4. Aufhebungsvertrag
278
Das Arbeitsverhältnis kann auch durch beiderseitiges Einverständnis der Parteien aufgehoben werden, § 311 Abs. 1 BGB.
a) Zustandekommen des Aufhebungsvertrages
279
Der Aufhebungsvertrag ist ein Rechtsgeschäft bestehend aus zwei Willenserklärungen, gerichtet auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die allgemeinen Vorschriften über Rechtsgeschäfte finden Anwendung, §§ 104 ff. BGB.
Beispiel
An dieser Stelle kann in einer Klausur das Problem einer Drohung eingebaut werden. Beispielsweise kann der Arbeitgeber damit drohen, eine außerordentliche Kündigung auszusprechen, sodass die versprochene Abfindung wegfällt, falls der Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag nicht unterzeichnet. Der Arbeitnehmer kann dann gem. § 123 BGB zur Anfechtung berechtigt sein, wenn eine außerordentliche Kündigung von dem Arbeitgeber nicht in Betracht gezogen werden konnte.
BAGE 109, 22-39. Es kommt hier nicht darauf an, ob die Kündigung in einem gedachten Kündigungsschutzprozess Bestand haben könnte.BAGE 109, 22-39.b) Form
280
Der Aufhebungsvertrag bedarf nach § 623 BGB der Schriftform, die elektronische Form ist ausgeschlossen. Wirksamkeitsvoraussetzung ist also, dass die Parteien auf einer Urkunde unterschreiben (Urkundeneinheit), § 126 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB bzw. sich gegenseitig ein unterschriebenes Exemplar zur Verfügung stellen, § 126 Abs. 2 S. 2 BGB. E-Mail, Telefax oder Kopie genügen dem Schriftformerfordernis daher nicht. Wird die Schriftform nicht eingehalten, so ist der Vertrag nach § 125 S. 1 BGB nichtig.
c) Widerruf
281
In einer Klausur kann sich auch die Frage nach der Möglichkeit eines Widerrufs stellen. Das Arbeitsrecht stellt dem Arbeitnehmer aber kein dem Verbraucherschutz ähnelndes gesetzliches Widerrufsrecht oder Rücktrittsrecht zur Seite. Ist für diesen Fall kein tarifliches Widerrufsrecht geregelt und einschlägig, kommt den Unwirksamkeitsgründen des allgemeinen Teils eine stärkere Bedeutung zu.
Beispiel
Der Arbeitnehmer D wird während eines Arbeitstages ohne Vorankündigung in das Büro des Personalchefs gebeten. Der Personalchef unterbreitet ihm sodann den Wunsch, das Arbeitsverhältnis auflösen zu wollen. Schlussendlich unterschreibt D den Vertrag.
282
Ein Verbraucher ist an seine auf Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden, wenn ihm durch Gesetz ein Widerrufsrecht eingeräumt worden ist und er seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat, § 355 Abs. 1 S. 1 BGB.
283
Dem Verbraucher steht dann ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu, wenn er zu dem Abschluss eines Vertrages mit einem Unternehmer, der eine entgeltliche Leistung zum Gegenstand hat, durch mündliche Verhandlung an seinem Arbeitsplatz bestimmt worden ist (Außergschäftsraumvertrag). Wäre der Arbeitnehmer bei Abschuss des Aufhebungsvertrages Verbraucher (§ 13 BGB) und der Arbeitgeber Unternehmer im Sinne des § 14 BGB, läge somit ein Verbrauchervertrag vor und folglich stünde dem Arbeitnehmer ein gesetzliches Widerrufsrecht zu.
284
Das BAG lehnt ein Widerrufsrecht des Arbeitnehmers nach Unterzeichnen des Aufhebungsvertrages in solchen Situationen jedoch aus mehreren Gründen ab.
Dazu führt das BAG im Wesentlichen aus,
BAG BB 2004, 1858 f.; LAG Niedersachsen NZA-RR 2018, 316. der Vertrag sei zwar „am Arbeitsplatz“ im Sinne der Norm abgeschlossen worden, worunter das gesamte Betriebsgelände einschließlich der Personalabteilung zu verstehen sei. Einer Anwendung des verbraucherschützenden Widerrufsrechts auf arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge stünde aber die Gesetzessystematik, die Entstehungsgeschichte sowie der Sinn und Zweck der Vorschrift entgegen.Das Außergeschäftsraumvertragsrecht als vertragstypenbezogenes Verbraucherschutzrecht fände nur auf „besondere Vertriebsformen“, denen eine bestimmte Vertriebs- und Vermarktungsart gemeinsam sei, Anwendung. Der in den Normen genannte Verbraucher müsse also Empfänger einer entsprechenden Ware bzw. Dienstleistung sein. Anders als z.B. in § 310 Abs. 4 S. 2 BGB habe der Gesetzgeber im Untertitel 2 keine Anwendung der gesetzlichen Regelungen auf das Arbeitsrecht angeordnet. Letztlich würde ein unbefristetes Widerrufsrecht nach § 356 Abs. 3 BGB – im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung – sich auch nicht mit dem Beschleunigungsinteresse in arbeitsrechtlichen Beendigungsstreitigkeiten, wie es beispielsweise in §§ 4, 7 KSchG, § 17 TzBfG zum Ausdruck komme, vereinbaren lassen. Eine dem Haustürgeschäft vergleichbare Situation beim Abschluss eines Aufhebungsvertrags sei im Betrieb grundsätzlich nicht gegeben.
Die Vorschriften beabsichtigten, den Verbraucher bei der Anbahnung und beim Abschluss eines Geschäfts vor der Beeinträchtigung seiner rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit und vor einer Überrumpelung beim Geschäftsabschluss in bestimmten Situationen, in denen der Verbraucher keine Möglichkeit hat, Qualität und Preis des Angebots mit anderen Angeboten zu vergleichen und ihm keine hinreichenden Informationen für eine rationale Entscheidung zur Verfügung stehen, zu schützen. Es handele sich um einen situationsbezogenen Verbraucherschutz. Entscheidend für den Überrumpelungs- und Überraschungseffekt sei die im Gesetz genannte – örtliche – Situation, in der die Vertragsanbahnung stattfinde.
Der „Arbeitsplatz“ sei aber typischerweise der Ort, an dem die das Arbeitsverhältnis betreffenden Fragen besprochen und geregelt werden. Demnach fehle es grundsätzlich am situationstypischen Überraschungsmoment. Der Arbeitnehmer müsse an „seinem Arbeitsplatz“ – gerade in den Räumen der Personalabteilung – mit dem Angebot eines Aufhebungsvertrages rechnen.