Dem Beschluss des BGH vom 18.07.2013 (4 StR 168/13 – abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de) lag folgender Sachverhalt zugrunde:
A lernte während eines Urlaubs im Jahr 2010 die V kennen. Sie hielten auch nach dem Urlaub Kontakt, ohne sich regelmäßig zu treffen oder eine Beziehung einzugehen. Nachdem V sich durch A immer mehr vereinnahmt fühlte, teilte sie dem A mit, dass sie keinen Kontakt mehr wünsche und löschte ihn von seiner Freundesliste bei facebook. In der Folgezeit kam es zu mannigfaltigen Kontaktversuchen des A via facebook und durch Briefe, auch an den damaligen Lebensgefährten und die Eltern der V. Darin verlangte A unter zahlreichen Androhungen, sie ansonsten „fertig zu machen“, dass V ihn wieder ihrer Freundesliste hinzufüge, sich bei ihm entschuldige und ihm ein Armband zurückgeben, welches er ihr geschickt hatte. Tatsächlich kam es im August 2011 auch zu einer von A veranlassten Sachbeschädigung am Elternhaus der V.
Das Verhalten des A führte bei V zu einer „kurzen reaktiven depressiven Erkrankung“, die sich darin äußerte, dass V unter Schlafstörungen und Leistungseinbußen litt und sich hilf- und kraftlos fühlte. Vorübergehend war sie zudem nicht mehr in der Lage, ihrer Arbeit als Flugbegleiterin nachzugehen. Nach der Sachbeschädigung am Elternhaus meldete sie sich aus Angst krank, litt unter Migräne, Weinkrämpfen und Herzrasen und begab sich in psychologische Behandlung. Sie schränkte ihre sozialen Kontakte ein und achtete auf der Straße darauf, ob ihr jemand folgte. Auch beim Umfeld der V kam es zu psychischen Beeinträchtigungen.
Das LG Dortmund verurteilte A wegen Nachstellung gem. § 238 StGB und u.a. aber auch wegen Körperverletzung gem. § 223 StGB an V und an den weiteren Betroffenen. Hinsichtlich der Körperverletzungen hob der BGH das Urteil auf. Er führt dazu folgendes aus:
„Als Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB ist jedes Hervorrufen oder Steigern eines vom Normalzustand der körperlichen Funktionen des Opfers nachteilig abweichenden Zustandes anzusehen. Dabei kommt es nicht darauf an, auf welche Art und Weise die Beeinträchtigung er-folgt ist … Rein psychische Empfindungen genügen bei keiner Handlungsalternative, um einen Körperverletzungserfolg gemäß § 223 Abs. 1 StGB zu begründen …Wirkt der Täter auf sein Opfer lediglich psychisch ein, liegt eine Körperverletzung daher erst dann vor, wenn ein pathologischer, somatisch-objektivierbarer Zustand hervorgerufen worden ist, der vom Normalzustand nachteilig abweicht…Bloß emotionale Reaktionen auf Aufregungen, wie etwa starke Gemütsbewegungen oder andere Erregungszustände, aber auch latente Angstzustände, stellen keinen pathologischen Zustand und damit keine Gesundheitsbeschädi-gung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB dar.“
Vor diesem rechtlichen Hintergrund hält nach Auffassung des BGH die Verurteilung wegen einer Körperverletzung auch zum Nachteil der am schwersten betroffenen V einer Überprüfung nicht stand:
„Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann zwar eine „massive“ depressive Verstimmung bei Hinzutreten weiterer Umstände den Körperverletzungstatbestand erfüllen (BGH, Beschluss vom 15. September 1999 – 1 StR 452/99, NStZ 2000, 25). Die vom Landgericht im Rahmen der rechtlichen Würdigung allein herangezogene „kurze reaktive depressive Er-krankung aufgrund äußerer Belastung“… erfüllt diese Voraussetzungen jedoch nicht.
Soweit die Strafkammer an anderer Stelle dargelegt hat, dass die Zeugin sich hilflos und kraftlos sowie psychisch nicht dazu in der Lage fühlte zu arbeiten …, fehlt es an einem objektivierbaren Körperverletzungserfolg… Gleiches gilt für die nicht näher konkretisierten „Migräneanfälle“, zu denen sich die bereits vor dem Verhalten des Angeklagten vorhandenen „normalen Kopfschmerzen“ gesteigert haben sollen. Weinkrämpfe und Herzrasen können ebenfalls eine normale körperliche Reaktion auf die mit einer Bedrohungssituation verbundenen Aufregungen unterhalb der Erheblichkeitsschwelle des § 223 StGB darstellen (zur fehlenden Tatbestandsmäßigkeit von „Herzklopfen“ bzw. „Herzrasen“ vgl. OLGKöln, NJW 1997, 2191, 2192; NK-StGB/Paeffgen, § 223 Rn. 11a; Smischek, Stalking, 2006, S. 215). Schließlich ergibt sich auch aus dem Umstand, dass die Zeugin sich in psychologische Behandlung begeben hat und „in der nahen Zukunft“ eine Gesprächstherapie geplant sei…, nicht in einer für das Revisionsgericht überprüfbaren Weise, dass im maßgeblichen Zeitpunkt ein Körperverletzungserfolg vorgelegen hat; ebenso wenig aus der nicht aussagekräftigen Feststellung, dass „zu diesem Zeitpunkt“ eine „Anpassungsstörung mit emotionaler Symptomatik“ vorgelegen habe.
Weitere interessante Ausführungen dazu finden Sie in unseren ExO`s und im GUKO SR II. Einen Auszug aus dem Skript finden Sie hier:http://www.juracademy.de/web/topic.php?id=12533.