Der BGH (Urteil vom 20.03.2014, 3 StR 424/13 - abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de) musste sich in diesem Zusammenhang mit folgendem Sachverhalt befassen:
Der Angeklagte A unterhielt eine Beziehung zum späteren Opfer O, die getrennt von A ihre eigene Wohnung bewohnte. Am Tattag kam es gegen 0.30 Uhr zu einem Streit, infolge dessen O die Wohnung des A verlassen wollte. Dies verhinderte A, indem er O an den Haaren zurückzog, sie auf die Couch warf und sich auf sie setzte. Nunmehr entschlossen, O durch Anhaltendes Würgen zu quälen und später zu töten, begann er, sie mit den Händen zu würgen. Sobald sie das Bewusstsein zu verlieren drohte, ließ er von ihr ab, um später dann von neuem zu beginnen. Im weiteren Verlauf meldete er sich telefonisch bei seinem Arbeitgeber krank und erklärt O, er habe sich nun Zeit genommen, um sie weiter zu quälen. Die O werde "eh keiner so 5 Tage vermissen". Aus der Küche holte er dann Klebeband und fesselte O an Armen und Beinen. Anschließend trank er 2 Flaschen Wein und schlief ein. Der O gelang es, sich zu befreien und sie konnte gegen 04.45 die Wohnung des A verlassen.
Zweifelsohne hat sich A durch das wiederholte Würgen gem. §§ 223, 224 StGB strafbar gemacht. Auch eine Freiheitsberaubung gem § 239 StGB liegt vor. Fraglich ist aber, ob auch ein versuchter Mord angenommen werden kann.
Der Tatentschluss zur Begehung eines Totschlags kann zweifeslfrei angenommen werden. Problematisch ist, ob dieser Entschluss auch auf eine grausame Tötung und damit auf die Verwirklichung des § 211 StGB gerichtet war. Diese Frage mag befremdlich klingen, ist doch das Vorgehen des A an Grausamkeit kaum zu überbieten. Diese Grausamkeit bezieht sich jedoch auf die Körperverletzungshandlungen. Damit ein grausamer Mord angenommen werden kann, muss aber die Tötungshandlung grausam sein. Das LG konnte jedoch nicht feststellen, wie A die O später töten wollte. Es ist also denkbar, dass die eigentliche Tötungshandlung nicht grausam sein sollte.
Der BGH hat insoweit jedoch ausgeführt, dass sofern die Körperverletzungshandlungen bereits das unmittelbare Ansetzen zum Mord seien, auch die Tötung als grausam angesehen werden müsse. (hierzu kritisch Krehl, Anmerkung zum BGH Urteil, NStZ 2014, 447). Hierfür spricht, dass es dem Täter bei einer grausamen Tötung häufig zunächst darauf ankommen wird, das Opfer zunächst nur zu verletzten, da ein schneller Tod des Opfers eine grausame Tötung geradezu zunichte machen würde. Eine grausame Tötung scheint also zwangsläufig eine sich über einen längeren Zeitraum hinziehende Körperverletzung (die nicht zum Tode führen soll) vorauszusetzen.
Aus dieser Voraussetzung ergibt sich nun wiederum aber nicht zwangsläufig, dass der Täter mit den Körperverletzungshandlungen immer auch unmittelbar zur späteren Tötung ansetzt.
Ein unmittelbares Ansetzen setzt zunächst voraus, dass der Täter subjektiv die "Schwelle zum Jetzt geht`s los" überschreitet. Zu beachten ist, dass der erste Willensimpuls bereits im Fassen eines Tatentschlusses liegt. Dieser Willensimpuls reicht jedoch für das unmittelbare Ansetzen nicht aus. Es bedarf also eines weiteren Willensimpulses, der darin liegt, dass der Täter seinen Tatentschluss nun auch umsetzen möchte. Das ist mit dem Überschreiten der Schwelle zum "Jetzt..." gemeint.
Des Weiteren muss der Täter Handlungen vornehmen, die ohne weitere wesentliche Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung einmünden sollen und mit denen das geschützte Rechtsgut bereits konkret gefährdet ist. Diese Gefährdung wird nach Auffassung des BGH wertend betrachtet und liegt immer dann vor, wenn nach der Vorstellung des Täters ein räumlich und zeitlicher Zusammenhang angenommen werden kann.
Problematisch sind sogenannte "gestreckte" Geschehensabläufe, zu denen auch der vorliegende Fall gehört. Aus den Feststellungen des LG lässt sich nicht entnehmen, wann A die O töten wollte. Aufgrund des Telefonats sowie der anschließenden Bemerkung gegenüber O ist auch denkbar, dass A die O zunächst noch über einen Zeitraum von 5 Tagen quälen und erst danach töten wollte. Damit könnte man annehmen, dass A zu diesem Zeitpunkt noch nicht den Willensimpuls zur Tötung in einer unumkehrbaren Weise und damit auch noch nicht die Schwelle zum "Jetzt..." überschritten hatte. Wie sich ja auch im konkreten Fall durch das Einschlafen des A gezeigt hat, konnte innerhalb dieses Zeitraums noch viel geschehen. Der BGH hat jedoch entsprechend der bisherigen Rechtsprechung maßgeblich auf die konkrete Gefährdung abgestellt. Er hat dazu folgendes ausgeführt:
"So sind Handlungen, die keinen tatbestandsfremden Zwecken dienen, sondern wegen ihrer notwendigen Zusammengehörigkeit mit der Tathandlung nach dem Plan des Täters als deren Bestandteil erscheinen, weil sie an diese zeitlich und räumlich angrenzen und mit ihr im Falle der Ausführung eine natürliche Einheit bilden, nicht als der Annahme unmittelbaren Ansetzens entgegenstehende Zwischenakte anzusehen ...Nach diesen Maßstäben hatte der Angeklagte dadurch, dass er die Nebenklägerin in der Absicht, sie zu töten, in seine Gewalt brachte und sie in Ausführung seines Tatplans zunächst quälte, nach seiner Vorstellung bereits unmittelbar zur Begehung eines das Mordmerkmal der Grausamkeit erfüllenden vorsätzlichen Tötungsdelikts angesetzt. Zwar verweist der Generalbundesanwalt zutreffend darauf, dass das Urteil dazu schweigt, welche Vorstellungen der Angeklagte zum weiteren Fortgang des Geschehens in zeitlicher Hinsicht entwickelt hatte, und sich in diesem Zusammenhang insbesondere nicht mit dessen Äußerung auseinandersetzt, niemand werde die Nebenklägerin "so fünf Tage vermissen". Beides war indes deshalb entbehrlich, weil in den festgestellten Handlungen auch dann schon ein unmittelbares Ansetzen zu einer grausamen Tötung der Nebenklägerin läge, wenn der Angeklagte die nach seiner Vorstellung zur Herbeiführung des
Todes erforderlichen Gewaltakte noch weiter selbst über erhebliche Zeit hinweg hätte hinausschieben wollen. Denn bei der gebotenen wertenden Betrachtung der Gesamtumstände verliert hier das zur Abgrenzung von Vorbereitungshandlung und Versuch grundsätzlich auch heranzuziehende Kriterium der zeitlichen Abfolge derart an Gewicht, dass auch eine vom Angeklagten etwa noch eingeplante längere Zeitspanne bis zur Verwirklichung seiner Tötungsabsicht den unmittelbaren Zusammenhang der bisherigen Körperverletzungen mit der beabsichtigten Einleitung des todbringenden Geschehens nicht in Frage stellen könnte. So war die Nebenklägerin bereits ab dem Zeitpunkt, zu dem sich der
Angeklagte ihrer in Tötungsabsicht bemächtigt hatte, unmittelbar und konkret an Leib und Leben gefährdet. Der Angeklagte hielt sie mittels körperlicher Gewalt in seiner Wohnung fest. Auch nach dessen Vorstellung verfügte sie damit über keine Möglichkeiten mehr, sich weiteren Tathandlungen zu entziehen oder schließlich den geplanten todbringenden Angriff abzuwehren. Diese Beschränkung der persönlichen Freiheit der Nebenklägerin stand in engem räumlichem und situativem Zusammenhang mit deren beabsichtigter Tötung, denn sie sollte gerade sicherstellen, dass der vom Angeklagten geplante Geschehensablauf ungestört Fortgang nehmen und ohne weitere Unterbrechungen in die Tatvollendung einmünden kann. Allein die zeitliche Streckung dieses Ablaufs ändert an dem situativen Zusammenhang nichts; sie war im Gegenteil wesentliches Element des Tatplans, der dahin ging, der Nebenklägerin vor der Herbeiführung ihres Todes zunächst langanhaltende Qualen zuzufügen. Die wiederkehrenden und nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen noch weiter beabsichtigten Misshandlungen der Nebenklägerin bedeuten deshalb auch keine Unterbrechungen des Geschehensablaufs zu tatbestandsfremden Zwecken, sondern stellen sich dar als untrennbare Bestandteile eines einheitlichen, auf den Tod der Nebenklägerin abzielenden Handelns."
Weitere Ausführungen zu diesem Thema finden Sie in unseren ExO`s sowie im GuKO SR I. Einen Auszug aus dem Skript finden Sie hier: http://www.juracademy.de/web/topic.php?id=12530.