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Definition
Gewissen
Gewissen ist ein real erfahrbares seelisches Phänomen, dessen Forderungen, Mahnungen und Warnungen für den Menschen unmittelbar evidente Gebote unbedingten Sollens darstellen.
Die Gewissensfreiheit schützt die Freiheit des Einzelnen, ernste sittliche Entscheidungen anhand der für ihn in einer bestimmten Lage als bindend und unbedingt verpflichtend erachteten Kategorien von „Gut“ und „Böse“ so vorzunehmen, dass er nicht in ernste Gewissensnöte gerät.
Vgl. BVerfGE 12, 45 – Kriegsdienstverweigerung.Beispiel
Das Land B führt durch Landesgesetz die integrierte Gesamtschule als Regelschule ein. Die Eltern des Schülers T lehnen es aus Gewissensgründen ab, T auf die Gesamtschule zu schicken. Liegt eine Gewissensentscheidung vor? – Diese Frage ist zu verneinen, denn die Frage, ob ein Kind zur Gesamtschule geht, ist keine an den Kategorien von „Gut“ oder „Böse“ orientierte Entscheidung der Eltern in Bezug auf ihr eigenes Verhalten. Bei der Weigerung der Eltern des T handelt es sich nur um die fehlende Bereitschaft, demokratische Mehrheitsentscheidungen zu akzeptieren. Dies stellt jedoch keine Gewissensentscheidung i.S.d. Art. 4 Abs. 1 GG dar.
Expertentipp
Gewissensentscheidungen müssen also an den Kategorien von „Gut“ und „Böse“ orientiert sein. In der Fallbearbeitung sollten Sie zudem darauf achten, dass der Betroffene die Entscheidung als unbedingt verpflichtend erachtet.