A Sachverhalt (vereinfacht):
B hat die Wohnung des K angemietet.
Für den Vertrag wurde ein Formular verwendet, welches B von der Haus & Grund GmbH erworben und zu den Vertragsverhandlungen mitgebracht hatte. Dies geschah auf ausdrücklichen Wunsch von K.
In diesem Formular heißt es unter § 2 Mietzeit Nr. 1.a):
" □ Kündigungsverzicht (maximal vier Jahre)
Das obige Mietverhältnis wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen. Beide Mietparteien verzichten wechselseitig bis zu ______________ (maximal vier Jahre ab Vertragsschluss) auf ihr Recht zur ordentlichen Kündigung des Mietvertrags. Zum Ablauf des Verzichtszeitraums kann das Mietverhältnis erstmalig wieder von beiden Mietvertragsparteien mit den gesetzlichen Kündigungsfristen gekündigt werden. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung wird von dieser Regelung nicht berührt."
Die Beschränkung auf 4 Jahre wurde gestrichen und das Kästchen angekreuzt. Als Ausgleich wurden zusätzliche Vereinbarungen eingeführt, mit denen B einige Pflichten des Vermieters K übernahm.
Den Parteien kam es auf ein langfristiges Mietverhältnis an, insb. da B beabsichtigte erhebliche Investitionen zu tätigen. Insoweit kam es beim Vertragsschluss zu intensiven Verhandlungen.
Am 29.7.2015 hat K das Mietverhältnis gekündigt (Eigenbedarf). B hält die Kündigung für unwirksam.
Wurde das Kündigungsrecht wirksam ausgeschlossen?
B Lösung:
I Wirksamkeit des Kündigungsausschlusses
Fraglich ist, ob der Kündigungsausschluss wirksam vereinbart werden konnte. Im vorliegenden Fall kommt zum einen ein Kündigungsausschluss durch AGB und durch individualvertragliche Vereinbarung in Betracht.
Hinweis
Grundsätzlich ist in der Klausur zunächst zu prüfen, ob eine individualvertragliche Vereinbarung dieser Art überhaupt zulässig wäre. Ist dies nicht der Fall, so kommt es auf eine AGB-Prüfung schon gar nicht an.
1 Wirksamkeit eines individualvertraglichen Kündigungsausschlusses durch Individualvereinbarung
Individualvertraglich können grundsätzlich sehr lange Fristen für einen Kündigungsausschluss vereinbart werden. Grenzen ergeben sich dabei aus den allgemeinen Regelungen. Nach der überwiegenden Ansicht der Literatur und Teilen der Rechtsprechung ist § 544 analog anzuwenden.
„Wie der Senat bereits entschieden und das Berufungsgericht insoweit auch nicht verkannt hat, können die Vertragsparteien die ordentliche Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses im Wege der Individualvereinbarung auch für sehr lange Zeiträume ausschließen (…).
Eine Grenze wird bei einem individuell vereinbarten Kündigungsausschluss nur durch § 138 BGB gesetzt, etwa - wofür hier allerdings keine Anhaltspunkte ersichtlich sind - bei Ausnutzung einer Zwangslage einer Partei oder beim Vorliegen sonstiger Umstände, die der Vereinbarung das Gepräge eines sittenwidrigen Rechtsgeschäfts geben. Die individuelle Vereinbarung eines dauerhaften Ausschlusses der ordentlichen Kündigung ist daher grundsätzlich möglich.
Es mag allerdings, wie in der Instanzrechtsprechung (OLG Karlsruhe, ZMR 2008 533; LG Berlin, GE 1992, 151; vgl. auch OLG Hamm NZM 1999, 753) und in der Literatur (Palandt/Weidenkaff, BGB, 77. Aufl., § 544 Rn. 4; Staudinger/V. Emmerich, BGB, Neubearb. 2018, § 544 Rn. 6; Schmidt-Futterer/Lammel, Mietrecht, 13. Aufl., § 544 BGB Rn. 11; 15 16 - 9 - MünchKommBGB/Bieber 7. Aufl., § 544 Rn. 5) allgemein angenommen wird, nach Ablauf von 30 Jahren in entsprechender Anwendung des § 544 BGB eine außerordentliche Kündigung mit gesetzlicher Frist möglich sein, die auch nicht auf den ersten möglichen Termin nach diesem Zeitablauf beschränkt ist (vgl. dazu BGH, Urteil vom 20. Februar 1992 - III ZR 193/90, BGHZ 117, 236, 239).“
Demnach wäre eine individualvertragliche Vereinbarung dieser Art zulässig. Fraglich ist, ob die Regelung nicht am strengeren AGB-Recht zu messen ist.
2 Wirksamkeit eines individualvertraglichen Kündigungsausschlusses durch AGB
Die Zulässigkeit eines dauerhaften Kündigungsausschlusses ist durch AGB grundsätzlich nur eingeschränkt möglich. Gemäß § 307 Abs. 1 ist eine Regelung grundsätzlich unwirksam, wenn der Kündigungsausschluss einen Zeitraum von 4 Jahren überschreitet.
Fraglich ist, ob der Anwendungsbereich der §§ 305ff. im vorliegenden Fall überhaupt eröffnet ist. Hierfür müssten die Vertragsbedingungen vom Verwender gestellt worden sein.
a Stellen
„Als wesentliches Charakteristikum Allgemeiner Geschäftsbedingungen hat der Gesetzgeber die Einseitigkeit ihrer Auferlegung sowie den Umstand angesehen, dass der andere Vertragsteil, der mit einer solchen Regelung konfrontiert wird, auf ihre Ausgestaltung gewöhnlich keinen Einfluss nehmen kann (BTDrucks. 7/3919, S. 15 f.). Mit Rücksicht darauf ist das Merkmal des "Stellens" im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB erfüllt, wenn die Formularbestimmungen auf Initiative einer Partei oder ihres Abschlussgehilfen (vgl. Senatsurteil vom 4. Februar 2015 - VIII ZR 26/14, NJW-RR 2015, 738 Rn. 14) in die Verhandlungen eingebracht und ihre Verwendung zum Vertragsschluss verlangt wird.“
Vorliegend könnte erwogen werden, dass die AGB von B gestellt wurden. Hierbei würde jedoch übersehen werden, dass B zwar den Vertrag besorgt und zum Vertragsschluss mitgebracht hat, dies jedoch auf Verlangen und damit auf Initiative des K erfolgte.
Hinweis
Warum ist es wichtig wer die AGB gestellt hat? Grundsätzlich wird vom AGB-Recht nur derjenige geschützt, dem die Regelungen einseitig gestellt wurden. Der andere kann sich nur eingeschränkt auf die Unwirksamkeit berufen. Diesen Aspekt werden wir später noch aufgreifen.
Hinweis
Eine andere Beurteilung ist auch nicht etwa deshalb geboten, weil die Beklagten, wie das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang ausführt, nach eigenem Vorbringen auf einem dauerhaften Kündigungsausschluss (durch Streichung des Klammerzusatzes bei der diesbezüglichen Formularklausel von Haus & Grund) bestanden hätten. Zwar können Vertragsbedingungen auch dann "gestellt" sein, wenn sie nicht schriftlich fixiert sind, sondern der Verwender sie lediglich "im Kopf" gespeichert hat, um sie wiederholt zu verwenden (BGH, Urteile vom 10. März 1999 - VIII ZR 204/98, BGHZ 141, 108, 109 ff.; vom 13. Mai 2014 - XI ZR 170/13, WM 2014, 1325 Rn. 20; jeweils mwN). Dafür, dass bei den Beklagten, die den Mietvertrag als private Mieter abgeschlossen haben, eine derartige Absicht bestanden hätte, sind jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich.
Demnach wurden die Vertragsbedingungen von K gestellt.
b Vorformulierte Klauseln
Fraglich ist, ob im vorliegenden Fall überhaupt Allgemeine Geschäftsbedingungen vorliegen. Dies ist gerade dann nicht der Fall, wenn die Vertragsbedingungen im Einzelnen ausgehandelt wurden.
Im vorliegenden Fall wurden zwar vorformulierte Formulare und Klauseln verwendet, diese wurden jedoch sodann jeweils einzeln ausgehandelt und modifiziert. Durch diesen Vorgang wurden aus den vorformulierten Klauseln des Verwenders Individualabreden.
Das Aushandeln wird insbesondere daran deutlich, dass B im Gegenzug für den dauerhaften Kündigungsausschluss bestehende Pflichten des Vermieters übernommen hat.
Demnach ist der Anwendungsbereich der §§ 305ff. BGB nicht eröffnet.
c Hilfsweise Ausführungen
Fraglich ist, ob bei Annahme von AGB ein Berufen des K auf eine etwaige Unwirksamkeit des Kündigungsausschlusses zulässig wäre. Wie oben bereits angedeutet soll nur der Vertragspartner des Verwenders vor einer unangemessenen Benachteiligung durch missverständliche Inanspruchnahme einseitiger Gestaltungsmacht geschützt werden. Der Verwender selbst darf sich auf die Unwirksamkeit nur dann berufen, wenn dies nicht gegen Grundsätze von Treu und Glauben verstößt.
„Will der Vertragspartner des Verwenders die unwirksamen Geschäftsbedingungen uneingeschränkt gegen sich gelten lassen, kann es dem Verwender nach Treu und Glauben verwehrt sein, sich auf die Unwirksamkeit zu berufen (Senatsurteil vom 20. September 2017 - VIII ZR 250/16, aaO). Diese Voraussetzung dürfte hier vorliegen, da B - soweit ersichtlich - von Anfang an deutlich gemacht hat, dass er sich an dem beiderseitigen dauerhaften Kündigungsausschluss festhalten lassen wollte.“
Demnach könnte sich K auch bei Vorliegen von unwirksamen AGB nicht auf deren Unwirksamkeit berufen.
II Ergebnis
Der vereinbarte Kündigungsausschluss ist wirksam. Eine Kündigung wäre demnach nicht rechtswirksam.