Inhaltsverzeichnis
I. Überblick
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Im Gegensatz zur Mittäterschaft und mittelbaren Täterschaft begehen die Teilnehmer keine eigene Tat, sondern nehmen an der Tat eines anderen teil. Im Verhältnis zur Täterschaft ist die Teilnahme subsidiär, so dass Sie in der Klausur die Prüfung – sofern es dafür Anhaltspunkte gibt – mit den verschiedenen Möglichkeiten der täterschaftlichen Begehung beginnen sollten. Haben Sie die Täterschaft abgelehnt oder kommt sie ersichtlich nicht in Betracht, so müssen sie eine Anstiftung oder Beihilfe prüfen.
Anstiftung und Beihilfe sind in den §§ 26 und 27 geregelt. Gemäß § 26 ist Anstifter derjenige, der „vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat“. Für den Anstifter ist dieselbe Strafe zu verhängen wie für den Haupttäter. Gemäß § 27 ist Gehilfe derjenige, „wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat“. Im Gegensatz zum Anstifter ist die Strafe des Gehilfen nach § 49 Abs. 1 i.V.m. § 27 Abs. 2 zu mildern.
Der Strafgrund der Teilnahme wird nach der heute herrschenden, akzessorietätsorientierten Verursachungstheorie darin gesehen, dass der Teilnehmende durch eine eigene Unterstützungshandlung vorsätzlich einen eigenen Rechtsgutsangriff begeht, der aber in seiner Wirksamkeit von dem Vorliegen einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat abhängig ist.Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT Rn. 868.
Expertentipp
Aus diesem Grund fangen Sie in der Klausur auch stets mit der Strafbarkeit des Haupttäters an, da Sie erst danach feststellen können, ob der Teilnehmer eine Unterstützungshandlung zu dieser Tat geleistet hat. Sollte ausnahmsweise nicht nach der Strafbarkeit des Haupttäters gefragt sein, müssen Sie dessen Tat im objektiven Tatbestand unter dem Prüfungspunkt „vorsätzliche rechtswidrige Haupttat“ inzident prüfen.
Der Strafgrund der Teilnahme kann relevant werden in den Fällen, in denen eine täterschaftliche Begehung aufgrund der Struktur der Norm nicht möglich ist.
Beispiel
A ist angeklagt, einen Raubüberfall begangen zu haben, was tatsächlich auch stimmt. Er stiftet seine Freundin F an, ihm für die Tatzeit ein Alibi zu geben. F sagt dementsprechend sehr überzeugend vor Gericht aus, so dass A freigesprochen wird.
F hat sich gem. § 258 Abs. 1 strafbar gemacht. Fraglich ist, ob für A eine Strafbarkeit gem. §§ 258 Abs. 1, 26 in Betracht kommt. Zu bedenken ist nämlich, dass A sich nicht als Täter gem. § 258 Abs. 1 strafbar machen kann, da schon Abs. 1 voraussetzt, dass die Verfolgung eines „anderen“ vereitelt werden muss. Handelt der Täter also zu eigenen Gunsten, so ist er straflos. Sieht man den Strafgrund der Anstiftung nicht in der Korrumpierung eines anderen, sondern in dem Rechtsgutsangriff, scheidet eine Anstiftung aus, da das Rechtsgut nicht vor Angriffen des A geschützt werden soll.
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Der Prüfungsaufbau für Anstiftung und Beihilfe sieht dementsprechend wie folgt aus:
Prüfungsschema
Wie prüft man: Anstiftung und Beihilfe
A. | Strafbarkeit des Haupttäters |
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B. | Strafbarkeit des Beteiligten als Anstifter oder Gehilfe |
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| I. | Tatbestand |
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| 1. | Objektiver Tatbestand |
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| a) | Vorliegen einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat eines anderen |
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| b) | Teilnehmerbeitrag, d. h. entweder |
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| aa) | „bestimmen“ im Sinne des § 26 oder aber |
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| Schaffen tatanreizender Situationen | |
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| Aufstiftung, Umstiftung, Abstiftung | |
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| bb) | „fördern“ im Sinne des § 27 |
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| Kausalität | |
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| sozial- oder berufstypische Handlungen | |
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| sukzessive Beihilfe | |
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| 2. | Subjektiver Tatbestand |
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| a) | Vorsatz in Bezug auf die Vollendung der vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat |
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| error in objecto vel persona beim Haupttäter | ||
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| b) | Vorsatz in Bezug auf den eigenen Teilnehmerbeitrag |
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| II. | Tatbestandsverschiebung gem. § 28 Abs. 2 |
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| Rn. 163 | ||||
| III. | Rechtswidrigkeit |
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| IV. | Schuld |
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| V. | Strafmilderung gem. §§ 28 Abs. 1, 27 Abs. 2 S. 2 |
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