A, der seit vielen Jahren unter einer schweren Alkoholabhängigkeit litt und zum Öffnen seiner Bierflaschen stets ein "Schweizer Taschenmesser" in seiner Kleidung mitführte, entschloss sich spontan, einen nicht abgeschlossenen Klein-LKW, bei dem der Schlüssel im Zündschloss steckte, zu entwenden. Unmittelbar nach dem Anfahren wurde er von dem Zeugen Z aufgehalten, der sich dem LKW in den Weg stellte, um ihn am Weiterfahren zu hindern. Um entkommen zu können, fuhr A ruckartig und zügig an. Dabei verletzte er Z, der von dem LKW erfasst wurde und zu Boden stürzte. Die Fahrt endete 200m weiter in einer Garageneinfahrt.
Problematisch ist in diesem Fall, ob sich A, der zweifellos § 242 StGB verwirklicht hat, indem er sich ans Steuer des Fahrzeugs setzte und mit dem Wagen losfuhr, auch gem. § 244 I Nr. 1a des qualifizierten Diebstahls mit einem gefährlichen Werkzeug strafbar gemacht hat.
Das Schweizer Taschenmesser weist neben zahlreichen kleinen Werkzeugen auch ein kleines Messer mit einer Klingenlänge von ca. 4,5 cm auf. Ob ein solcher, eigentlich sozial adäquater Gegenstand ein "gefährliches Werkzeug" sein kann, ist höchst fraglich, wurde vom BGH aber offen gelassen. Nach seiner Auffassung habe der Täter dieses Werkzeug jedenfalls nicht tatbestandlich beisichgeführt. Ein solches Beischführen setze nämlich voraus, dass der Täter es "bewusst" gebrauchsbereit bei sich habe. Nur in einem solchen Fall könne eine Eskalationsgefahr angenommen werden. Im Rahmen des Vorsatzes muss also geprüft werden, ob dem Täter "bewusst" war, dass er ein potentiell gefährliches Werkzeug zur Hand hat. Im vorliegende Fall hatte der BGH daran Zweifel, da A das Schweizer Taschenmesser in erster Linie zum Öffnen von Bierflaschen verwendete und zudem erheblich alkoholisiert war bei der Tatbegehung.
In der Literatur wurde diese Entscheidung des BGH seinerzeit teilweise als Bestätigung eines Definitionsansatzes gesehen, wonach sich die Gefährlichkeit des Werkzeuges nach dem Verwendungsvorbehalt bestimme. Im Sinne eines Verwendungsvorbehaltes wollte der BGH sich allerdings nicht verstanden wissen, was er geraume Zeit später mit seiner Entscheidung zur Definition des "gefährlichen Werkzeugs" deutlich machte (Urteil vom 03.06.2008, AZ 3 StR 246/07 - abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de). Gegen den Verwendungsvorbehalt, der mehr als "Wissen und Wollen" ist, spricht nach seiner Auffassung, dass § 244 I Nr. 1a im Gegensatz zu § 244 I Nr. 1b StGB gerade kein subjektives Element verlange.
Den Gedanken des "bewussten" Beisichführens hat das OLG Hamm (NStZ 2007/473) später in einer Entscheidung aus dem Jahr 2007 aufgegriffen und einen schusseligen und gedankenverlorenen Polizeibeamten, der im Dienst einen Diebstahl begangen hatte, vom Vorwurf des § 244 StGB frei gesprochen, in dem es ausführte, dass diesem Beamten an diesem Tag nicht bewusst gewesen sei, dass er bewaffnet sei (?!).
Weitere Ausführungen dazu finden Sie im GuKO SR III sowie die verschiendenen ExO`S. Einen Auszug aus unserem Skript zur "Eigentumsdelikte" finden Sie im Footer der JURACADEMY unter dem Thema "Eigentumsdelikte" oder direkt hier: Eigentumsdelikte.