Der inhaftierte A wurde in einem Ermittlungsverfahren u.a. wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland gem. § 129b StGB von seinem Pflichtverteidiger RA K vertreten. Nachdem K den Angeklagten 6 mal besucht hatte, verweigerte dieser nach Zustellung der Anklageschrift weitere Besuche und beantragte, die Bestellung des K zurückzunehmen und RA Dr. A zum Verteidiger zu bestellen. Er führte aus, dass er sich von RA K nicht mehr ausreichend verteidigt fühle. Da die Frist zur Stellungnahme zur Anklageschrift ablief, fertigte K einen Schriftsatz ohne diesen zuvor mit dem Angeklagten oder RA Dr. A abgesprochen zu haben und reichte ihn bei Gericht ein. Dieser Schriftsatz enthielt auch Anhaltspunkte zur späteren Verteidigungsstrategie. RA K führte später dazu aus, dass er aufgrund der 6 Vorgespäche mit seinem Mandanten dazu inhatlich in der Lage gewesen sei.
Die Rücknahme der Verteidigerbestellung ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. § 143 StPO regelt lediglich die Rückahme der Bestellung eines Pflichtverteidigers für den Fall, dass ein Wahlverteidiger übernehmen soll. Gleichwohl ist anerkannt, dass eine Rücknahme zulässig ist, wenn Umstände vorliegen,..."die den Zweck der Verteidigerbestellung, dem Beschuldigten einen geeigneten Beistand zu sichern sowie den geordneten Ablauf des Verfahrens zu gewährleisten, ernsthaft (gefährden). Dies (ist) insbes. der Fall, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen dem Angekl. und dem bestellten Verteidiger endgültig und nachhaltig erschüttert und daher zu besorgen (ist), dass die Verteidigung objektiv nicht mehr sachgerecht geführt werden (kann). Das (ist)vom Standpunkt eines vernünftigen und verständigen Angekl. aus zu beurteilen."
Das Vorliegen dieser Voraussetzungen wurde vom OLG im vorliegenden Fall mit folgender Begründung bejaht:
"Ein derartiger Fall liege hier vor. Zwar genüge es nicht, dass sich A nicht verteidigt fühle und deswegen keine Gespräche mehr mit RA K. führe. Andernfalls hätte es A in der Hand, jederzeit einen Widerruf der Verteidigerbestellung herbeizuführen. Allerdings spreche das Verhalten von RA K. nach Kenntnisnahme der weiteren Verteidigung durch RA Dr. A. dafür, dass tatsächlich eine endgültige und nachhaltige Erschütterung des Vertrauensverhältnisses vorliege. Denn RA K. habe eine Stellungnahme zur Anklageschrift abgegeben, die nicht mit A abgesprochen gewesen sei. Aufgrund des Umstands, dass RA K. unabgesprochen Stellung genommen habe, müsse A den Eindruck gewinnen, dass der Verteidiger seine Interessen nicht in ausreichendem Maße vertrete....Vielmehr enthalte die Stellungnahme tatsächliche Einlassungen, die weder mit A noch mit RA Dr. A. abgestimmt gewesen seien. Diese tatsächlichen Einlassungen zeigten die Verteidigungslinie des A auf. Wenn diese Verteidigungslinie jedoch nicht abgesprochen sei, müsse A die Befürchtung haben, der Verteidiger werde auch in der Hauptverhandlung ohne Absprache mit ihm agieren. Dies begründe die endgültige und nachhaltige Erschütterung des Vertrauensverhältnisses und stelle damit einen wichtigen Grund für den Widerruf der Bestellung von RA K. dar."
Im Unterschied zum NSU Verfahren war hier sicherlich auch von Bedeutung, dass die Hauptverhandlung noch nicht begonnen hatte und durch die Rücknahme der Verteidigerbestellung und Neubestellung des RA Dr. A keine wesentliche Verfahrensverzögerung zu befürchten war.