A Sachverhalt:
Der Beklagte bot im Oktober 2014 über die Internet-Plattform eBay unter Nutzung der Festpreis-Funktion "Sofort-Kaufen" ein E-Bike zum Kauf an. An der dafür vom Plattformbetreiber auf der Angebotsseite vorgesehenen Stelle trug der Beklagte einen Sofortkaufpreis von 100 € und Versandkosten von 39,90 € ein. Die auf der Angebotsseite vom Beklagten unter Verwendung von Großbuchstaben und Fettdruck der Preisangabe unmittelbar vorangestellte Artikelbezeichnung
lautete:
"Pedelec neu einmalig 2600 € Beschreibung lesen!!"
Am Ende der Artikelbeschreibung hatte der Beklagte - wiederum in Großbuchstaben - folgende
Angaben hinzugefügt:
"Das Fahrrad ist noch original verpackt, kann aber auf Wunsch zusammengebaut werden. Bitte Achtung, da ich bei der Auktion nicht mehr als 100 € eingeben kann (wegen der hohen Gebühren), erklären Sie sich bei einem Gebot von 100 € mit einem Verkaufspreis von 2600 + Versand einverstanden. Oder machen Sie mir einfach ein Angebot! Danke."
Der auf das Angebot aufmerksam gewordene Kläger betätigte am 16. Oktober 2014 die Schaltfläche ("Button") "Sofort-Kaufen" auf der Angebotsseite, um das E-Bike zu erwerben. In einer noch am gleichen Tage durch E-Mails über die Höhe des Kaufpreises geführten Korrespondenz wies der Beklagte den Kläger auf den in der Artikelbeschreibung angegebenen Kaufpreis von 2.600 € als aus seiner Sicht maßgeblich hin, während sich der Kläger auf den eingegebenen und ihm auch in der Kaufbestätigung von eBay einschließlich der Versandkosten angezeigten Kaufpreis von 139,90 € berief. Auf die am Folgetag übersandte Aufforderung des Beklagen den nach seiner Auffassung angefallenen Kaufpreis binnen fünf Tagen zu bezahlen zahlte der Kläger nur 139,90 € und bat um den Versand des E-Bikes an seine Anschrift. Als der Beklagte dem nicht nachkam, verlangte der Kläger von diesem mit Anwaltsschreiben vom 31. Oktober 2014 unter Hinweis auf das von ihm durch Betätigung des Buttons lediglich zu 100 € zuzüglich Versandkosten angenommene Angebot erneut die Übersendung des E-Bikes.
Hat der Kläger einen Anspruch auf Herausgabe bzw. Schadensersatz wegen Nichterfüllung?
B Leitsätze
„a) Sind bei Verkaufsaktionen auf der eBay-Internetplattform die Erklärungen der Teilnehmer nicht aus sich heraus verständlich oder lückenhaft und bedürfen sie deshalb der Auslegung, ist grundsätzlich zwar der Aussagegehalt der eBay-AGB ergänzend in die Auslegung der abgegebenen Willenserklärungen einzubeziehen. Rückt jedoch einer der Teilnehmer von den Regelungen der eBay-AGB erkennbar in bestimmter Hinsicht ab, kommt deren Heranziehung insoweit zur Bestimmung des Vertragsinhalts nicht mehr in Betracht. Es ist dann vielmehr das individuell Vereinbarte maßgeblich (Fortführung der Senatsurteile vom 7. November 2001 - VIII ZR 13/01, BGHZ 149, 129, 135 f.; vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 289/09, BGHZ 189, 346 Rn. 21; vom 10. Dezember 2014 - VIII ZR 90/14, NJW 2015, 1009 Rn. 19).
b) Zum Vorliegen einer Anfechtungserklärung kann es schon genügen, dass der Anfechtende eine Verpflichtung, die er nach dem objektiven Erklärungswert seiner - gegebenenfalls durch schlüssiges Handeln getätigten - Willensäußerung übernommen hat, bestreitet oder nicht anerkennt oder ihr sonst widerspricht, sofern sich unzweideutig der Wille ergibt, dass er das Geschäft gerade wegen eines Willensmangels nicht bestehen lassen will. Dies ist auch in Form einer Eventualanfechtung möglich, die für den Fall erklärt wird, dass das Rechtsgeschäft nicht den in erster Linie behaupteten Inhalt hat oder nicht ohnehin nichtig ist (Bestätigung von BGH, Urteile vom 15. Mai 1968 - VIII ZR 29/66, NJW 1968, 2099 unter B III mwN; vom 28. September 2006 - I ZR 198/03, NJW-RR 2007, 1282 Rn. 17).“
C Lösung:
I Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten könnte gem. § 433 I 1 entstanden sein.
1 Vertragsschluss
Fraglich ist, ob die Parteien einen Kaufvertrag über das E-Bike Höhe von 100 € geschlossen haben.
2 Angebot und Annahme
Es müssten kongruente Willenserklärungen vorliegen. Durch die Nutzung der von eBay zur Verfügung gestellten Option "Sofort-Kaufen" hat der Beklagte das E-Bike zu einem von ihm vorgegebenen Festpreis zum Verkauf angeboten.
Fraglich ist welchen Inhalt das Angebot hatte. Der Erklärungsgehalt einer Willenserklärung ist im Wege der Auslegung gem. §§ 133, 157 zu ermitteln. Dabei sind ergänzend die eBay AGB in die Auslegung einzubeziehen.
„Deren Aussagegehalt ist, wenn die Erklärungen der Teilnehmer an der Verkaufsaktion nicht aus sich heraus verständlich oder lückenhaft sind und der Auslegung bedürfen, dann entsprechend in die Auslegung der abgegebenen Willenserklärungen einzubeziehen (Senatsurteile vom 7. November 2001 - VIII ZR 13/01, BGHZ 149, 129, 135 f.; vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 289/09, BGHZ 189, 346 Rn. 21; vom 10. Dezember 2014 - VIII ZR 90/14, NJW 2015, 1009 Rn. 19).“
Dies gilt jedoch nur, soweit sich aus den Umständen nicht ein anderes ergibt!
„Rückt jedoch einer der Teilnehmer an der Verkaufsaktion erkennbar von den Regelungen der eBay-AGB in bestimmter Hinsicht ab, kommt deren Heranziehung insoweit zur Bestimmung des Vertragsinhalts nicht mehr in Betracht. Denn diese Bedingungen werden nur zwischen eBay und dem Inhaber eines Mitgliedskontos vereinbart, so dass ihnen keine unmittelbare Geltung im Verhältnis zwischen Anbieter und Kaufinteressent zukommt. In diesem Verhältnis ist vielmehr das individuell Vereinbarte maßgeblich.“
a Abweichungen von den eBay AGB im vorliegenden Fall?
Fraglich ist, ob im vorliegenden Fall ersichtlich von den eBay AGB abgewichen werden sollte.
Aus der Beschreibung im Angebot könnte sich ergeben, dass das E-Bike nicht für 100 €, sondern für 2600 € veräußert werden sollte.
Hinweis
Da vorliegend in der Beschreibung keine AGBs gesehen werden konnten, kam es auf § 305c nicht an. Anders läge der Fall dann, wenn eine Vielzahl gleichartiger Angebote im Raum stünde. Beachte hierzu ergänzend die Anmerkungen zum Urteil in NJW 2017, 1660 von Prof. Dr. Holger Sutschet.
Insoweit weicht die Beschreibung von den Modalitäten in den eBay AGB deutlich ab. Diese können insoweit nicht zur Auslegung herangezogen werden.
Die Abweichung liegt hier in der Festlegung, dass ein Gebot i.H.v. 100€ ein Gebot i.H.v. 2.600€ darstellen soll
b Inhalt des Angebots?
Die Auslegung des Angebots ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen.
„Die Auslegung des vom Beklagten geschalteten Angebots in seiner Gesamtheit ergibt, dass das E-Bike nicht für 100 € zum Verkauf gestellt war. Zwar mag ein Kaufinteressent aufgrund der Gestaltung der Angebotsseite nach seinem Empfängerhorizont zunächst davon ausgehen, dass der neben der Schaltfläche "Sofort-Kaufen" erscheinende und optisch hervorgehobene Festpreis betragsmäßig dem Angebot des Verkäufers entspricht. Dabei darf er jedoch nicht stehenbleiben. Vielmehr muss er zur Bestimmung des wirklichen Erklärungstatbestands stets die insgesamt abgegebenen Erklärungen berücksichtigen und darf nicht nur einzelne Erklärungsbestandteile als vermeintlich maßgebend herausgreifen.“
So ergibt sich aus dem Angebot deutlich, dass die Angabe eines Kaufpreises in Höhe von 100 € bloß zur Einsparung von Verkaufsgebühren genannt wurde. Schon direkt über dem Sofortkauf Button befand sich ein deutlicher Hinweis auf den Kaufpreis in Höhe von 2600 €.
Hinweis
Auf § 118 BGB im Hinblick auf das Angebot in Höhe von 100 € kam es infolge der gezeigten Auslegung gar nicht erst an. Denn es versteht sich von selbst, dass das Angebot, ein E-Bike für 2.600 € zu verkaufen, nicht gleichzeitig ein nicht ernstlich gemeintes Verkaufsangebot über 100 € sein kann, sondern sich auf den erkennbar gewollten Angebotsgehalt beschränkt und kein dazu im Widerspruch stehendes weiteres Angebot enthält.
Fraglich ist, ob sich ein anderes Ergebnis daraus ergeben kann, dass der Zweck der Option „Sofort-Kaufen“ darin liegt, besonders schnell Entschlossenen die Möglichkeit einzuräumen einen Kauf ohne Lesen der genauen Beschreibung zu ermöglichen.
Auch bei dieser Konstellation empfehlen die eBay-Richtlinien eine genaue Prüfung des Angebots, so insbesondere wegen der Möglichkeit des Bestehens zusätzlicher Kosten. Einer solchen Sichtweise stünden zudem auch allgemeine Auslegungsgrundsätze entgegen. Ein hinreichend deutlich geäußerter Parteiwille ist nach § 133 stets zu berücksichtigen.
Fraglich ist, ob eine andere Bewertung daher notwendig ist, da die Parteien im Zweifel eine nicht gegen § 134 verstoßende Regelung treffen wollten (So die Revision).
„Dieser Einwand berührt das genannte Auslegungsergebnis schon deshalb nicht, weil bei der nach §§ 133, 157 BGB vorzunehmenden Auslegung der Preisvereinbarung von deren Wortlaut und deren erkennbarem Sinn und Zweck auszugehen ist, ohne dass es jedenfalls bei einem danach - wie im Streitfall - eindeutigen Auslegungsergebnis noch zusätzlich darauf ankommt, ob die sich hierbei ergebende Vertragsbestimmung gesetzeskonform ist (vgl. BGH, Urteile vom 21. Oktober 2014 - II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 Rn. 15; vom 21. Januar 1957 - II ZR 147/56, WM 1957, 512 unter III). Darüber hinaus verkennt die Revision, dass das Rechtsverhältnis der Parteien untereinander von ihrem Rechtsverhältnis zum Plattformbetreiber eBay unabhängig und abweichenden Regelungen mit der Folge zugänglich ist, dass in dieser Rechtsbeziehung das individuell Vereinbarte gilt, auch wenn es mit den eBay-AGB nicht im Einklang steht (dazu vorstehend II 1 a; vgl. ferner OLG Hamm, MMR 2011, 241 f.). Letztlich steht auch die erkennbare Akzessorietät des Gebührenanspruchs der Annahme entgegen, eine zu niedrige Kaufpreisangabe könne die nach der tatsächlichen Höhe angefallene Transaktionsgebühr beeinflussen oder führe sogar zu einer (Teil-)Nichtigkeit der Preisvereinbarung und damit des Kaufvertrages.“
3 Zwischenergebnis
Zwischen den Parteien ist ein Kaufvertrag über das E-Bike zu einem Kaufpreis von 2.600 Euro zustande gekommen.
II Der Anspruch könnte jedoch teilweise bzw. vollständig untergegangen sein.
1 Erfüllung
Durch die Zahlung in Höhe von 100 € ist die Forderung teilweise erloschen.
2 Untergang im Übrigen aufgrund Anfechtung
Fraglich ist, ob der Kläger seine Annahmeerklärung wirksam angefochten hat.
Hierfür bedarf es zunächst eines Anfechtungsgrundes. In Betracht kommt vorliegend ein Inhaltsirrtum gemäß § 119 Abs. 1. Ein solcher Irrtum setzt ein Auseinanderfallen von Wille und Erklärung voraus. Der Erklärende muss also ohne dies zu bemerken gegenüber dem Erklärungsempfänger aus dessen Sicht etwas anderes zum Ausdruck gebracht haben als das, was er in Wirklichkeit erklären wollte; er hat seine Erklärung zwar so wie sie lautet auch tatsächlich abgeben wollen, sich aber über die Bedeutung, die dem Erklärten unter den gegebenen Umständen im Rechtsverkehr zukam, geirrt.
Der BGH geht davon aus, dass der Käufer sich auf den angezeigten Kaufpreis von 100 € als maßgeblich berufen wollte.
Fraglich ist, ob der Anfechtung von vornherein die behauptete fehlende vollständige Kenntnisnahme von der Beschreibung entgegensteht.
„Selbst wenn er das Angebot nicht zu Ende gelesen hätte, stünde dies einem Inhaltsirrtum nicht entgegen. Denn auch derjenige, der ein Schriftstück ganz oder teilweise ungelesen unterschrieben hat, darf anfechten, wenn er sich - wie hier - von dessen Inhalt eine bestimmte, allerdings unrichtige Vorstellung gemacht hat und dadurch bei Abgabe einer hierauf bezogenen Erklärung Erklärungsinhalt und Erklärungswille miteinander nicht im Einklang stehen (BGH, Urteile vom 27. Oktober 1994 - IX ZR 168/93, WM 1994, 2274 unter II 2 a; vom 15. Januar 2002 - XI ZR 98/01, WM 2002, 436 unter III 1 a; Beschluss vom 30. Oktober 2013 - V ZB 9/13, NJW 2014, 1242 Rn. 8; jeweils mwN).“
Ein Anfechtungsgrund liegt demnach vor.
Die Anfechtungserklärung kann hier in der bereits am Tage des Kaufs mittels E-Mail geführten Korrespondenz gesehen werden. Hieraus kann im Wege der Auslegung entnommen werden, dass der Erklärende die Willenserklärung wegen eines Willensmangels nicht gelten lassen will. Die Anfechtungserklärung erfolgte somit auch unverzüglich gegenüber dem richtigen Anfechtungsgegner im Sinne von § 121 Abs. 1.
Hinweis
Beide Elemente der Anfechtung sollten in der Klausur kurz betont werden. Es muss im Wege der Auslegung nicht nur ermittelt werden können, dass die Willenserklärung nicht mehr fortgelten soll, sondern auch deutlich werden, dass dies infolge eines Willensmangels erfolgt.
Fraglich ist, ob einer wirksamen Anfechtung jedoch der Umstand entgegensteht, dass der Kläger in erster Linie Erfüllung des Vertrags verlangt und daher ersichtlich vom Bestehen des Vertrags ausgeht. Dies wäre zumindest dann unschädlich, wenn ein Fall einer wirksamen Eventualanfechtung vorläge.
Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass Gestaltungsrechte grundsätzlich bedingungsfeindlich sind.
„Gleichwohl wird aber eine Eventualanfechtung, also eine Anfechtung für den Fall, dass das Rechtsgeschäft nicht den in erster Linie behaupteten Inhalt hat oder nicht ohnehin nichtig ist, allgemein für zulässig gehalten, weil hierin keine Bedingung im Rechtssinne zu sehen ist. Denn streiten die Parteien über die Auslegung eines Rechtsgeschäfts und will die eine Partei an den Vertrag nur gebunden sein, wenn er in ihrem Sinne ausgelegt wird, und ficht sie anderenfalls das Rechtsgeschäft vorsorglich an, ist die Anfechtungserklärung nicht von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig gemacht. Vielmehr soll die (unbedingte) Anfechtungserklärung nur für den Fall gelten, dass die Auslegung in einem der Auffassung des Anfechtenden widersprechenden Sinne erfolgt. Nur für diesen Fall will er an den Vertrag nicht gebunden sein. Die Wirkung der Anfechtung ergibt sich dann nämlich aus der künftigen gerichtlichen Klarstellung eines damals nur für die Parteien ungewissen, aber objektiv bereits bestehenden Rechtszustandes (BGH, Urteile vom 15. Mai 1968 - VIII ZR 29/66, NJW 1968, 2099 unter B III mwN; vom 28. September 2006 - I ZR 198/03, aaO).“
III. Ergebnis
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übergabe und Übereignung bzw. Schadensersatz. Der Vertrag ist infolge wirksamer Anfechtung unwirksam.