Der BGH (Urteil vom 22.11.2000, AZ 3 StR 331/00 - abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de) musste sich mit folgendem Sachverhalt befassen:
Der spätere Täter A hatte sich in einer vorangegangenen Auseinandersetzung eine Verletzung am linken Bein zugezogen, die erhebliche Schmerzen und Bewegungseinschränkungen nach sich zog. Für diese Verletzung machte er das spätere Opfer O verantwortlich. Um sich zu rächen, lockte er O unter dem Vorwand eines illegalen Zigarettendeals an den Rand eines Waldgebiets. Dort wollte er O zunächst niederschlagen und ihm dann mit einer abgesägten Schrotflinte ins linke Knie schießen. Als er entsprechend diesem Plan zum Schlag ausholte, streckte ihn O, der den Angriff erkannte, mit einem mitgeführten Totschläger (Knüppel) nieder, so dass A benommen zu Boden ging. Sodann stürzte sich O mit den Worten "Du Schwein, Dich bring ich um" auf A, der nunmehr seine Schrotflinte hervorholte. Nachdem O versucht hatte, ihm diese aus der Hand zu treten, gab er mit letzter Kraft einen Schuss auf O ab, der diesen tödlich verletzte.
Der BGH stellte fest, dass sich A zunächst wegen versuchter schwerer Körperverletzung gem. §§ 223, 226 I iVm II Nr. 1, 22, 23 StGB strafbar gemacht habe, indem er zum Schlag ausholte. Die Abgabe des Schusses könnte ferner § 212 StGB verwirklichen. Der Tatbestand ist unproblematisch verwirklicht. Der Schuss könnte jedoch gem. § 32 StGB gerechtfertigt sein. Ein gegenwärtiger Angriff liegt in dem Zustürzen des O auf A. Aus den Worten "Dich bring ich um" ist zu entnehmen, dass O den A wohl töten wollte. Dieser Angriff war auch rechtswidrig, da der vorangegangene Angriff des A auf O bereits beendet war und ein neuer noch nicht unmittelbar bevorstand. Eventuell könnte man annehmen, dass seitens des A zu diesem Zeitpunkt jedoch eine Gefahr für die körperliche Unversehrtheit des O drohte. § 34 StGB rechtfertigt aber keine Tötung eines Menschen. Die Abgabe des Schusses muss alsdann erforderlich und geboten sein. Beides erscheint problematisch, da bei tödlich wirkenden Verteidigungsmitteln eine Stufenfolge einzuhalten ist (erst drohen dann schießen) und vorliegend A zudem die Notwehrsituation herbeigeführt hatte (unabsichtliche bzw. fahrlässige Notwehrprovokation) Bei der Notwehrprovokation muss der Täter zunächst Schutzwehr üben, bevor er zur Trutzwehr übergehen darf. Die Beurteilungen richten sich aber nach der sog. "Kampflage". Hier lag A am Boden und lief bereits Gefahr, die Waffe zu verlieren, da O versuchte, sie ihm aus der Hand zu treten. Er hatte damit keine andere Möglichkeit, als den Schuss zur Verteidigung abzugeben. Die unmittelbar zum Tod führende Handlung war damit gem. § 32 StGB gerechtfertigt.
Der BGH ist nun jedoch der Auffassung, dass derjenge, der eine Notwehrlage vorwerfbar herbeiführt, wegen dieses provozierenden Vorverhaltens aus einer entsprechenden Fahrlässigkeitstat bestraft werden könne, in diesem Fall § 222 StGB durch das Ausholen zum Schlag. Zwar könne nicht ein und dieselbe Handlung sowohl rechtmäßig als auch rechtswidrig sein. Etwas anderes gelte aber dann, wenn auf ein vor dieser Handlung liegendes, rechtswidriges Verhalten abgestellt werden könne. Der BGH führt dazu aus: "Wer durch ein rechtswidriges Vorverhalten die Gefahr einer tätlichen Auseinandersetzung mit tödlichem Ausgang herbei geführt hat, kann auch dann wegen fahrlässiger Tötung bestraft werden, wenn er den zum Tode führenden Schuss in Notwehr abgibt."
Damit erkennt der BGH die Rechtsfigur der actio illicita in causa an, die in der Literatur überwiegend abgelehnt wird. Das Problem ist, dass der Eintritt ein und derselben Erfolgsunwerts - Tod eines Menschen - einmal über § 32 StGB erlaubt und zugleich über § 222 StGB verboten sein soll. Dies wird von der Literatur als wertungswidersprüchlich angesehen.
Diesen Klausurklassiker können Sie nachlesen in unserem GuKO SR I sowie in unseren ExO`s.