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Insolvenzrecht - f) Betriebsübergang (§ 613a BGB)

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Insolvenzrecht

f) Betriebsübergang (§ 613a BGB)

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Gelingt es dem Insolvenzverwalter, das Unternehmen des Schuldners an einen Investor zu verkaufen, gehen die bestehenden Arbeitsverhältnisse kraft Gesetzes zu unveränderten Bedingungen auf den Erwerber über (§ 613a Abs. 1 S. 1 BGB = Betriebsübergang). Zu den Voraussetzungen lehrbuchhaft ArbG Düsseldorf NZI 2021, 332 Rn. 30 ff. Auch im Fall der Insolvenz ist der Betriebsbegriff unionsrechtlich zu bestimmen. Vgl. BAG BeckRS 2020, 10022 Rn. 57 ff. (Air Berlin). Häufig ist der Erwerber nicht bereit, sämtliche Arbeitsverhältnisse (vor allem mit älteren Mitarbeitenden) zu übernehmen. Hier bietet das Arbeits- und Insolvenzrecht dem Erwerber Gestaltungsmöglichkeiten, den Übergang des (gesamten) Personals zu verhindern. So kann sich der Investor auf den Erwerb einzelner Betriebsteile beschränken, da nur die jeweils zugehörigen Arbeitsverhältnisse übergehen. Zudem besteht die Möglichkeit, bereits vor dem Betriebsübergang einen Personalabbau im Zusammenwirken mit dem Insolvenzverwalter durchzuführen, indem der Erwerber eine Namensliste vorlegt, welche Arbeitnehmer (nicht) benötigt werden. Dann kündigt der Verwalter entsprechend dem Vorschlag (sog. Veräußererkündigung aufgrund Erwerberkonzepts). BeckOK ArbR/Gussen BGB § 613a Rn. 116. Nach der Rechtsprechung des BAG liegt hierin kein Verstoß gegen § 613a Abs. 4 BGB, wenn die Kündigung auf einem Sanierungskonzept beruht und keine Beschäftigungsmöglichkeit beim Erwerber besteht. BAG NZA 2007, 387, 389; NJW 2003, 3506 f. Zudem hilft die Vermutungsregel des § 128 Abs. 2 InsO. Kommt es zwischen Insolvenzverwalter und Betriebsrat zu einem Interessenausgleich mit Namensliste (§ 125 Abs. 1 InsO), wird vermutet, dass die Kündigungen nicht anlässlich des Betriebsübergangs erfolgen. Das Kündigungsrecht der gelisteten Arbeitnehmer ist zudem beschränkt. So begründet die Namensliste eine gesetzliche Vermutung, dass ein betriebsbedingter Grund gegeben ist (§ 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO).

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Dem Erwerber werden weitere Erleichterungen geboten. Nach der Rechtsprechung des BAG muss der Erwerber nicht für rückständige Lohnansprüche vor Insolvenzeröffnung haften. Andernfalls ließe sich nur schwer ein Erwerber finden, der einen angemessenen Kaufpreis für das Unternehmen zahlt. Der Erwerber ist daher nur für die nach Eröffnung entstandenen Verbindlichkeiten verantwortlich. BAG NJW 2004, 1972, 1973; Foerste Insolvenzrecht Rn. 484. § 613a Abs. 1 S. 1 BGB wird insoweit teleologisch reduziert. Nach allgemeiner Ansicht findet die Haftungsnorm des § 25 Abs. 1 S. 1 HGB bei einem Verkauf des Handelsgeschäfts durch den Insolvenzverwalter keine Anwendung, so dass der Erwerber das Unternehmen unter der alten Firma insoweit risikolos weiterführen kann. BGH NZI 2020, 285 Rn. 9 f.; BAG NJW 2007, 942 f.; Oetker/Vossler HGB § 25 Rn. 21. Der Erwerber haftet auch nicht für alte Steuerschulden (§ 75 Abs. 2 AO).

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Trotzdem bleibt die Kündigung einer Vielzahl von Mitarbeitenden auch in der Insolvenz ein Vabanquespiel. Hat ein Betrieb 1000 Mitarbeitende und erheben 400 entlassene Mitarbeitende Kündigungsschutzklage, bedeutet das ein erhebliches Kostenrisiko für die Masse. Um Kündigungen zu vermeiden, werden häufig sog. Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften (BQG) eingesetzt. Foerste Insolvenzrecht Rn. 483; Hoffmann/Marquardt NZI 2017, 513, 514 f. Statt Kündigungen auszusprechen, bietet der Insolvenzverwalter den Arbeitnehmern Aufhebungsverträge an (§§ 311 Abs. 1, 623 BGB). Parallel dazu bietet die Transfergesellschaft neue (maximal auf ein Jahr befristete) Arbeitsverträge an. Das stellt keinen Betriebsübergang (§ 613a BGB) dar, da die BQG keine Betriebsmittel des Schuldners übernimmt. Kommt es zum (dreiseitigen) Vertragsschluss, muss der Insolvenzverwalter keine Kündigungsschutzklagen befürchten. Derartige Lösungen werden zumeist in einem Interessenausgleich oder in einem Sozialplan verhandelt (vgl. § 112 Abs. 1 S. 1 BetrVG).

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