A Sachverhalt (vereinfacht):
Die Parteien streiten um Schadensersatz aus Anlass einer auf der Internet-Plattform eBay im Juni 2013 vom Beklagten durchgeführten Auktion. Der Beklagte bot unter dem Benutzerkonto "g." unter Vorgabe eines Startpreises von 1 € und einer Auktionsdauer von zehn Tagen einen gebrauchten PKW VW Golf 6 zum Verkauf an.
Die Auktion erfolgte auf der Grundlage der zu dieser Zeit maßgeblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay (im Folgenden: eBay-AGB).
Dort hieß es auszugsweise:
"[…] § 10 Auktion, Auktion mit Sofort-Kaufen-Option, Multiauktion und Angebot an unterlegene Bieter. Stellt ein Anbieter auf der eBay-Website einen Artikel im Angebotsformat Auktion ein, gibt er ein verbindliches Angebot zum Abschluss eines Vertrags über diesen Artikel ab. Dabei bestimmt der Anbieter einen Startpreis und eine Frist (Angebotsdauer), binnen derer das Angebot per Gebot angenommen werden kann.
Der Bieter nimmt das Angebot durch Abgabe eines Gebots über die Bieten-Funktion an. Das Gebot erlischt, wenn ein anderer Bieter während der Angebotsdauer ein höheres Gebot abgibt. Bei Ablauf der Auktion oder bei vorzeitiger Beendigung des Angebots durch den Anbieter kommt zwischen Anbieter und Höchstbietendem ein Vertrag über den Erwerb des Artikels zustande, […].Mitglieder dürfen den Verlauf einer Auktion nicht durch die Abgabe von Geboten unter Verwendung eines weiteren Mitgliedskontos oder durch die gezielte Einschaltung eines Dritten manipulieren. Insbesondere ist es dem Anbieter untersagt, selbst Gebote auf die von ihm eingestellten Angebote abzugeben. […]"
Die streitgegenständliche Auktion begann am 20. Juni 2013 um 7.55 Uhr. Das erste Gebot in Höhe von 1 € gab ein namentlich nicht bekannter Dritter über das Benutzerkonto "h***8" (anonymisierte Abkürzung) ab. Der Kläger gab über sein Benutzerkonto "m." im Laufe des ersten Tages der Auktionslaufzeit mehrere Gebote – beginnend mit 1,50€ - ab, durch die er zeitweise auch als Höchstbietender ausgewiesen wurde. Als einziger weiterer Bieter neben dem Kläger beteiligte sich der Beklagte in verdeckter Form selbst an der Auktion, indem er über sein weiteres Benutzerkonto "k***k" (anonymisierte Abkürzung) nacheinander eine Reihe jeweils erhöhter Maximalgebote abgab, und zwar zuletzt um 12.43 Uhr in Höhe von 17.000 €. Der Kläger bot sodann 17.500€ und war zum Zeitpunkt des Fristablaufs Höchstbietender.
Im Nachhinein erfuhr der Kläger von den Manipulationen und forderte den Beklagten auf das Fahrzeug gegen Zahlung von 1,50 € zu übergeben und zu übereignen.
Hat der Kläger einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Zug um Zug gegen Zahlung von 1,50 €?
B Leitsätze
„a) Das auf der eBay-Internetplattform mit Eröffnung der Auktion erklärte Angebot eines Anbieters ist sowohl nach § 145 BGB als auch nach den zur Erläuterung des Vertragsschlussvorgangs aufgestellten eBay-Bedingungen darauf angelegt, "einem anderen" als dem Anbieter die Schließung eines Vertrages anzutragen. Das Angebot kann deshalb nur durch einen vom Anbieter personenverschiedenen Bieter angenommen werden.
b) Das über ein zweites Mitgliedskonto unzulässig auf ein eigenes Angebot abgegebene Gebot eines Anbieters ist unwirksam und bleibt in der Reihe der abgegebenen Gebote unberücksichtigt. Ein regulärer Bieter muss es deshalb auch nicht übertreffen, um Meistbietender zu werden oder zu bleiben.
c) § 156 BGB findet auf eBay-Auktionen keine Anwendung (Bestätigung der Senatsurteile vom 7. November 2001 - VIII ZR 13/01, BGHZ 149, 129, und vom 3. November 2004 - VIII ZR 375/03, WM 2004, 2457).“
C Lösung:
I Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten könnte sich aus § 433 I 1 ergeben.
1 Vertragsschluss
Fraglich ist, ob die Parteien einen Kaufvertrag über das Fahrzeug i.H.v. 1,50€ geschlossen haben.
2 Vertragsschluss
Hierfür müssen die Parteien einen wirksamen Kaufvertrag geschlossen haben.
a Vertragsschluss nach § 156
Fraglich ist, ob ein Vertragsschluss durch Zuschlag zustande gekommen ist. Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Ansicht in der Literatur handelt es sich bei der Internet Auktion nicht um eine Versteigerung im Sinne von § 156. Insbesondere fehlt hierfür der notwendige Zuschlag.
b Vertragsschluss durch Angebot und Annahme
Hierfür müssten die Parteien aufeinander bezogene korrespondierende Willenserklärungen abgegeben haben. Ob entsprechende Willenserklärungen vorliegen und welchen Inhalt diese haben, ist im Wege der Auslegung gem. §§ 133, 157 zu bestimmen. Dabei sind ergänzend in Zweifelsfällen die AGB von eBay zur Auslegung heranzuziehen (Auslegungslösung).
Der Beklagte hat dadurch, dass er die Auktion des zum Verkauf gestellten Fahrzeugs mit einem Anfangspreis von 1 € gestartet hat, ein verbindliches Verkaufsangebot im Sinne von § 145 BGB abgegeben, welches an denjenigen gerichtet war, der zum Ablauf der Auktionslaufzeit als der nach § 148 BGB bestimmten Annahmefrist das Höchstgebot abgegeben haben würde.
Eine Annahme des Angebots könnte im Gebot von 17.500 € im Zeitpunkt des Fristablaufs liegen. Diese Willenserklärung wäre jedoch nur dann maßgeblich, wenn die vorherige Erhöhung in Höhe von 17.000 € ihrerseits wirksam wäre.
(1) Unwirksamkeit nach § 145
„Das mit Eröffnung der Auktion erklärte Angebot des Beklagten war von vornherein nur an von ihm personenverschiedene Bieter gerichtet. Denn das in § 145 BGB geregelte Angebot ist bereits definitionsgemäß darauf angelegt, die Schließung eines Vertrages "einem anderen" als dem Anbietenden anzutragen. Dies entspricht dem gängigen, auch von § 10 Abs. 1 eBay-AGB vorausgesetzten Verständnis eines Vertrages als mindestens zweiseitigem Rechtsgeschäft in Gestalt einer von zwei oder mehreren Personen erklärten Willensübereinstimmung über die Herbeiführung eines bestimmten rechtlichen Erfolges. Ein Vertrag setzt deshalb zu seiner wirksamen Entstehung begrifflich mindestens zwei zustimmende Willenserklärungen verschiedener Rechtssubjekte voraus (Senatsurteil vom 27. April 2016 - VIII ZR 323/14, WuM 2016, 341 Rn. 18 mwN; Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Aufl., Einf. v. § 145 Rn. 1; Erman/Müller, BGB, 14. Aufl., Einl. § 104 Rn. 16; Staudinger/Bork, BGB, Neubearb. 2015, Vorbem. zu §§ 145 - 156 Rn. 2). Mit diesem Erfordernis einer Personenverschiedenheit der Vertragspartner korrespondiert das Erlöschen eines solchen Schuldverhältnisses bei nachträglicher Vereinigung von Gläubiger- und Schuldnerstellung in einer Person (Konfusion; vgl. zuletzt Senatsurteil vom 27. April 2016 - VIII ZR 323/14, aaO).“
Unter Einbeziehung der eBay AGB § 10 Abs. 6 wird deutlich, dass bereits das Angebot nur an solche Personen gerichtet war, die personenverschieden sind. Daher konnte der Beklagte von vornherein nicht Adressat seines eigenen Angebots sein.
Bereits hieraus folgt die Unwirksamkeit des Eigengebots. Aus der Unwirksamkeit ergibt sich ferner die Unwirksamkeit der späteren Gebote durch den Kläger. Dieser wollte und musste das eigene Gebot des Beklagten nicht überbieten, um Höchstbietender zu werden.
(2) Unwirksamkeit wegen eBay AGB?
Hinweis
Die eBay AGB enthalten keine entsprechende Regelung mehr. Seit dem 12.3.2014 ist das Verbot nur im Hilfe-Bereich zu finden („Rules & Policies“).
Fraglich ist, ob sich eine Unwirksamkeit der eigenen Gebote schon aus den eBay AGB selbst ergibt. Während das Berufungsgericht davon ausging, dass die eBay AGB über § 10 Abs. 6 Satz 2 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 nicht die Rechtsfolge der Nichtigkeit vorsehen, sondern vielmehr die Verwarnung, Benutzungsbeschränkung oder Kontosperrung und die Gebote daher wirksam seien, geht der BGH vielmehr davon aus, dass eine solche (beschränkte) Aussage der Regelung nicht zu entnehmen ist.
Vielmehr beschränkt sich die Regelung darauf festzustellen, dass solche Manipulationen im Laufe der Auktion nicht zulässig sind.
Eine derart ungewöhnliche Folge, mit der zudem ein redlicher Bieter billigerweise auch nicht hätte rechnen müssen, hätte vielmehr einer ausdrücklichen Aussage, verbunden mit einer Regelung der damit einhergehenden Folgeprobleme für den weiteren Auktionsverlauf, bedurft.
Eine Beachtlichkeit der eigenen Gebote ergibt sich auch nicht aus der Orientierung an § 156 Satz 2. Hier ist anerkannt, dass das Übergebot, welches das vorangegangene Gebot zum Erlöschen bringe, nicht rechtswirksam sein müsse, weil im Interesse alsbaldiger Rechtsklarheit (bei Versteigerungen) der tatsächliche Hergang entscheidend sei.
Bei der Anknüpfung an § 156 geht es jedoch zu berücksichtigen, dass nach ständiger Rechtsprechung § 156 gerade keine Anwendung bei online Auktionen dieser Art findet und § 10 Abs. 1 Satz 4 eBay AGB die §§ 145ff. und nicht § 156 nachzeichnet. Für eine analoge Anwendung fehlt bereits die fehlende strukturelle Vergleichbarkeit der Sachverhalte.
Hinweis
Eine Unwirksamkeit ergibt sich auch nicht aus § 117. Hier fehlt es bereits am Zusammenwirken zwischen dem Erklärenden und dem Empfänger. Zudem ist davon auszugehen, dass der selbst Mitbietende die Wirksamkeit seiner Willenserklärung wollte. Aufgrund der bereits festgestellten Unwirksamkeit kam es auf eine Prüfung von § 162 (analog) bzw. der Anfechtung des höheren Gebots nicht mehr an.
Damit sind die weiteren Gebote (über 1,50 € hinaus) unwirksam.
3 Zwischenergebnis
Der Kläger hat das Angebot des Beklagten in Höhe von 1,50 € angenommen.
4 Unwirksamkeit des Vertrags nach § 138 Abs. 1
„Der damit zu einem Kaufpreis von 1,50 € über das angebotene Fahrzeug zustande gekommene Kaufvertrag ist ungeachtet des weit über diesem Betrag liegenden Verkehrswerts nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Umstände, aus denen auf eine verwerfliche Gesinnung des Klägers - in Bezug auf die Höhe der abgegebenen Gebote - geschlossen werden könnte, hat das Berufungsgericht - unbeanstandet - nicht festgestellt (vgl. dazu Senatsurteile vom 28. März 2012 - VIII ZR 244/10, aaO Rn. 21; vom 12. November 2014 - VIII ZR 42/14, WM 2015, 402 Rn. 9). Denn abgesehen davon, dass gerade bei einer eBay-Auktion ein Bieter nicht gehalten ist, sein Maximalgebot am mutmaßlichen Marktwert auszurichten, weil es gerade den Reiz einer Internetauktion ausmacht, den Auktionsgegenstand zu einem "Schnäppchenpreis" zu erwerben (Senatsurteil vom 12. November 2014 - VIII ZR 42/14, aaO Rn. 10), kann dem Kläger im Streitfall allein schon angesichts seines letzten Gebots von 17.000 € von vornherein nicht angelastet werden, nur zur Zahlung eines Preises weit unterhalb des Marktpreises bereit gewesen zu sein. Dass er nach dem Auktionsergebnis die Lieferung des Fahrzeugs für einen eher symbolischen Kaufpreis von 1,50 € hat beanspruchen können, beruht allein auf dem erfolglos gebliebenen Versuch des Beklagten, den Auktionsverlauf in unlauterer Weise zu seinen Gunsten zu manipulieren.“
Hinweis
Aus den gleichen Gründen ist auch eine Korrektur über § 242 abzulehnen. Eine Schutzwürdigkeit des Verkäufers ist gerade nicht ersichtlich. Er hätte den Startpreis bereits wesentlich höher ansetzen können und insbesondere die eigenen Gebote unterlassen müssen.
III. Ergebnis
Der Kläger hat einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Zug um Zug gegen Zahlung von 1,50 € aus § 433 Abs. 1 Satz 1.