Unabhängig von Einzelfragen, ist im Rahmen der Prüfung von Eheverträgen zunächst wichtig die Prüfung streng nach Wirksamkeit und Ausübungskontrolle einer vertraglichen Abrede zu trennen. Das ist an sich keine familienrechtliche Besonderheit, wird vom BGH aber besonders betont und sollte (ähnlich übrigens wie im Arbeitsrecht) mit besonderer begrifflichen Sorgfalt vorgenommen werden.
In BGH Az. XII ZR 48/11 heißt es bei Rn. 34 dazu: „Soweit die Regelungen eines Ehevertrages ganz oder - wie hier - bezüglich der streitbefangenen Scheidungsfolge der Wirksamkeitskontrolle standhält, muss der Richter im Rahmen einer Ausübungskontrolle prüfen, ob und inwieweit es einem Ehegatten nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt ist, sich auf eine ihn begünstigende Regelung zu berufen. Entscheidend ist insofern, ob sich im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige, unzumutbare Lastenverteilung ergibt. Hält die Berufung eines Ehegatten auf die getroffene Regelung der Ausübungskontrolle nicht stand, so führt dies weder zur Unwirksamkeit des Ausschlusses der gesetzlichen Scheidungsfolge noch dazu, dass die gesetzliche Regelung in Vollzug gesetzt wird. Der Richter hat vielmehr diejenige Rechtsfolge anzuordnen, die den berechtigten Belangen beider Parteien in der eingetretenen Situation in ausgewogener Weise Rechnung trägt (vgl. grundlegend Senatsurteil BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601, 606). Auch die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) können dabei auf Eheverträge Anwendung finden, wenn und soweit die tatsächliche Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse von derjenigen ursprünglichen Lebensplanung abweicht, welche die Ehegatten dem Ehevertrag zugrunde gelegt haben (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 2. Februar 2011 - XII ZR 11/09 - FamRZ 2011, 1377 Rn. 16).“
In einem ersten Schritt untersucht der BGH demnach die Wirksamkeit des den Zugewinnausgleich modifizierenden Ehevertrages. Voraussetzung dafür ist neben den allgemeinen Vertragsgrundsätzen vor allem die Form des § 1410 BGB, der aber selten Probleme bereitet. Wichtig kann die Norm aber sein, wenn ein Ehegatte im Nachhinein behauptet, man habe sich während der Ehe mündlich darauf geeinigt auf Ausgleichsforderungen im Scheidungsfall zu verzichten. Eine solche Abrede ist entweder als vertragliche Änderung wegen des Formverstoßes unwirksam, oder aber – wenn die Abrede als Verfügung iSe Verzichts verstanden wird – gem. § 1378 Abs. 3 Satz 3 BGB.
Große Bedeutung hat im Rahmen der Wirksamkeitsprüfung § 138 BGB. Hier hat der BGH die sog. Kernbereichslehre etabliert:
„Die Belastungen des einen Ehegatten werden dabei umso schwerer wiegen und die Belange des anderen Ehegatten umso genauerer Prüfung bedürfen, je unmittelbarer die vertragliche Abbedingung gesetzlicher Regelungen in den Kernbereich des Schei- dungsfolgenrechts eingreift. Zu diesem Kernbereich gehört in erster Linie der Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB). Im Übrigen wird man eine Rangabstufung vornehmen können, die sich vor allem danach bemisst, welche Bedeutung die einzelnen Scheidungsfolgenregelungen für den Berechtigten in seiner jeweiligen Lage haben.“ (BGH Az. XII ZR 48/11 Rn. 16)
Der BGH stellt aber sodann klar, dass das Regelungen über den Zugewinnausgleich einer vertraglichen Gestaltung weitestgehend offen stehen. Sinn und Zweck des gesetzlichen Zugewinnausgleichs sei es, dass der verfassungsmäßig verbürgte Gleichrang von Familien – wie Erwerbsarbeit gesichert sei. Über diese Sicherung allerding, würden die gesetzlichen Regelungen mit dem Leitbild der Alleinverdienerehe deutlich hinausgehen. Ein starres Festhalten an diesen Regelungen, würde zum einen bedeuten, die Gestaltungsfreiheit einer jeden Ehe zu vernachlässigen, zum anderen und vor allem aber, die gesetzliche vorgegebene Vertragsfreiheit übermäßig einzuschränken.
Anders beurteilt der BGH allerdings die vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen des Versorgungsausgleichs: „Der Senat hat den Versorgungsausgleich - anders als den Zugewinnausgleich - dem Kernbereich der Scheidungsfolgen zugeordnet. Als vor- weggenommener Altersunterhalt steht der Versorgungsausgleich einer vertrag- lichen Gestaltung nur begrenzt offen, so dass Vereinbarungen über ihn nach denselben Kriterien geprüft werden müssen wie ein vollständiger oder teilweiser Unterhaltsverzicht (Senatsurteil BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601, 605 und Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2004 - XII ZB 57/03 - FamRZ 2005, 185, 187). Die hochrangige Bedeutung des Versorgungsausgleichs innerhalb des Systems der Scheidungsfolgen rechtfertigt sich auch daraus, dass die Ansammlung von Vorsorgevermögen - gerade in den Regelsicherungssystemen - wirtschaftlichen Dispositionen der Ehegatten weitgehend entzogen und auch auf diese Weise sichergestellt ist, dass das gebildete Vermögen entsprechend seiner Zweckbestimmung für die Absicherung bei Alter oder Invalidität tatsächlich zur Verfügung steht.“
(BGH Az. XII ZR 48/11 Rn. 21)
Unabhängig von dieser Kernbereichslehre ist aber immer eine umfassende Beurteilung des Einzelfalles vorzunehmen. Hier orientiert sich auch die Rechtsprechung im Familienreicht an anerkannten Fallgruppen der allgemeinen Zivilrechtsdogmatik: Zu beurteilen ist insbesondere ob eine krasse ungleiche Verhandlungssituation bei Vertragsschluss gegeben war – diese kann sich etwa aus totaler Unerfahrenheit in vermögensrechtlichen Angelegenheiten oder einer besonderen finanziellen oder emotionalen Drucksituation auf einen Vertragspartner ergeben.
Wird all das abgelehnt, der Vertrag also für wirksam erachtet, muss geprüft werden, ob nicht die Berufung auf die vertraglichen Folgen im Einzelfall treuwidrig wäre. Hier ist anders als im Rahmen von § 138 BGB nicht nach einer Benachteiligung einer Person bei Vertragsschluss, sondern in der Gegenwart zu prüfen. Hier darf allerdings nicht der Fehler gemacht werden, erneut eine abstrakte Prüfung vorzunehmen – es ist im Einzelfall darauf zu schauen, ob die Entwicklung der Vermögensverhältnisse einen gänzlich anderen Verlauf genommen hat, als die Parteien es bei Vertragsschluss vorhergesehen oder zumindest für möglich gehalten haben. Das kann soweit führen, dass die Parteien ehevertraglich einen Gegenstand aus der Berechnung eines Zugewinnausgleichs ausnehmen und deshalb der andere Ehegatte ausgleichspflichtig wird.
„Ebenso wenig ist aus Rechtsgründen etwas dagegen zu erinnern, dass das Beschwerdegericht in der Umkehr der Ausgleichsrichtung, also der über den Verlust eines möglichen Anspruchs auf Zugewinn hinausgehenden Verpflichtung, seinerseits der Antragsgegnerin einen Zugewinnausgleich zu zahlen, keine einseitige, unzumutbare Lastenverteilung gesehen hat, die im Rahmen der Ausübungskontrolle zu einer Modifikation der vertraglichen Regelung führen müsste.
Zu beachten ist dabei, dass die ohne Berücksichtigung der von den Beteiligten getätigten Investitionen eingetretene Wertsteigerung keinen Zugewinn darstellt, zu dem der andere Ehegatte beigetragen hat (vgl. Senatsurteil vom 21. November 2012 XII ZR 48/11 FamRZ 2013, 269 Rn. 19). Zwar beruht die weitergehende Wertsteigerung auch auf den vom Antragsteller erbrachten Leistungen. Gleichwohl führt dieser Umstand nicht zu einer einseitigen, unzumutbaren Lastenverteilung. Soweit das Beschwerdegericht in diesem Zusammenhang darauf abgestellt hat, dass der Verzicht angesichts des langjährigen Wohnens des Antragstellers im Anwesen seiner Schwiegereltern nicht ohne Kompensation geblieben ist, ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Wenn der Antragsteller bei dieser Sachlage einerseits ausdrücklich auf Aufwendungsersatzansprüche verzichtet, sich deshalb außerhalb des Zugewinnausgleichs also nicht schadlos halten kann, und andererseits nicht auf die Aufnahme einer Verzichtsklausel in den Vertrag zu Lasten des vermögenderen Ehegatten hinwirkt, um eine Umkehr der Ausgleichsrichtung zu vermeiden, ist das Ausfluss der grundgesetzlich geschützten Vertragsfreiheit und einer Korrektur über die Ausübungskontrolle nach § 242 BGB nicht zugänglich.“
(BGH Az. XII ZB 143/12 Rn. 26f)
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