Staatsorganisationsrecht

Das Grundgesetz als wertgebundene Verfassung

D. Bedeutung und Wertgebundenheit des Grundgesetzes

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Das Grundgesetz steht als geschriebene Verfassung der Bundesrepublik Deutschland an der Spitze der nationalen Normenhierarchie und bindet nicht nur die Verwaltung und die Gerichte, sondern auch den Gesetzgeber selbst (Art. 20 Abs. 3 GG).

Beispiel

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Der Bundestag beschließt ein Bundesgesetz in nichtöffentlicher Sitzung, ohne dass vorher die Öffentlichkeit ordnungsgemäß im Sinne des Art. 42 Abs. 1 S. 2 GG ausgeschlossen worden ist. Wegen Verstoßes gegen die höherrangigen Vorschriften des Art. 77 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG ist das Bundesgesetz verfassungswidrig und damit nichtig.

Will der Gesetzgeber das Grundgesetz ändern, so geht dies nur unter den erschwerten Voraussetzungen des Art. 79 Abs. 1 und Abs. 2 GG. Besonders prägende Wesensmerkmale, insbesondere die Grundsätze der Art. 1 und Art. 20 GG sind gemäß Art. 79 Abs. 3 GG gar nicht abänderbar.

Beispiel

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Der Bundestag beschließt mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit und Zustimmung von zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates die Abschaffung der Republik zugunsten einer erbrechtlichen Monarchie. Die damit insbesondere verbundenen Änderungen des Art. 20 Abs. 1 GG und der Art. 54 ff. GG wären nach Art. 79 Abs. 3 GG verfassungswidrig.

Die Vorgaben des Grundgesetzes prägen damit wesentlich die gesellschaftlichen Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland. Das Grundgesetz ist dabei nicht wertneutral, sondern steht als wertgebundene Verfassung für bestimmte Werte. Diese grundlegenden Werte (Verfassungsprinzipien) sind im Grundgesetz in besonderer Weise hervorgehoben und geschützt.

I. Verfassungsprinzipien

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Bei den Verfassungsprinzipien handelt sich um die Ausrichtung des Grundgesetzes an eine unantastbare Menschenwürde (Art. 1 GG) sowie um bestimmte grundlegende Aufbauprinzipien (Staatsstrukturprinzipien, Art. 20 GG), die das Fundament der Verfassung bilden.

An erster Stelle steht in Art. 1 GG der Eintritt für die Menschenwürde. Diesem Konzept liegt in bewusster Abkehr zum Weltanschauung des Nationalsozialismus der Gedanke zugrunde, dass „der Staat um des Menschen willen da ist und nicht der Mensch um des Staates willen“.So in Art. 1 Abs. 1 des Entwurfs von Herrenchiemsee. Es heißt deshalb in Art. 1 Abs. 1 GG:

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Weiter zählen hierzu die grundlegenden Staatsstrukturprinzipien. Danach ist die Bundesrepublik Deutschland ein sozialer Rechtsstaat, der als bundesstaatliche Republik organisiert ist und demokratischen Grundsätzen entsprechen muss (vgl. Art. 20 GG). 

 

Die besondere Bedeutung dieser Verfassungsprinzipien wird deutlich durch den Schutz des Art. 79 Abs. 3 GG, wonach die in den Art. 1 und 20 GG niedergelegten Grundsätze selbst mit verfassungsändernden Mehrheiten unabänderlich sind („Ewigkeits- oder Sperrklausel“).

Das BVerfG hat daher die Art. 1, Art. 20 und Art. 79 Abs. 3 GG als „inneres Gerüst der grundgesetzlichen Ordnung bezeichnet“.BVerfGE 124, 300.    

 

II. Begriff der freiheitlich demokratischen Grundordnung

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Da das Grundgesetz für die beschriebenen Werte steht, erwartet es auch von den staatlichen Funktionsträgern, dass diese jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung des Grundgesetzes eintreten.

Beispiel

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Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG verpflichtet die Hochschullehrer zur Treue für die Verfassung.

Zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG gehört der jederzeitige Eintritt für die freiheitlich demokratische Grundordnung.

Das Grundgesetz tritt damit nicht nur inhaltlich für die freiheitlich demokratische Grundordnung ein, sondern schützt sie auch vor Personen, die sie beeinträchtigen oder beseitigen wollen. Als eine der Lehren von Weimar ist der Schutz dieser zentralen und unentbehrlichen Grundprinzipien des freiheitlichen Verfassungsstaates Ausprägung der wehrhaften Demokratie.BVerfG NJW 2017, 611.

Beispiel

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Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind nach Art. 21 Abs. 2 GG verfassungswidrig.

Definition

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Definition: freiheitlichen demokratischen Grundordnung

Unter der freiheitlichen demokratischen Grundordnung versteht das BundesverfassungsgerichtBVerfGE 2, 1, 12 f.; 5, 85, 140. eine Ordnung, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt– und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. 

Es geht hierbei nach den Worten des BVerfG um „das Gegenteil des totalen Staates, der Menschenwürde, Freiheit und Gleichheit ablehnt“BVerfGE 2, 1, 12..

Danach definiert sich die freiheitlich-demokratische Grundordnung aus drei wesentlichen Prinzipien:    

1.

Der materiell-rechtlichen Grundordnung: die Achtung der Menschenrechte, die im Grundgesetz konkretisiert wurden, insbesondere das Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung.

2.

Der organisationsrechtlichen Grundordnung: Volkssouveränität, Gewaltenteilung, Verantwortlichkeit der Regierung, Unabhängigkeit der Gerichte.

3.

Den Grundprinzipien der politischen Willensbildung: Mehrparteiensystem, Chancengleichheit politischer Parteien, Recht auf Opposition.

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