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V. Unechte GoA
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Unechte GoA liegt gem. § 687 BGB vor, wenn jemand ein fremdes Geschäft als eigenes führt. Kennzeichen der unechten GoA ist mithin das Fehlen des Fremdgeschäftsführungswillens.
Die unechte GoA kommt nur bei objektiv fremden Geschäften in Betracht, auch-fremde Geschäfte genügen nicht.BGH, NJW 2000, 72, 73 a.E.; Palandt/Sprau, BGB § 687 Rn. 2a; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 416.
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Das Gesetz unterscheidet bei der unechten GoA danach, ob der Geschäftsführer wusste, dass er ein fremdes Geschäft wahrnimmt oder nicht:
1. Irrtümliche Eigengeschäftsführung
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Im Falle der irrtümlichen Eigengeschäftsführung bestimmt § 687 Abs. 1 BGB lediglich, dass das Recht der GoA keine Anwendung findet. In Betracht kommen vor allem beiderseitige Ansprüche aus §§ 812 ff., 985 ff. BGB, daneben – bei entsprechendem Verschulden – auch aus Deliktsrecht.
Beispiel
A pflückt Äpfel von den auf sein Grundstück ragenden Zweigen des Apfelbaums seines Nachbarn zum eignen Verzehr. Einige Äpfel sind schon auf seinen Rasen gefallen. A meint, er müsse sich nicht mit den heruntergefallenen Äpfeln auf dem Rasen begnügen, sondern dürfe auch das frischere Obst von den Zweigen in „seinem Luftraum“ nehmen. Indem A die Äpfel von den Zweigen pflückt, übernimmt er irrtümlich ein Geschäft, das allein seinem Nachbarn zugewiesen. Denn der Nachbar verliert sein Eigentum an den Äpfeln „im Luftraum“ des A erst dann, wenn sie auf das Grundstück des A heruntergefallen sind, § 911 S. 1 BGB. § 911 S. 1 BGB ist auf den Fall des Abschüttelns oder gar Abpflückens durch den A nicht anwendbar.Vgl. MüKo BGB/Brückner, BGB § 911 Rn. 6.
Da dem A dies alles aber nicht bewusst war, liegt ein Fall des § 687 Abs. 1 BGB vor. Er haftet dem Nachbarn nach den allgemeinen Regeln auf Herausgabe und Schadensersatz (§§ 985 ff., 812 ff., 823 ff. BGB).
2. Geschäftsanmaßung, § 687 Abs. 2
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Wer wissentlich ein fremdes Geschäft als eigenes besorgt, haftet gem. § 687 Abs. 2 BGB verschärft: Der Geschäftsherr kann gem. § 678 BGB Schadensersatz verlangen, ferner gem. §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2 BGB insbesondere Herausgabe des aus der Geschäftsführung Erlangten (§ 667 BGB). Macht er diese Ansprüche geltend, kann der Geschäftsführer gem. §§ 687 Abs. 2 S. 2, 684 S. 1 BGB seinerseits vom Geschäftsherrn das durch die Geschäftsführung Erlangte nach Maßgabe der §§ 818 f. BGB herausverlangen. Damit sind nicht die eben vom Geschäftsführer aus §§ 681 S. 2, 667 BGB herausverlangten Gegenstände gemeint. Sonst geriete man in ein absurdes Ping-Pong-Spiel der Ansprüche. Gemeint sind mit der Formulierung in § 687 Abs. 2 S. 2 BGB vielmehr die vom Geschäftsherrn aufgrund der Geschäftsführung ersparten Aufwendungen.Vgl. MüKo BGB/Schäfer, BGB §687 Rn. 36 a.E.
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Die Regelung des § 687 Abs. 2 S. 2 BGB ist nach allgemeiner Meinung grundsätzlich abschließend.Eine Ausnahme macht § 994 Abs. 2 BGB. Das heißt: Ansprüche des Geschäftsführers bestehen nur, wenn der Geschäftsherr sich für die Ansprüche nach den §§ 687 Abs. 2 S. 1, 678, 681 BGB entscheidet. Ohne seinerseits Ansprüchen des Geschäftsführers ausgesetzt zu sein, kann der Geschäftsherr also bereicherungs- oder sachenrechtliche Ansprüche geltend machen. Eine Ausnahme bildet insoweit nur der Verwendungsersatzanspruch aus § 994 Abs. 2 BGB, der eine speziellere Regelung für den unberechtigten Besitzer enthält.Vgl. Palandt/Herrler, BGB § 994 Rn. 8 a.E. Seine partielle Rechtsgrundverweisung auf die GoA-Regeln bedeutet, dass der Fremdgeschäftsführungswille nicht geprüft muss und deshalb die Ersatzansprüche aus §§ 683, 684, 679 auch ohne Fremdgeschäftsführungswillen angewendet werden können. § 687 ist nicht vom Verweis erfasst, weil es auf den (fehlenden) Fremdgeschäftsführungswillen nicht ankommt.Vgl. Palandt/Herrler, BGB § 994 Rn. 8 a.E.
Beispiel
Der Hehler H veräußert über eine Annonce (Kosten: 50 €) in einem Oldtimer-Magazin einen gestohlenen Oldtimer (Wert bei Diebstahl: 5000 €) für 10 000 €, nachdem er ihn für 2000 € hatte reparieren lassen. Der Wagen hatte bei Veräußerung einen Marktwert von 7000 €. Aus § 687 Abs. 2 S. 1, 667 BGB folgt ein Anspruch des Eigentümers E auf Zahlung der von H erlangten 10 000 €. Macht er diesen Anspruch geltend, kann H die Erstattung der Kosten für die Zeitungsannonce und Reparatur (2050 €) aus §§ 687 Abs. 2 S. 2, 684 S. 1, 818 Abs. 3 BGB verlangen. Die Reparaturkosten spiegeln sich im Kaufpreis wieder, so dass H insoweit bereichert ist. Gleiches für die Kosten für eine Zeitungsannonce, wenn E sich diese tatsächlich erspart hat. Das ist dann der Fall, wenn E zum Zwecke der Veräußerung ebenfalls eine Anzeige aufgegeben hätte. Kurz: E muss sich an den Kosten beteiligen, wenn er den Veräußerungserlös herausverlangt. Macht er den Erlös nicht geltend, stehen H wegen § 687 Abs. 2 S. 2 keine Ansprüche zu. Auf § 994 Abs. 2 kann H mangels EBV (wegen der Veräußerung kein Besitz mehr!) nicht zurückgreifen.