A Sachverhalt:
Der betagte Kläger (K) verlangt von seinem Sohn, dem Beklagten (B) die Rückübertragung eines Grundstücks nach einem Schenkungswiderruf wegen groben Undanks.
K übertrug am 28.7.2000 mit notariellem Vertrag ein Grundstück im Wert von 4 Mio. € an B. An diesem Grundstück behielt sich K ein lebenslanges Wohnungsrecht vor.
Der B verpflichtete sich zu Ausgleichszahlungen an seine Geschwister in Höhe von insgesamt 400.000 €, die zwei oder drei Jahre nach dem Tode des K zu zahlen sind.
Nach Übertragung der Grundstücke kam es zu Streitigkeiten zwischen den Parteien. Am 7.11.2006 gab es eine zunächst verbale und schließlich körperliche Auseinandersetzung zwischen dem K und dem B. Im Rahmen der Auseinandersetzung schubste B den K und nahm sodann den auf dem Boden liegenden K in den Schwitzkasten. B handelte dabei im Affekt.
Diese Eskalation war das Ergebnis einer Vielzahl von kleineren Streitigkeiten zwischen den Parteien und ständigen Provokationen seitens des K.
Mit Schreiben vom 16.11.2006 erklärte K wegen dieser Ereignisse den Widerruf der Schenkung wegen groben Undanks.
Kann K die Rückgabe des Grundstücks verlangen?
B Lösung:
§§ 530 I, 531 I, II, 812 I S. 2 Alt. 1
Ein Anspruch aus dieser Anspruchsgrundlage käme in Betracht, wenn die Parteien einen wirksamen Schenkungsvertrag abgeschlossen hätten und der Schenker den Vertrag wirksam widerrufen hätte.
I Schenkungsvertrag
Ein Schenkungsvertrag gemäß § 516 Abs. 1 kennzeichnet sich insbesondere durch die Einigung einer unentgeltlichen Übertragung, bei der das Vermögen des Schenkers gemindert und das Vermögen des Beschenkten gemehrt wird.
1 Ausschluss der Schenkung wegen Gegenleistung?
Fraglich ist, ob eine entsprechende unentgeltliche Übertragung auch vor dem Hintergrund zur Verpflichtung zur Zahlung von Ausgleichszahlungen und dem eingeräumten Wohnrecht angenommen werden kann.
Hier gilt es zu berücksichtigen, dass eine vereinbarte Gegenleistung des Beschenkten eine Schenkung nicht grundsätzlich ausschließt. Ist den Parteien bewusst, dass die Gegenleistung nicht dem Wert der Leistung entspricht und die Unentgeltlichkeit des überschießenden Teils gewollt ist, kommt eine gemischte Schenkung in Betracht.
Im vorliegenden Fall entspricht die verabredete Ausgleichszahlung nur einem Zehntel des Grundstückswerts. Daher liegt im vorliegenden Fall eine auffallende Diskrepanz zwischen Leistung des Schenkers und der Gegenleistung des Beschenkten vor.
In solchen Konstellationen begründet diese Diskrepanz unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung die tatsächliche, widerlegbare Vermutung für einen Schenkungswillen der Parteien.
Demnach liegt eine gemischte Schenkung vor.
2 Ausschluss der Schenkung wegen Berücksichtigung des Wohnrechts?
Auch das Wohnrecht führt hier zu keinem anderen Ergebnis. Das Wohnrecht stellt keine Gegenleistung für die Zuwendung dar. Vielmehr ist dieses bloß eine Wertminderung des Schenkungsgegenstands.
Die Wertminderung durch das Wohnrecht führt auch nicht dazu, dass die vereinbarte Ausgleichszahlung der Zuwendung dem Werte nach entsprechen würde.
Hier gilt es zu berücksichtigen, dass es für die Beurteilung der Wertverhältnisse zwischen Leistung und Gegenleistung nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses oder der Übertragung des Grundstücks ankommt, sondern auf den Zeitpunkt, in dem die Ansprüche auf Gegenleistung fällig werden.
Bis zum Tod des K bestand keine Verpflichtung zur Gegenleistung in Form der Ausgleichszahlung. Nach seinem Tod würde das Wohnrecht naturgemäß erlöschen und es verbliebe bloß die Verpflichtung zur Ausgleichszahlung, welche in offensichtlicher Diskrepanz zum Wert der Zuwendung steht.
Auch sind keine Umstände ersichtlich, welche die oben genannte Vermutung widerlegen könnten. Vielmehr stellt sich die Konstellation als vorweggenommene Erbfolge dar. Demnach liegt eine gemischte Schenkung vor.
3 Anwendbare Vorschriften
Fraglich ist welche Vorschriften im Rahmen einer gemischten Schenkung zur Anwendung kommen können. Grundsätzlich kommen die Einheitstheorie und die Trennungstheorie in Betracht.
Der BGH und Teile der Literatur folgen im Hinblick auf den Widerruf der Einheitstheorie. Demnach richtet sich die Behandlung nach dem Rechtsbereich, von dem überwiegend auszugehen ist.
Wie bereits festgestellt, stellt der unentgeltliche Teil hier den Schwerpunkt dar, weshalb die §§ 516 ff. zur Anwendung gelangen.
II Widerruf der Schenkung
Der Vertrag könnte gemäß § 531 I wirksam widerrufen worden sein. Hierfür müssten die Anforderungen an den Widerruf erfüllt worden sein.
1 Anforderungen an die Erklärung
Die Bezeichnung als Widerruf ist nicht notwendig.
Der Widerruf nach § 531 I verlangt grundsätzlich auch keine umfassende rechtliche Begründung des Widerrufs. Allerdings muss die Erklärung den zugrunde liegenden Sachverhalt so weit darstellen, dass der Beschenkte ihn von anderen Geschehnissen unterscheiden, die Einhaltung der in § 532 vorgesehenen Jahresfrist beurteilen und im Umkehrschluss erkennen kann, welche gegebenenfalls anderen Vorfälle der Schenker nicht zum Anlass für die Erklärung des Widerrufs genommen hat.
Diese Voraussetzungen können im vorliegenden Fall als gegeben unterstellt werden. Laut Sachverhalt wurden die zum Widerruf führenden Vorfälle klargestellt. Es war demnach für B ausreichend erkennbar, dass gerade diese – und keine anderen – Umstände Gründe für die Loslösung vom Vertrag sein sollten.
2 Ausreichender Widerrufsgrund
Als Widerrufsgrund kommt der grobe Undank in Betracht.
a Anforderungen an den groben Undank
Dabei setzt der Widerruf einer Schenkung gemäß § 530 objektiv eine Verfehlung des Beschenkten von einer gewissen Schwere voraus. Darüber hinaus muss die Verfehlung in subjektiver Hinsicht Ausdruck einer Gesinnung des Beschenkten sein, die in erheblichem Maße die Dankbarkeit vermissen lässt, die der Schenker erwarten kann.
Ob diese beiden Voraussetzungen erfüllt sind, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Diese Umstände sind daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit erkennbar wird, dass der Beschenkte dem Schenker nicht die durch Rücksichtnahme geprägte Dankbarkeit entgegenbringt, die der Schenker erwarten darf.
Anhaltspunkte dafür, was der Schenker an Dankbarkeit erwarten kann, können neben dem Gegenstand und der Bedeutung der Schenkung auch die näheren Umstände bieten, die zu der Schenkung geführt und deren Durchführung bestimmt haben. Besondere Bedeutung kann ferner der persönlichen Beziehung zwischen Schenker und Beschenktem zukommen, vor allem dann, wenn diese von einer besonderen Verantwortlichkeit des Beschenkten gegenüber dem Schenker geprägt ist.
Die Prüfung der subjektiven Seite setzt dabei in Fällen wie im Streitfall insbesondere auch eine Auseinandersetzung mit den emotionalen Aspekten des dem Widerruf zugrunde liegenden Geschehens voraus. Hierfür kann auch von Bedeutung sein, ob der Beschenkte im Affekt gehandelt hat oder ob sich sein Verhalten als geplantes, wiederholt auftretendes, von einer grundlegenden Antipathie geprägtes Vorgehen darstellt. Anhaltspunkte für ein im Wesentlichen affektbedingtes Handeln können sich aus dem unmittelbar vorangegangenen Verhalten des Schenkers ergeben.
b Objektive Voraussetzungen
Die objektiven Voraussetzungen könnten hier mit dem besonderen Verhältnis zwischen den Parteien begründet werden. Dabei könnte der zu fordernde respektvolle Umgang mit den Eltern herangezogen werden. Dabei kann insbesondere das in-den-Schwitzkasten-nehmen des auf dem Boden liegenden Vaters als nicht zumutbare erniedrigende Handlung angesehen werden. Gerade dieser Teilaspekt der Auseinandersetzung wurde bewusst vorgenommen. Insoweit ist diesem Verhalten eine recht aggressive und feindselige Haltung zu entnehmen.
Die objektiven Voraussetzungen können daher angenommen werden.
c Subjektive Voraussetzungen
Fraglich ist, ob auch die subjektive Komponente angenommen werden kann. Hier gilt es zu berücksichtigen, dass das eingeräumte Wohnrecht eine gegenseitige Rücksichtnahme begründet. Insoweit gilt es das Verhalten beider Parteien und hier insbesondere auch die dem Sachverhalt zu entnehmenden ständigen Provokationen des K zu berücksichtigen.
Die besondere Situation (Wohnrecht) schließt nicht aus, dass Verfehlungen des B, die die gebotene Rücksichtnahme in besonderem Maße vermissen lassen, als Ausdruck groben Undanks eingestuft werden. Dies erfordert aber eine Abwägung, die diesen Aspekt in besonderem Maße Rechnung trägt.
Die bloße Provokation ist jedoch nicht generell geeignet den groben Undank abzulehnen. So muss grundsätzlich auch gegenüber Provokationen in gewissem Umfang Zurückhaltung und Nachsicht geübt werden. Das unangemessene Verhalten muss jedoch gerade Ausdruck einer subjektiv undankbaren Haltung sein. Im vorliegenden Fall liegt eine spontane, im Wesentlichen affektgesteuerte Reaktion in einer eskalierenden Auseinandersetzung vor. Auch hat der K hier in vergleichbarer Weise zur Eskalation beigetragen, auch haben die Parteien bereits in der Vergangenheit die geforderte Rücksichtnahme vermissen lassen und pflegten einen etwas raueren Umgangston. Auch dies muss im Rahmen der Gesamtbewertung einbezogen werden.
In der Gesamtbetrachtung spricht im vorliegenden Fall mehr für eine Affekthandlung im Einzelfall, welcher eine undankbare Haltung im Sinne einer ablehnenden Gesinnung nicht zugeordnet werden kann.
III Ergebnis
In Ermangelung eines Widerrufsgrunds steht dem K kein Anspruch gegen B auf Rückgabe des Grundstücks zu.