatrechts auch Grundkenntnisse des Internationalen Verfahrensrechts […]“. Daher sollen die folgenden Ausführungen einen Überblick Ein solcher findet sich aus jüngerer Zeit in Antomo/Burgscht JURA 2015, 1143 ff. zum IZVR mit Vertiefungshinweisen geben.

Das IZVR ist im Unterschied zum IPR kein Kollisions- sondern Verfahrensrecht, das das Zivilverfahren für Fälle mit Auslandsbezug regelt. Es unterscheidet sich vom Internationalen Zivilprozessrecht (IZPR) dadurch, dass es auch die Internationale Freiwillige Gerichtsbarkeit, das Internationale Insolvenzrecht und die Internationale Schiedsgerichtsbarkeit umfasst. Im Mittelpunkt des IZVR stehen zwei Themen: Die internationale Zuständigkeit (Rn. 231 ff.) und die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile im Inland (Rn. 287 ff.).

Hoffmann/Thorn § 3 Rn. 1–2. Daneben behandelt es weitere Aspekte, die mit dem Internationalen Zivilverfahren im Zusammenhang stehen, wie etwa die Zustellung und Beweisaufnahme im Ausland und die Stellung von ausländischen Beteiligten im Zivilverfahren.

Expertentipp

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Zwar bildet die Frage nach dem anwendbaren Recht zumeist den Schwerpunkt einer internationalprivatrechtlichen Klausur. Da der Richter aber stets vorweg prüft, ob er den Rechtsstreit überhaupt zu entscheiden hat („Wer will sich schon unnötig Arbeit aufhalsen?“), wird auch in Klausuren mitunter zunächst auf die Zulässigkeit eines Antrags bzw. einer Klage einzugehen sein. Hier kommt das IZVR ins Spiel. Im Vordergrund steht dann regelmäßig die Frage nach der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte. Nur wenn deutsche Gerichte international zuständig sind, kommt das oben erläuterte IPR überhaupt zur Anwendung.

Siehe dazu bereits Rn. 175; ausführlich zu diesem wichtigem Aspekt Schack § 8 Rn. 245 ff. Sind dagegen Gerichte eines anderen Staates international zuständig, so wenden diese ihr eigenes, nationales IPR an.Übersetzungen ausländischer IPR-Gesetze finden sich etwa in Riering IPR-Gesetze in Europa, 1997; ferner Kropholler/Krüger/Riering/Samtleben/Siehr Außereuropäische IPR-Gesetze, 1999.

Gängig in Klausuren ist folgende Fragenabfolge: 1. „Welche Gerichte haben über den Antrag zu entscheiden?“, 2. „Welches Recht ist anwendbar?“. Es ist also erst die internationale Zuständigkeit nach IZVR, dann das anzuwendende Recht nach IPR zu ermitteln.

Diese Schritte sind auch vorzunehmen, wenn nach Zulässigkeit und Begründetheit eines Antrags gefragt wird, wobei dann für die Begründetheit nach der IPR-Prüfung eine sachrechtliche Prüfung zu erfolgen hat. Auf Zulässigkeitsebene bedarf es bei dieser (selteneren) Aufgabenstellung neben der Prüfung der internationalen Zuständigkeit Ausführungen zu weiteren Prozessvoraussetzungen, wie etwa der Partei-, Prozess- und Postulationsfähigkeit ausländischer Verfahrensbeteiligter. Da diese Aspekte aber selten im Fokus internationalprivatrechtlicher Klausuren stehen, sei insoweit – insbesondere für Schwerpunktkandidaten – auf weiterführende Literatur

Rauscher § 13 Rn. 1628 ff.; Schack § 6 Rn. 154 ff., § 11 Rn. 579 ff., § 12 Rn. 594 ff. verwiesen.

II. Lex-fori-Prinzip

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Während das IPR von inländischen Gerichten oftmals verlangt, ausländisches materielles Recht anzuwenden, herrscht im IZVR der Grundsatz vor, dass inländische Gerichte immer das inländische Verfahrensrecht, d.h. die lex fori, anwenden („forum regit processum“).

Vgl. BGH NJW 1985, 552, 554: „Das für die Verfahrensfragen maßgeblich Recht (ist) die lex fori.“ Als Gründe dafür gelten:S. Hoffmann/Thorn § 3 Rn. 7–9; krit. Kropholler § 56 IV S. 595 f. sowie Schack § 2 Rn. 45–49.

Der öffentlich-rechtliche Charakter des Verfahrensrechts,

die Praktikabilität (das nationale Verfahrensrecht ist den Beteiligten vertraut[er]),

die Neutralität des Verfahrensrechts.

Beispiel

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Das LG Frankfurt ist für die Entscheidung über einen Zahlungsanspruch aus Werkvertrag international zuständig. Gemäß dem deutschen IPR richtet sich der Anspruch nach italienischem Sachrecht. Welchem Verfahrensrecht unterliegt der Prozess?

Unabhängig von dem anzuwendenden Recht gilt nach dem lex-fori-Grundsatz im IZVR immer das nationale Zivilverfahrensrecht. Die international zuständigen deutschen Gerichte wenden daher stets deutsches Zivilprozessrecht an.

Die Verjährung einer Forderung ist nach den Verjährungsgesetzen des US-Staates Tennessee eine prozessuale Frage, nach deutschem Recht ist das Institut der Verjährung hingegen dem materiellen Recht zugehörig (siehe hierzu den „Klassiker“ RGZ 7, 21, 22 – sog. „Tennessee-Wechsel“-Fall). Daher bestimmt ein deutsches Gericht die Verjährung nicht automatisch nach seinem eigenen (Prozess-)Recht, sondern ermittelt das auf die Verjährung anwendbare Recht nach international-privatrechtlichen Grundsätzen.

III. Rechtsquellen

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Wie das IPR wird auch das IZVR durch vorrangiges EU-Recht (1.), durch völkerrechtliche Staatsverträge (2.) sowie durch autonomes deutsches Recht (3.) geregelt.

1. Europäisches Recht

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Expertentipp

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Erinnern Sie sich, wofür die Abkürzungen EuBVO, EuTVO, etc. stehen (siehe Rn. 13)?

Auf europäischer Ebene wurde in den letzten Jahren eine Vielzahl von Verordnungen zum IZVR erlassen. Zu nennen sind etwa die EuZustellVO, die EuMVVO, die EuBVO, die EuBagatellVO und die EuTVO.

Dazu bereits Rn. 13. Praktisch besonders bedeutsam sind:

Die Ehesachen betreffende EuEheVO,

Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung vom 27.11.2003 [J/H Nr. 162; A/S Nr. A5]; dazu Rn. 274 ff. auch Brüssel IIa-VO genannt, sowie und v.a.

die mit Wirkung zum 10.1.2015 reformierte EuGVO,

Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 12.12.2012 [J/H Nr. 160b]; dazu Rn. 233 ff. die auch als Brüssel Ia-VO bezeichnet wird.

Hinweis

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Die ursprüngliche EuGVO

Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Zivil- und Handelssachen vom 22.12.2000 [J/H Nr. 160; A/S Nr. A3]. (im Folgenden „EuGVO a.F.“ genannt), die auch als Brüssel I-VO bezeichnet wird, trat am 1.3.2002 in Kraft (siehe Art. 76 EuGVO a.F.). Ihr Vorläufer ist das 1973 in Kraft getretene EuGVÜ,Brüsseler EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968. das am 1.3.2002 durch die EuGVO a.F. ersetzt wurde. Die EuGVO a.F. wurde durch die neue EuGVO am 10.1.2015 abgelöst (siehe Art. 80 Satz 1 EuGVO). Durch die reformierte EuGVO hat sich die Nummerierung zahlreicher Artikel gegenüber der EuGVO a.F. geändert. Die inhaltlichen Änderungen sind hingegen überschaubar; auf sie wird an der jeweiligen Stelle separat hingewiesen, soweit sie von Interesse sind.

Den folgenden Ausführungen zur EuGVO wird selbstverständlich die aktuelle Fassung der EuGVO zugrunde gelegt. Allerdings werden die Artikel aus der alten Fassung der EuGVO jeweils regelmäßig dazu angegeben, da auch die Rechtsprechung im Jahr 2018 noch ganz überwiegend mit den Vorschriften der EuGVO a.F. befasst ist, wobei die Aussagen der Rechtsprechung „gänzlich auf die Neufassung übertragen werden“

So R. Wagner NJW 2018, 1793, 1795. können, soweit die Bestimmungen gleichbedeutend sind. EuGH JZ 2015, 942, 943. Soweit die neue Nummerierung der Artikel von der bisherigen abweicht, wird zumeist – der besseren Lesbarkeit halber nicht ständig – in Klammern die Parallelvorschrift der EuGVO a.F. angegeben (z.B. Art. 27 EuGVO = Art. 25 EuGVO a.F.).Eine vollständige Synopse, die zugleich übersichtlich auf inhaltliche Änderungen hinweist, findet sich bei Schack § 3 Rn. 115. Wenn die Vorgängervorschrift inhaltlich nicht ganz identisch ist mit der neuen Vorschrift, wird das etwa wie folgt deutlich gemacht: Art. 24 EuGVO ≈ Art. 22 EuGVO a.F.

Sofern die jeweilige Vorschrift kein Vorbild in der EuGVO a.F. besitzt, wird darauf ausdrücklich hingewiesen.

2. Völkerrechtliche Staatsverträge

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Bedeutsam im völkerrechtlichen IZVR sind v.a das KSÜ (bis 1.1.2011: MSA), das neben Kollisionsrecht auch Verfahrensrecht enthält, und das Luganer Übereinkommen (LugÜ),

Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30.10.2007 [J/H Nr. 152; A/S Nr. B8]. das ein im Verhältnis zur Schweiz, Norwegen und Island geltendes ParallelabkommenDurch die Neufassung der EuGVO ist die Parallelität zum LugÜ derzeit partiell aufgehoben; es ist jedoch damit zu rechnen, dass in absehbarer Zeit eine Angleichung des LugÜ an die neue EuGVO nachfolgt, wodurch die Parallelität wiederhergestellt werden wird, vgl. Pohl IPRax 2013, 109, 114; Staudinger/Steinrötter JuS 2015, 1. zur EuGVO darstellt.Näher zu den in der Praxis bedeutsamsten Übereinkommen Rauscher Rn. 1630 ff.

3. Nationales Recht

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Die Quellen des IZVR im autonomen deutschen Recht sind quer über verschiedene Gesetze verteilt. Wichtig sind v.a. die ZPO (§§ 12 ff. zur Zuständigkeit, § 55 zur Prozessfähigkeit, § 328 und 722 f. zu Urteilsanerkennung und Vollstreckung) und das FamFG

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17.12.2008. (§§ 98 ff.).Näher hierzu Rauscher Rn. 1668 ff.

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