Die Untersuchungshaft wird durch Haftbefehl gem. § 114 StPO angeordnet. Zuständig für diese Entscheidung ist im Ermittlungsverfahren der Ermittlungsrichter gem. § 126 StPO. Gegen diese richterliche Entscheidung können zwei Rechtsmittel eingelegt werden: Haftbeschwerde gem. § 304 StPO und Haftprüfungsantrag gem. § 117 StPO. Aus § 117 Abs. 2 StPO ergibt sich, dass die gleichzeitige Einlegung beider Rechtsmittel nicht zulässig ist. Insofern hat der Antrag auf Haftprüfung Vorrang. Eine alternative Entscheidung für eines der beiden Rechtsmittel ist jedoch möglich.
Bei der Haftprüfung entscheidet der Richter/die Richterin, der/die den Haftbefehl erlassen hat. Bei der Beschwerde ist dies zunächst genauso. Im Falle des Nichtabhelfens wird die Bescherde jedoch weiter geleitet an das nächst höhere Gericht. Die Beschwerde hat also einen Devolutiveffekt (vgl. § 306 Abs. 2 StPO).
Gegen ein und dieselbe richterliche Entscheidung kann jedoch nur einmal Haftbeschwerde eingelegt werden. Was passiert nun aber, wenn ein Anwalt - frei von jeglicher Kenntnis oder aber gedankenlos - Monate später gegen dieselbe Haftentscheidung erneut Haftbeschwerde einlegt (bei der es sich aber nicht um eine sofortige weitere Beschwerde handelt, die gem. § 310 StPO zulässig wäre)?
Das KG Berlin (4 Ws9/16 - 141 AR 36/16, nachlesbar bei BeckRS 2016, 03503) ist großzügig und deutet diese Haftbeschwerde in einen Antrag auf Haftprüfung um. Dieser Antrag gem. § 117 StPO kann beliebig oft bezüglich derselben richterlichen Entscheidung gestellt werden. Auf einen solchen Antrag hin entscheidet der zuständige Richter (§ 126 StPO) wiederum durch Beschluss, so dass gegen diesen Beschluss erneut eine Beschwerde gem. § 304 StPO eingelegt werden kann.
Die Umdeutung gebiete nach Auffassung des KG Berlin das Prinzip des fairen Verfahrens. Eine gegen einen überholten Anfechtungsgegenstand gerichtete Haftbeschwerde sei somit nicht ohne weiteres als unzulässig zu verwerfen, sondern die Sache sei im Regelfall bei Umdeutung in einen Antrag auf Haftprüfung an den zuständigen Richter zur Durchführung der Haftprüfung abzugeben.
Letztlich wird diese Entscheidung auch dem Beschleunigungsgebot gerecht. Wäre die Beschwerde als unzulässig verworfen worden, dann hätte der Anwalt danach einen Antrag auf Haftprüfung stellen können. Gegen diese Entscheidung wiederum hätte er erneut Haftbeschwerde einlegen können.
Beide Rechtsmittel haben natürlich nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn der Erlass des Haftbefehls oder aber die Fortdauerentscheidung rechtsfehlerhaft sind. Das kann z.B. der Fall sein, wenn sich der dringende Tatverdacht gar nicht bestätigt oder aber sich in einen "nur" hinreichenden Tatverdacht umgewandelt hat oder wenn die Umstände sich geändert haben, die zur Annahme eines Haftgrundes geführt haben. Zu den Voraussetzungen der Untersuchungshaft geben die §§ 112ff StPO Auskunft, die Sie aufmerksam lesen sollten. Bei § 112 Abs. 3 StPO ist zu beachten, dass diese Norm verfassungskonform auszulegen ist, mit der Folge, dass entgegen dem Wortlaut gleichwohl ein Haftgrund gem. § 112 Abs. 2 StPO vorliegen muss, wenngleich die Begründungsanforderungen weniger hoch sind.
Nähere Ausführungen zum Thema StPO finden Sie in unserem Grundkurs GuKO SR V. Einen Auszug aus dem Skript finden Sie hier:http://www.juracademy.de/web/topic.php?id=12541.