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I. Typenauswahl im Erbrecht
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Wenn der Erblasser sein lebzeitig erworbenes Vermögen abweichend von der gesetzlichen Erbfolge im Todesfalle jemandem zukommen lassen möchte, kann er dies durch die Errichtung einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen regeln. Die gewillkürte Erbfolge geht der gesetzlichen Erbfolge vor. Das Gesetz unterscheidet zwischen einseitigen und zweiseitigen letztwilligen Verfügungen. Einseitig ist die Errichtung eines Testaments (§ 1937), mehrseitig die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments (§§ 2265 ff.) und der Abschluss eines Erbvertrages (§ 1941).
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Eine letztwillige Verfügung ist immer dann anzunehmen, wenn der Erblasser erkennbar über sein Vermögen nach seinem Tod verfügen wollte (sog. Testierwille).
BGH Urt. v. 14.4.1976 (Az. IV ZR 61/74) = WM 1976, 744. Das setzt voraus, dass er eine inhaltlich zulässige Anordnung für den Fall seines Todes treffen wollte.Hinweis
Der Testierwille sollte in einer Klausur immer dann erörtert werden, wenn das Testament in einem Brief abgefasst worden ist oder wenn es um die Abgrenzung einer postmortalen Vollmacht zu einer letztwilligen Verfügung geht.
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Die Testierfreiheit ist die im Rahmen des Erbrechts eingeräumte Möglichkeit, in den Grenzen des Pflichtteilsrechts frei durch Verfügung von Todes wegen über das eigene Vermögen zu verfügen. Die Testierfreiheit ist ein Ausfluss der Privatautonomie und ist durch Art. 14 GG abgesichert.
BVerfG Beschl. v. 3.11.1981 (Az. 1 BvL 11/77, Az. 1 BvL 85/78, Az. 1 BvR 47/81) = BVerfGE 58, 377; BVerfG Beschl. v. 16.10.1984 (Az. 1 BvR 513/78) = BVerfGE 67, 329; BGH Beschl. v. 22.6.1995 (Az. 2 BvR 552/91) = BVerfGE 93, 165. Sie wird eingeschränkt durch den erbrechtlichen TypenzwangBGH Urt. v. 19.1.1954 (Az. V ZB 28/53) = BGHZ 12, 115 ff. durch den der Erblasser gezwungen ist, die im Erbrecht vorgeschriebenen Rechtsinstitute zur Verwirklichung seines letzten Willens einzuhalten. Die Testierfreiheit findet ihre Grenze im Pflichtteilsrecht des Pflichtteilberechtigten. Der Erblasser kann seine Testierfreiheit durch Abschluss eines Erbvertrags auch selbst beschränken.332
Wir werden uns im Folgenden die Verfügungsformen Testament, Erbvertrag und gemeinschaftliches Testament ansehen. Die ebenfalls im Erbrecht geregelte Schenkung von Todes wegen (§ 2301) wurde bereits an anderer Stelle behandelt
Siehe dazu im Skript „Schuldrecht BT I“ unter Rn. 460. und ist daher nicht Gegenstand dieses Skripts.