Der Entscheidung des BGH vom 21.07.2020 (5 StR 146/19) lag folgender Sacherhalt zugrunde: der Täter bot über einen Onlinemarkt Uhren zum Kauf an, die er aber tatsächlich gar nicht besaß. Um über seine Identität zu täuschen, hatte er zuvor fremde Personalausweise eingescannt und sendete den Interessenten diese digitale Kopie per Mail zu. Die Käufer überwiesen jeweils 6.000 € ohne die Uhr jemals zu erhalten.
Natürlich hat sich der Täter gem. § 263 I StGB strafbar gemacht, evtl. – sofern er gewerbsmäßig handelte – auch wegen Betrug in einem besonders schweren Fall gem. § 263 I, III Nr. 1 StGB.
Daneben musste das Gericht prüfen, ob er sich auch gem. § 281 StGB strafbar gemacht haben könnte. § 281 StGB setzt voraus, dass der Täter ein auf einen anderen ausgestelltes Ausweispapier zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht. Bislang setzte eine solches Gebrauchen voraus, dass der Täter das Ausweispapier selbst vorlegte, die Vorlage einer Kopie sollte nicht reichen. Mit der aktuellen Entscheidung verabschiedet sich der BGH von dieser Rechtsprechung und legt das Gebrauchen in Täuschungsabsicht zeitgemäß aus. Er führt dazu folgendes aus:
„Der Begriff des Gebrauchens ist nach Auffassung des Senats in § 281 Abs. 1 Satz 1 StGB wie in § 267 Abs. 1 StGB auszulegen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs macht von einer Urkunde Gebrauch, wer dem zu täuschenden Gegenüber die sinnliche Wahrnehmung der Urkunde ermöglicht … Dies kann nicht nur durch Vorlage der Urkunde selbst, sondern auch dadurch geschehen, dass der Täter dem zu Täuschenden eine Fotokopie oder ein Lichtbild einer – in dieser Weise körperlich tatsächlich vorhandenen – Urkunde zugänglich macht, denn hierdurch wird die sinnliche Wahrnehmung der abgebildeten Urkunde selbst ermöglicht … Auch durch Vorlage der Kopie oder durch elektronische Übersendung des Bildes eines echten Ausweises zur Identitätstäuschung kann deshalb ein Ausweispapier im Sinne von § 281 Abs. 1 Satz 1 StGB zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht werden…
An dieser Entscheidung ist der Senat nicht durch abweichende Rechtsprechung anderer Senate gehindert.
Zwar hat der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs im Jahr 1964 entschieden, dass ein Gebrauchen im Sinne von § 281 Abs. 1 Satz 1 StGB nur durch Vorlage des Originals erfolgen kann (BGH, Urteil vom 4. September 1964 – 4 StR 324/64, BGHSt 20, 17). Auf die Anfrage des Senats nach § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG, ob er an dieser Auffassung festhält (vgl. Beschluss vom 8. Mai 2019 – 5 StR 146/19), hat der 4. Strafsenat entschieden, dass er unter Aufgabe abweichender Rechtsprechung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats folgt (Beschluss vom 4. Dezember 2019 – 4 ARs 14/19). Die übrigen mit der Anfrage befassten Strafsenate haben erklärt, dass eigene Rechtsprechung der beabsichtigten Entscheidung nicht entgegensteht (1. Strafsenat, Beschluss vom 3. September 2019 – 1 ARs 13/19, 2. Strafsenat, Beschluss vom 13. Mai 2020 – 2 ARs 228/19, 3. Strafsenat, Beschluss vom 2. Oktober 2019 – 3 ARs 14/19).“
Hinweis
Für Urkunden gem. § 267 StGB gilt folgendes:
Verändert der Täter eine Urkunde so, dass sie nach der Manipulation noch immer eine Urkunde ist und legte er dann von dieser manipulierten Urkunde eine Kopie vor, ist die Vorlage der Kopie ein Gebrauchen einer Urkunde.
Führt die Veränderung der Urkunde dazu, dass die Manipulation offensichtlich ist, dann liegt ab diesem Zeitpunkt keine Urkunde mehr vor, da die Manipulation dazu führt, dass die Urkunde ihre Beweiseignung und damit ihre Urkundenqualität verliert. Das Gebrauchen ist nachfolgend ebenfalls straflos.
Auch ist die einfache Kopie selbst keine Urkunde, so dass ihr Anfertigen kein Herstellen einer unechten Urkunde ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Kopie täuschend echt aussieht, nicht als Kopie erkennbar ist und vom Täter als „Original“ verwendet wird. In diesen Fällen kann das Herstellen einer unechten Urkunde angenommen werden.
Faxe werden von der Rechtsprechung als „Fernkopie“ und damit nicht als Urkunde angesehen.