Im vorliegenden Fall soll an dieser Stelle nur die Kunstfreiheit ins Blickfeld genommen werden. Der "Sprayer von Zürich" war ein Graffiti-Künstler, der in seinem Heimatland der Schweiz wegen Sachbeschädigung rechtskräftig verurteilt wurde. Im Rahmen des Auslieferungsverfahrens und des sich anschließenden Gerichtsverfahrens haben die deutschen Stellen nach der einschlägigen Vorschrift des § 3 Abs. 1 Internationales Rechtshilfegesetz, die beiderseitige Strafbarkeit der Taten zu prüfen.
In diesem Zusammenhang prüfte das Bundesverfassungsgericht, ob die Tätigkeit des Beschwerdeführers unter den Schutzbereich der Kunstfreiheit falle. Die von diesem selbst sowie von der Literatur entwickelten Kunstbegriffe bemühte es überraschenderweise allerdings dafür nicht. Kennen sollte man den formalen, den materiellen und den offenen Kunstbegriff. Der formale knüpft dabei an die tradierten Kunstformen, Malen, Bildhauen etc. an. Der materielle Begriff knüpft ähnlich wie der offene an eine freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht wird. Entscheidend sei dabei der Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers.
Das Anbringen von Graffiti lässt sich durchaus unter eine Kombination dieser Kunstbegriffe subsumieren. Das Bundesverfassungsgericht ist allerdings im vorliegenden Fall einen anderen Weg gegangen. Dazu muss man vorab kurz sagen, dass der "Künstler" seine Kunstwerke auf fremdes Eigentum sprayte. Zunächst stellt das Gericht abstrakt klar, dass die Kunstfreiheit ein Abwehrrecht ist, das vor Einwirkungen der öffentlichen Gewalt auf Inhalte, Methoden und Tendenzen künstlerischer Tätigkeit schützt. Diese Gewährleistung sei vorbehaltlos gewährleistet, womit das Gericht endgültig allen Ansichten zur Schrankenübertragung eine Absage erteilt. Allerdings ist das Gericht wohl der Ansicht, dass der Schutzbereich hier nicht eröffnet sei. Es führt aus, dass die Reichweite der Kunstfreiheit sich von vornherein nicht auf die eigenmächtige Inanspruchnahme oder Beeinträchtigung fremden Eigentums zum Zwecke der künstlerischen Entfaltung sei es im Werk- oder Wirkbereich erstreckt. Dogmatisch handelt es sich dabei um eine Schutzbereichsverkürzung, die nicht zwingend ist.
Zum selben Ergebnis käme man nämlich, wenn man den Schutzbereich für eröffnet ansehen würde. Dann wäre die verfassungsimmanente Schranke der Kunstfreiheit die Eigentumsfreiheit Dritter nach Art. 14 GG. Diese beiden Positionen müssten dann im Wege der praktischen Konkordanz verhältnismäßig gegeneinander abgewogen werden. Somit dient die strafrechtliche Norm der Sachbeschädigung dem verfassungsrechtlich verbürgtem Eigentumsschutz, der nicht generell hinter der Kunstfreiheit zurückzutreten hat. Würde man die Auslieferungsentscheidung als Eingriff in die Kunstfreiheit werten, so wäre dieser zumindest auch gerechtfertigt. Grundrechtsdogmatisch erscheint der zweite Wege ein wenig sympathischer. Inwieweit das Bundesverfassungsgericht heute noch einem ähnlichen Fall gleichgelagert entscheiden würde ist auch nicht wirklich klar, da die Kunstfreiheit in diesem Fall nur eine untergeordnete Rolle spielte.
Im Ergebnis blieb die Verfassungsbeschwerde ohne Erfolg.