Sachverhalt (vereinfacht):
K kaufte im Jahr 2002 von V einen PKW für 20.000 € für gewerbliche Zwecke. Nach Lieferung des PKW kaufte K Zusatzausrüstung für das Fahrzeug (Stoßfänger des Fahrzeugs lackiert, Leichtmetallfelgen und Breitreifen montiert sowie Schmutzfänger, einen Tempomat, ein Autotelefon und ein eingebautes Navigationssystem; ferner schaffte K Fußmatten für das Fahrzeug an) für insgesamt 5000 €. K trug ferner die für die Überführung des Fahrzeugs notwendigen Kosten in Höhe von 100 €. Ein Jahr später erklärte K wirksam den Rücktritt vom Kaufvertrag aufgrund verschiedener Mängel. Zu diesem Zeitpunkt hatte K bereits 50.000 km mit dem Fahrzeug zurückgelegt. Daneben verlangt K Ersatz der zur Feststellung der Mängel notwendigen Gutachterkosten. Der Anspruch auf Gutachterkosten wurde bereits rechtskräftig festgestellt. Die typische Nutzungsdauer des PKW ist mit 5 Jahren anzusetzen.
V macht geltend, dass die Aufwendungen zumindest nicht vergeblich sind, da die eingebauten Einzelteile auch in einem anderen Fahrzeug Verwendung finden könnten.
Besteht ein Anspruch des K auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen nach Rückabwicklung des Vertrags aus § 284?
Bearbeitervermerk: Vom Vorliegen der Voraussetzungen des Schadensersatzes statt der Leistung dem Grunde nach kann ausgegangen werden
Leitsätze:
„Der Käufer einer mangelhaften Sache hat auch dann gemäß § 284 BGB Anspruch auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen, wenn er wegen des Mangels vom Kaufvertrag zurücktritt. Der Anspruch ist nicht gemäß § 347 Abs. 2 BGB auf den Ersatz notwendiger Verwendungen oder solcher Aufwendungen beschränkt, durch die der Verkäufer bereichert wird.
284 BGB erfasst auch Aufwendungen für kommerzielle Zwecke.
Aufwendungen des Käufers auf eine gekaufte Sache, die sich später als mangelhaft erweist, sind in der Regel vergeblich, wenn der Käufer die Kaufsache wegen ihrer Mangelhaftigkeit zurückgibt oder sie jedenfalls nicht bestimmungsgemäß nutzen kann und deshalb auch die Aufwendungen nutzlos sind.
Kosten, die dem Käufer eines Kraftfahrzeugs für dessen Überführung und Zulassung entstehen, sind Aufwendungen im Sinne des § 284 BGB. Wird der Kauf wegen Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs rückabgewickelt, nachdem der Käufer das Fahrzeug zeitweise genutzt hat, so mindert sich der Anspruch auf Ersatz auch dieser Aufwendungen entsprechend der Nutzungsdauer oder der Laufleistung des Fahrzeugs.“
Lösung:
A. Anspruch des K auf Aufwendungsersatz in Höhe von 5100 € aus §§ 437 Nr. 3, 284 in Verbindung mit dem Schadensersatz statt der Leistung.
I. Anwendbarkeit
Fraglich ist ob § 284 im vorliegenden Fall Anwendung findet.
1. Anwendbarkeit neben § 347 Abs. 2
Fraglich ist, ob § 284 auch im Falle eines Rücktritts Anwendung findet. Der Anwendbarkeit könnte § 347 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 entgegenstehen. Insoweit könnte hierin eine abschließende Regelung für den Aufwendungsersatz im Falle eines Rücktritts gesehen werden.
Laut Sachverhalt ist K wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten. Demnach besteht ein Anspruch aus § 346 Abs. 1 in Verbindung mit § 348 auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs, demnach findet auch § 347 II Anwendung.
„§ 347 Abs. 2 BGB bestimmt, dass im Falle des Rücktritts Aufwendungen nur zu ersetzen sind, soweit sie notwendige Verwendungen darstellen oder der andere Teil durch sie bereichert ist. Die Bestimmung mag als abschließende Regelung anzusehen sein, soweit Aufwendungen allein als Folge eines Rücktritts - im Rahmen und auf der Grundlage eines Rückgewährschuldverhältnisses nach §§ 346 ff. - ersetzt verlangt werden. Hat der Gläubiger aber, (…) daneben (§ 325 BGB) Anspruch auf Schadens- oder Aufwendungsersatz, so tritt dieser Anspruch - hier in Gestalt der Alternative Aufwendungsersatz - neben den Aufwendungs- und Verwendungsersatzanspruch nach § 347 Abs. 2 BGB (Staudinger/Kaiser, BGB (2004), § 347 Rdnr. 62; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 347 Rdnr. 4). Die gegenteilige Auffassung der Revision liefe im Ergebnis darauf hinaus den Gläubiger, der wegen einer Pflichtverletzung des Schuldners vom Vertrag zurücktritt und zugleich nach § 284 BGB - anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung - den Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangt, schlechter zu stellen, als wenn er vom Rücktritt abgesehen und sich auf das Aufwendungsersatzbegehren beschränkt hätte. Diese dem früheren Recht entsprechende Alternativität von Rücktritt und Schadens- oder Aufwendungsersatz soll durch die Regelung des § 325 BGB aber gerade überwunden werden (Begründung zum Koalitionsentwurf des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, BT-Drucks. 14/6040, S. 188).“
Demnach steht die Regelung aus § 347 Abs. 2 der Anwendung von § 284 nicht entgegen.
2. Anwendbarkeit auf kommerzielle Verträge
Fraglich ist ob § 284 auch auf kommerzielle Verträge Anwendung findet. Dies könnte dem ursprünglichen gesetzgeberischen Willen widersprechen.
„Der Anwendungsbereich des § 284 BGB ist auch nicht auf den Ersatz solcher Aufwendungen beschränkt, mit denen - anders als im vorliegenden Fall - nichtkommerzielle (ideelle oder konsumptive) Zwecke verfolgt werden. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Vorschrift des § 284 BGB nicht allein eine Gesetzeslücke schließen, indem sie auch für derartige Aufwendungen einen Ersatzanspruch statuiert, sondern darüber hinaus die früher unter Schadensersatzgesichtspunkten erforderliche, auf der sogenannten Rentabilitätsvermutung beruhende Unterscheidung zwischen Aufwendungen für kommerzielle und solchen für andere Zwecke überflüssig machen (BT-Drucks. 14/6040, S. 142 ff., 144). § 284 BGB ist daher Anspruchsgrundlage auch für den Ersatz solcher Aufwendungen, die für kommerzielle Zwecke getätigt worden sind. Dies entspricht auch der inzwischen einhelligen Auffassung des Schrifttums (MünchKommBGB/Ernst, 4. Aufl., Bd. 2 a, § 284 Rdnr. 5; Grüneberg in Bamberger/Roth, BGB, § 284 Rdnr. 3; Staudinger/Otto aaO § 284 Rdnr. 13; Erman/H.P. Westermann, BGB, 11. Aufl., § 284 Rdnr. 2; Palandt/Heinrichs aaO § 284 Rdnr. 4; S. Lorenz, NJW 2004, 26, 27; Gsell in Dauner-Lieb/Konzen/Karsten Schmidt, Das neue Schuldrecht in der Praxis, 2003, S. 321, 324).“
3. Anwendbarkeit neben dem Schadensersatz neben der Leistung
Fraglich ist, ob § 284 auch dann Anwendung finden kann, wenn daneben ein Anspruch auf Schadensersatz begehrt wird. Hier begehrt K neben dem Aufwendungsersatz auch Schadensersatz wegen der entstandenen Gutachterkosten.
„Der Aufwendungsersatzanspruch nach § 284 BGB ist schließlich auch nicht deswegen verwehrt, weil K hinsichtlich der Erstattung der Kosten des außergerichtlich eingeholten Beweissicherungsgutachtens einen - von der Beklagten anerkannten und ihr bereits durch das landgerichtliche Urteil rechtskräftig zugesprochenen - Schadensersatzanspruch geltend gemacht habe. Richtig ist allerdings, dass § 437 Nr. 3 BGB bei oberflächlicher Betrachtung den Anschein erwecken mag, der Käufer könne wegen eines Mangels der Kaufsache entweder nur Schadensersatz oder nur Aufwendungsersatz verlangen. § 284 BGB grenzt demgegenüber das Alternativverhältnis konkreter und sachgerecht ein: Aufwendungsersatz ist eine Alternative allein zum Schadensersatz statt der Leistung, nicht zum Schadensersatz schlechthin. Bezweckt wird mit dieser Alternativstellung, dass der Geschädigte wegen ein und desselben Vermögensnachteils nicht sowohl Schadensersatz statt der Leistung als auch Aufwendungsersatz und damit doppelte Kompensation verlangen kann (statt aller: Staudinger/Otto aaO § 284 Rn. 1). Daraus folgt, dass der von der Klägerin geltend gemachte und ihr zuerkannte Anspruch auf Ersatz der Gutachterkosten dem hier zu beurteilenden Aufwendungsersatzanspruch schon deswegen nicht entgegenstehen kann, weil die Gutachterkosten nicht Gegenstand des Aufwendungsersatzanspruchs sind. Außerdem ist der Anspruch auf Ersatz der Kosten des außergerichtlich eingeholten Beweissicherungsgutachtens nicht auf Schadensersatz statt der Leistung, sondern auf Schadensersatz "neben der Leistung" (§ 280 Abs. 1 BGB) gerichtet, der schon seiner Art nach nicht in einem Alternativverhältnis zum Aufwendungsersatz nach § 284 BGB steht.“
Demnach steht das Schadensersatzbegehren der Anwendbarkeit von § 284 im vorliegenden Fall nicht entgegen.
II. Voraussetzungen des SE statt der Leistung
Vom Vorliegen der Voraussetzungen des Schadensersatzes statt der Leistung kann laut Sachverhalt ausgegangen werden.
III. Voraussetzungen von § 284
Nach § 284 sind vergebliche Aufwendungen zu ersetzen, die der Gläubiger im Vertrauen auf den Erhalt der Leistungen gemacht hat und billigerweise machen durfte, es sei denn, der mit den Aufwendungen verfolgte Zweck wäre auch ohne die Pflichtverletzung des Schuldners nicht mehr erreicht worden.
Fraglich ist, ob die Überführungskosten in Höhe von 100 € als Aufwendungen im Sinne von § 284 angesehen werden können.
„Die Kosten für die Überführung und die Zulassung eines Neuwagens zählen zu den Vertragskosten (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 8. Aufl., Rdnr. 348), deren Ersatzfähigkeit vor der Schuldrechtsmodernisierung für Gewährleistungsfälle im Kaufrecht in § 467 Satz 2 BGB a.F. gesondert geregelt war. Diese Regelung hat der Gesetzgeber im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung gestrichen. Vertragskosten sind jetzt als Aufwendungen zu behandeln, die der Käufer unter den dort genannten Voraussetzungen nach § 284 BGB ersetzt verlangen kann (BT-Drucks. 14/6040, S. 143; Palandt/Heinrichs aaO § 284 Rdnr. 6; Staudinger/Otto aaO § 284 Rdnrn. 2, 25; Ernst aaO § 284 Rdnr. 16; Grüneberg aaO § 284 Rdnr. 8).“
Demnach können sowohl in den Finanzierungskosten und den Kosten für die eingebauten Einzelteile Aufwendungen im Sinne von § 284 gesehen werden.
Fraglich ist wie sich der Einwand des V auswirkt, die eingebauten Einzelteile könnten auch in einem anderen Fahrzeug Verwendung finden und seien daher nicht vergeblich.
Vergebliche Aufwendungen sind freiwillige Vermögensopfer, die der Gläubiger im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung erbracht hat, die sich aber wegen der Nichtleistung oder der nicht vertragsgerechten Leistung des Schuldners als nutzlos erweisen.
„Aufwendungen des Käufers auf eine gekaufte Sache, die sich später als mangelhaft herausstellt, sind demnach in der Regel vergeblich, wenn der Käufer die Kaufsache wegen ihrer Mangelhaftigkeit zurückgibt oder sie jedenfalls nicht bestimmungsgemäß nutzen kann und deshalb auch die Aufwendungen nutzlos sind. Denn Eigentum, Besitz und Nutzung einer mangelfreien Kaufsache sind die Leistung, auf deren Erhalt der Käufer vertraut und die er zum Anlass für Aufwendungen auf die Kaufsache nimmt. Ob Zubehörteile, die der Käufer in das später wegen Mangelhaftigkeit zurückgegebene Fahrzeug hat einbauen lassen, für ihn anderweit verwendbar wären, ist für die Ersatzpflicht des Verkäufers grundsätzlich ohne Bedeutung.“
Demnach ist es unschädlich, dass gegebenenfalls bestimmte eingebaute Teile auch anderweitig verwendet werden könnten.
Die Aufwendungen wurden zudem im Vertrauen auf die Ordnungsgemäßheit der Leistung getätigt und durften billigerweise vorgenommen werden. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich die Aufwendungen auch bei ordnungsgemäßer Leistung als nicht zweckdienlich erwiesen hätten. Demnach besteht ein Anspruch auf Aufwendungsersatz dem Grunde nach.
IV. Anspruchskürzung
Fraglich ist, ob der Anspruch daher zu kürzen ist, da das Kfz über ein Jahr hinweg verwendet wurde. Insoweit kommt eine zeitanteilige Kürzung in Höhe von 20 % in Betracht.
Fraglich ist, ob die zeitanteilige Kürzung hier auch für die Überführungskosten anzusetzen ist.
Der Umstand, dass die Aufwendungen der Klägerin für Überführung und Zulassung "einmalig angefallen und verbraucht" seien, ist kein taugliches Abgrenzungskriterium im Hinblick auf die Frage, ob die Klägerin für die Dauer der Nutzung des mangelhaften Fahrzeugs auch aus diesen Aufwendungen zeitanteilig einen Nutzen gezogen hat. Was den einmaligen Anfall angeht besteht kein Unterschied zu den Aufwendungen für die Beschaffung von Zubehör. Dass die Aufwendungen für Überführung und Zulassung - nach der Vorstellung des Berufungsgerichts offenbar mit Abschluss des Überführungs- und Zulassungsvorgangs - "verbraucht" seien, trifft nur insoweit zu als diesen Aufwendungen - anders als einer Zusatzausstattung - kein körperlich nutzbarer Gegenwert gegenübersteht. Dessen ungeachtet profitiert der Fahrzeugkäufer auch nach Beendigung des Überführungs- und Zulassungsvorgangs von den dafür aufgewendeten Kosten, denn ohne diese Aufwendungen stünde ihm die Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs im Straßenverkehr nicht zur Verfügung. Aufwendungen für Überführung und Zulassung des Fahrzeugs sind daher im Hinblick auf die Ersatzpflicht nach § 284 BGB nicht anders zu behandeln als Aufwendungen für die Anschaffung von Fahrzeugzubehör.
B. Ergebnis
K steht Aufwendungsersatz für das eingebaute Zubehör und die Überführungskosten, gekürzt um eine zeitanteilige Nutzung in Höhe von 20 % i.H.v. 4080€ zu.