Dazu folgender Sachverhalt: A war von der Staatsanwaltschaft angeklagt worden, sein versichertes Gebäude entweder selber oder aber durch einen Dritten abgebrannt zu haben, um den Schaden danach der Versicherung zu melden. Das Landgericht sah sich an einer Verurteilung des A wegen versuchten Betruges zum Nachteil der Gebäudeversicherung gem. § 263 I iVm III 2 Nr. 5 StGB, 22, 23 StGB gehindert, weil dieser Sachverhalt nicht Gegenstand der zugelassenen Anlkage gewesen sei. Die dagegen seitens der StA eingelegte Revision hatte Erfolg.
Bei der Bestimmung der prozessualen Tat kann man sich an dem materiell rechtlichen Tatbegriff orientieren. Stehen die Taten zueinander in Tateinheit, dann liegt für gewöhnlich auch nur eine prozessuale Tat vor. Kann hingegen Tatmehrheit angenommen werden, dann liegen für gewöhlich auch zwei prozessuale Taten vor. Wie immer gibt es jedoch von Grundsätzen auch Ausnahmen. Der vorliegende Fall stellt eine solche Ausnahme dar. Die Brandstiftungsdelikte stehen zu dem zeitlich nachfolgend verwirklichtem Versicherungsbetrug in Tatmehrheit. Gleichwohl stellen sie nach Auffassung des BGH ( 2 StR327/05 - abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de) eine prozessuale Tat dar. Der BGH führt dazu folgendes aus:
"Die Brandstiftung und die im unmittelbaren Anschluss erfolgte Inanspruchnahme der Gebäudeversicherung sind eine prozessuelle Tat im Sinne des § 264 StPO....Zwar enthält die unverändert zugelassene Anklage vom 10. August 2004 keine Angaben zu einer versuchten Täuschung der Versicherung. Die fehlende Angabe dazu hat aber gleichwohl nicht zur Folge, dass die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der Versicherung nicht Gegenstand der Anklage wäre und die Untersuchung sich nicht auf sie hätte erstrecken dürfen; denn sie bildete mit der in der Anklage beschriebenen, nach Ort und Zeit konkretisierten Brandlegung, die der Angeklagte zum Zwecke der anschließenden Täuschung der Versicherung selbst vorgenommen oder zumindest initiiert hatte, eine Tat im prozessualen Sinne.
Nach ständiger Rechtsprechung...ist die Tat als Prozessgegenstand nicht nur der in der Anklage umschriebene und dem Angeklagten dort zur Last gelegte Geschehensablauf; vielmehr gehört zu ihr das gesamte Verhalten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bildet. Auch sachlich-rechtlich selbständige Taten können prozessual eine Tat im Sinne von § 264 StPO sein. Dabei kommt es im Einzelfall darauf an, ob die einzelnen Handlungen nicht nur äußerlich ineinander übergehen, sondern auch innerlich derart unmittelbar miteinander verknüpft sind, dass der Unrechts- und Schuldgehaltder einen Handlung nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, richtig gewürdigt werden kann und ihre getrennte Würdigung und Aburteilung in verschiedenen Verfahren einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich aufspalten würde.
Die erforderliche Verknüpfung des tatbestandsmäßigen Verhaltens des Angeklagten liegt hier vor. Der Versicherungsfall war gemäß § 92 VVG umgehend anzuzeigen. Eine Verurteilung wegen Betruges würde voraussetzen, dass der Versicherer gemäß § 61 VVG (heute § 81 VVG - Anm. der Redaktion) wegen schuldhafter Herbeiführung des Versicherungsfalls von seiner Leistungspflicht frei geworden ist. Eine solche Feststellung kann in der Regel nicht ohne Untersuchung der Umstände getroffen werden, die zum Brand geführt haben. Darüber hinaus bestimmen Art und Ausmaß der Brandstiftung die Schwere eines etwaigen Betrugsvorwurfs. Schließlich kommt die enge innere Verknüpfung der Handlungen des Täters auch in § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 StGB zum Ausdruck, indem die Vorschrift für das Vortäuschen eines Versicherungsfalls als Regelbeispiel eines besonders schweren Falles des Betruges einen erhöhten Strafrahmen vorsieht.
Gegenstand der Urteilsfindung muss daher das in engem sachlichen Zusammenhang mit der Brandlegung stehende, das Vermögen der Gebäudeversicherung gefährdende und einen bestimmten historisch abgrenzbaren Lebensvorgang bildende Verhalten des Angeklagten sein."
Das LG hätte also gem. § 265 StPO einen entsprechenden rechtlichen Hinweis erteilen und danach das Geschehen mit aburteilen müssen. Würde der versuchte Versicherungsbetrug hingegen eine andere prozessuale Tat darstellen, dann hätte die StA gem. § 266 StPO eine Nachtragsanklage erheben müssen.
Weitere Ausführungen zu diesem Thema finden Sie in unserem GuKO SR V sowie in unseren ExO`s. Einen Auszug aus dem Skript finden Sie hier:http://www.juracademy.de/web/topic.php?id=12541.