Inhaltsverzeichnis
- 6. Die AGB-Kontrolle
- a) Anwendung der AGB-Kontrolle auf Arbeitsverträge
- b) Allgemeine Geschäftsbedingung
- c) Wirksamer Einbezug der AGB in den Vertrag
- d) Verdrängung durch vorrangige Individualabrede?
- e) Keine überraschende Klausel im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB
- f) Auslegung
- g) Die Inhaltskontrolle am Maßstab der §§ 307 Abs. 1 und 2, 308 und 309 BGB
- h) Rechtsfolgen
6. Die AGB-Kontrolle
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In der Praxis werden Arbeitsverträge oftmals vom Arbeitgeber vorformuliert. Seit der Reform des Rechts über allgemeine Geschäftsbedingungen, bei der die Regelungen des AGBG in das BGB übernommen wurden, werden diese Vorschriften auch im Arbeitsrecht angewandt. Zuvor hatte das AGBG durch eine Bereichsausnahme das Arbeitsrecht außen vor gelassen.
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Derart vorformulierte Arbeitsverträge bzw. ihre Klauseln sind nur dann wirksam, wenn sie einer AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB standhalten.
Prüfungsschema
Wie prüft man: Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen
I. | Handelt es sich bei der Vertragsklausel um eine AGB i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB? |
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| Einmalige Verwendung genügt | Rn. 133 | |
II. | Wirksamer Einbezug |
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| Besonderheit des § 310 Abs. 4 S. 2 BGB | Rn. 135 | |
III. | Überraschende Klausel? |
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IV. | Verdrängung durch vorrangige Individualabrede § 305b BGB? |
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V. | Unklarheitenregelung, § 305c Abs. 2 BGB |
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VI. | Inhaltskontrolle |
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| 1. | AGB-Prüfung eröffnet? § 307 Abs. 3 BGB |
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| 2. | Prüfung der inhaltlichen Wirksamkeit der Klausel |
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| a) | Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit (§ 309 BGB) unter Berücksichtigung der „arbeitsrechtlichen Besonderheiten“ (§ 310 Abs. 4 S. 2 BGB) |
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| b) | Klauselverbot mit Wertungsmöglichkeit (§ 308 BGB) unter Berücksichtigung der „arbeitsrechtlichen Besonderheiten“ (§ 310 Abs. 4 S. 2 BGB) |
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| c) | Generalklausel § 307 BGB |
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VII. | Ergebnis: Klausel unwirksam? |
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a) Anwendung der AGB-Kontrolle auf Arbeitsverträge
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Die grundsätzliche Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB auf Arbeitsverträge ergibt sich aus § 310 Abs. 4 BGB. Der Anwendungsbereich erstreckt sich auf Einzelarbeitsverträge. Keine Anwendung finden die §§ 305 ff. BGB auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen (§ 310 Abs. 4 S. 1 BGB).
Hinweis
Zu differenzieren ist bei einer Bezugnahme auf einen Tarifvertrag. Handelt es sich um einen Gesamtverweis oder einen Verweis auf einen kompletten Regelungskomplex einer einschlägigen Branche, findet keine Inhaltskontrolle statt. Denn der Tarifvertrag ist das Verhandlungsergebnis zweier gleichstarker Partner, von einer Richtigkeitsgewähr aufgrund dieser Parität ist auszugehen. Bei einem Verweis nur auf einzelne Regelungen eines branchenfremden Tarifvertrags kann hingegen eine Angemessenheit der Regelung im Gesamtkomplex des Arbeitsvertrags nicht vermutet werden. Eine Inhaltskontrolle findet hier statt.
b) Allgemeine Geschäftsbedingung
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Die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB setzt voraus, dass es sich bei den zu überprüfenden Klauseln um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Gemäß § 305 Abs. 1 BGB sind allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die der Verwender der anderen Partei bei Vertragsschluss stellt.
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Aus dem allgemeinen Zivilrecht wissen Sie, dass vorformulierte Vertragsbedingungen dann als AGB gelten sollen, wenn ihre dreimalige Verwendung beabsichtigt ist. Im Arbeitsrecht besteht hier die Besonderheit, dass die einmalige Verwendung genügt gem. § 310 Abs. 3 Nr. 2, da der Arbeitnehmer als Verbraucher zu werten ist.
BAGE 115, 19-33.134
Bei denjenigen Bedingungen, die zwischen den Vertragsparteien „ausgehandelt“ wurden, handelt es sich hingegen nicht um AGB, § 305 Abs. 1 S. 3 BGB. Von einem Aushandeln kann aber nur dann gesprochen werden, wenn dem Arbeitnehmer tatsächlich Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen eingeräumt wurde und er die reale Möglichkeit hatte, die Vertragsbedingungen zu beeinflussen.
ErfK-Preis §§ 305-310 Rn. 24.c) Wirksamer Einbezug der AGB in den Vertrag
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Weitere Voraussetzung ist der wirksame Einbezug der AGB in den Vertrag. Nach § 310 Abs. 4 S. 2 BGB ist § 305 Abs. 2 BGB nicht anwendbar. Ob die Klausel Vertragsbestandteil geworden ist, ist daher allein nach den allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen, also nach §§ 145 ff. BGB. Eine Einigung dahin gehend kann auch konkludent erfolgen.
d) Verdrängung durch vorrangige Individualabrede?
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Weiter ist zu prüfen, ob vorrangige Individualabreden bestehen, die den AGB widersprechen.
Gem. § 305b BGB hat die individuelle Vereinbarung Vorrang, sodass die AGB-Klausel als abbedungen angesehen wird.
e) Keine überraschende Klausel im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB
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Klauseln, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden gem. § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil. Infolgedessen wird deren Inhalt im Rahmen der AGB-Kontrolle nicht weiter überprüft.
Definition
Definition: überraschende Klausel
Eine überraschende Klausel liegt vor, wenn sie an versteckter Stelle steht, sodass der Durchschnittsarbeitnehmer nicht mit ihrer Einordnung in den tatsächlichen Regelungskreis rechnen muss.
Beispiel
In den Regelungen zur Krankmeldung findet sich mitten im Fließtext und ohne besondere Hervorhebung eine Klausel zur Vertragsstrafe bei rechtswidriger Kündigung durch den Arbeitnehmer.
f) Auslegung
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Auf die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB wird dann zurückgegriffen, wenn die Klausel mindestens zwei Auslegungsmöglichkeiten eröffnet, die beide rechtlich vertretbar sind. Diese Zweifel bei der Auslegung der Klausel gehen zulasten des Verwenders, also des Arbeitgebers. Die für den Arbeitnehmer günstigere Auslegung findet Anwendung.
g) Die Inhaltskontrolle am Maßstab der §§ 307 Abs. 1 und 2, 308 und 309 BGB
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Zur Inhaltskontrolle gem. §§ 307 Abs. 1 und 2, 308 und 309 BGB kommt es nur für diejenigen allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden, § 307 Abs. 3 BGB. Klauseln, die nur das Gesetz zitieren oder in anderen Worten wiedergeben, unterfallen daher nicht der Inhaltskontrolle.
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Zu beachten ist, dass Abreden über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung aus Gründen der Vertragsfreiheit regelmäßig keiner Inhaltskontrolle unterliegen.
BAGReport 2004, 325-328.Beispiel
Die Höhe des Entgelts wird nicht nach den Maßstäben der §§ 305 ff. BGB überprüft.
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Zunächst werden die Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit gem. § 309 BGB geprüft.
Vgl. hierzu umfassend ErfK-Preis §§ 305-310 Rn. 51 ff.Beispiel
Vertragsstrafenabreden (§ 309 Ziff. 6 BGB); Regelungen zu Zurückbehaltungsrechten (§ 309 Ziff. 2 BGB)
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Sodann erfolgt die Prüfung der Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit gem. § 308 BGB.
Umfassend ErfK-Preis §§ 305-310 Rn. 51 ff.Beispiel
Versetzungsklauseln oder Widerrufsvorbehalte (§ 308 Ziff. 4 BGB).
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Falls hiernach die Klausel als wirksam zu erachten ist, muss ergänzend die Generalklausel des § 307 BGB herangezogen werden.
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Nach § 307 Abs. 1 BGB sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist, etwa aufgrund schwieriger grammatikalischer Satzkonstruktionen oder der Verwendung von Fremdwörtern oder Fachbegriffen. Auch inhaltliche Unbestimmtheiten sind hierunter zu subsumieren.
Nach § 307 Abs. 2 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel dann anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist, oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Eine solche gesetzliche Regelung im Sinne des § 307 Abs. 2 BGB stellen auch die von Rechtsprechung und Lehre aufgestellten ungeschriebenen Rechtssätze dar; keine gesetzlichen Regelungen sind hingegen spezielle Kollektivvereinbarungen.
Beispiel
Der Arbeitgeber behält sich vor, die Gegenleistung einzuschränken, z.B. bei jederzeitiger Widerruflichkeit der Leistungszulage.
BAG NZA 2007, 853-855.145
Bei allen Prüfungsschritten ist die Kontrollüberlegung anzustellen, ob eine Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen aufgrund der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten gerechtfertigt ist, § 310 Abs. 4 S. 2 BGB.
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Hier ist nicht erforderlich, dass die „im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten“ ausschließlich auf dem Gebiet des Arbeitsrechts anzutreffen sind, es reicht aus, dass ihnen dort im Vergleich zu anderen Rechtsgebieten besondere Bedeutung zukommt.
BAGE 110, 8-27. Unter diesen Besonderheiten versteht man beispielsweise• | den Fixschuldcharakter der Arbeitsleistung, |
• | die Höchstpersönlichkeit der Arbeitsleistung, |
• | die fehlende Vollstreckbarkeit (§ 888 Abs. 3 ZPO) des Anspruchs auf Arbeitsleistung, BAGE 110, 8-27. |
• | das besondere Bestreben nach einer schnellen Klärung und Bereinigung offener Streitpunkte. BAG NZA 2006, 1111 ff. |
h) Rechtsfolgen
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Liegt ein Verstoß gegen eines der Verbote der §§ 307 bis 309 BGB vor, ist die Vertragsklausel unwirksam. Der Vertrag als solcher bleibt im Übrigen wirksam, § 306 Abs. 1, Abs. 3 BGB. Eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel auf das gerade noch zulässige Maß ist abzulehnen. Dem würde der Zweck der Inhaltskontrolle, nämlich den Rechtsverkehr vor überzogenen Klauseln freizuhalten, widersprechen. Unwirksame Klauseln könnten weitgehend ohne Risiko verwendet werden, was zu Nachteilen für den Arbeitnehmer führen und gleichzeitig den Arbeitgeber unbillig bevorzugen würde. Eine Ausnahme von diesem Prinzip stellt der sog. Blue-Pencil-Test dar. Kann der unwirksame Teil einer Klausel mit Hilfe eines imaginären blauen Stiftes derart durch Streichung getrennt werden, dass eine weiterhin eigenständig sinnige Klausel bestehen bleibt, so handele es sich laut BAG um zwei eigenständige Klausel. In diesem Fall könne dann auch die unwirksame Klausel gestrichen werden.
BAG NZA 2008, 699.148
Expertentipp
Lesen Sie zur AGB-Kontrolle die lehrreiche Entscheidung des BAG bezüglich der arbeitsvertraglichen Vertragsstrafenabrede in BAGE 110, 8-27.
Etwaige Lücken im Vertrag werden durch dispositives Recht (§ 306 Abs. 2 BGB) oder ergänzende Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) gefüllt.