Der Entscheidung des BGH (BGH Beschl. 11.07.2017, 2 StR 220/17) lag folgender Sachverhalt zugrunde:
A reiste zusammen mit B und C von Litauen aus nach Deutschland, um wertvolle Autos zu entwenden. Man kam überein, dass A das erste von B und C entwendete Auto übernehmen und nach Litauen verbringen solle. B und C würden dann zwei weitere Autos entwenden und diese ebenfalls nach Litauen bringen. A sollte für seine Dienste 500,00 € erhalten. Entsprechend diesem Plan entwendeten B und C einen BMW im Wert von 35.000,00 € und übergaben ihn dem an der nächsten Kreuzung wartenden A. Zudem übergaben Sie A ein „Arbeitshandy“, über welches er Anweisungen für die zu wählende Fahrtstrecke erhalten sollte. B und C entwendeten danach zwei weitere Autos, mit denen sie ebenfalls Richtung Litauen fuhren.
Das LG hat zunächst B und C wegen mittäterschaftlich begangenen Diebstahls in drei Fällen gem. §§ 242 I, 25 II StGB verurteilt, wobei es Tateinheit gem. § 52 StGB zwischen den einzelnen Taten angenommen hat. Da die drei Diebstähle durch drei natürliche Handlungen begangen wurden, kann man zu Tateinheit -statt zu Tatmehrheit gem. § 53 StGB- nur über die natürliche Handlungseinheit gelangen. Diese setzt voraus, dass „zwischen allen drei Taten ein unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang bestand, aufgrund dessen sich das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise als einheitliches Tun erweist“ (BGH a.a.O.), wobei ein die einzelnen Handlungen verbindender Tatentschluss hilfreich, wenn auch nicht zwingend ist. Der BGH hat diese Möglichkeit bestätigt, allerdings moniert, dass die Feststellungen des LG dieses Ergebnis nicht überzeugend tragen würden.
A wurde vom LG wegen mittäterschaftlich begangenen Diebstahls gem.§§ 242 I, 25 II StGB in drei Fällen bestraft. Der BGH hob das Urteil auf und verwies es zur erneuten Verhandlung zurück, da er der Auffassung war, dass die vom LG getroffenen Feststellungen die mittäterschaftliche Begehung nicht tragen würden.
Wie bereits ausgeführt vertritt der BGH grundsätzlich die gemäßigt subjektive Theorie, was insbesondere dadurch zum Ausdruck kommt, dass er nach wie vor auf das „Eigeninteresse am Taterfolg“ als wichtiges Abgrenzungskriterium abstellt. In der Literatur wird dieses Kriterium als zu ungenau betrachtet, da auch der Teilnehmer wohl ein eigenes Interesse habe, würde er doch andernfalls nicht anstiften oder Hilfeleisten. (Eisele, JuS 2018, 300)
Darüber hinaus nähert sich der BGH aber immer mehr der Literatur an, indem er maßgeblich auf die Tatherrschaft oder jedenfalls den Willen zur Tatherrschaft abstellt.
Expertentipp
Für Sie in der Klausur bedeutet das, dass Sie zunächst die unterschiedlichen Herangehensweisen an die Abgrenzung darstellen, dann aber deutlich machen, dass auch für den BGH die Tatherrschaft ein wesentliches Kriterium sei, weswegen Sie dann in der Klausur zunächst einmal klären, ob Tatherrschaft vorliegt. Bejahen Sie dies, liegt nach beiden Auffassungen Täterschaft vor.
Im vorliegenden Fall ist es nämlich eben jene Tatherrschaft, die nach Auffassung des BGH seitens des LG nicht ausreichend festgestellt wurde. Der BGH führt folgendes aus:
„Mittäterschaft im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB setzt einen gemeinsamen Tatentschluss voraus, auf dessen Grundlage jeder Mittäter einen objektiven Tatbeitrag leisten muss. Bei der Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass dieser als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, hat der Tatrichter aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen. Wesentliche Anhaltspunkte können dabei der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden ….
Gemessen hieran begegnet die Annahme mittäterschaftlichen Handelns des Angeklagten durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Allein die festgestellte vorherige Kenntnis des Angeklagten von der Tat und sein Wille, diese als gemeinsame anzusehen, kann eine Mittäterschaft nicht begründen ….. Soweit das Landgericht in den festgestellten Tatbeiträgen des Angeklagten – der im Vorfeld der Tat erfolgten Zusage, das erste der entwendeten Kraftfahrzeuge zu übernehmen und nach Litauen zu überführen sowie der unmittelbar nach der Entwendung des ersten Fahrzeugs erfolgten Übernahme und des Fahrtantritts in Richtung Litauen – die Tatbestandsverwirklichung fördernde Tatbeiträge angesehen hat, begegnet dies zwar für sich genommen keinen Bedenken. Das Landgericht hat jedoch nicht erkennbar geprüft, ob der an einer Kreuzung in Tatortnähe wartende Angeklagte Tatherrschaft oder jedenfalls den Willen zur Tatherrschaft hatte. Dies verstand sich vorliegend in Ansehung aller Umstände des Einzelfalls nicht von selbst. Hinzu tritt, dass der Tatrichter nicht erkennbar in seine Erwägungen einbezogen hat, dass der Angeklagte sich nach Übergabe des ersten Fahrzeugs mit diesem vom Tatort entfernt hat und die Ausführung der weiteren Diebstähle – soweit ersichtlich – seinem Einfluss und seinem Willen entzogen waren. Zwar hat das Landgericht – im rechtlichen Ansatzpunkt zutreffend – in seine Erwägungen eingestellt, dass der Angeklagte ein erhebliches eigenes Tatinteresse hatte, und dies damit begründet, dass er „für den Abtransport des ersten Fahrzeugs“ eine Entlohnung in Höhe von 500,00 Euro erhalten sollte. Damit ist ein erhebliches Eigeninteresse des Angeklagten an der Entwendung auch der beiden weiteren Kraftfahrzeuge jedoch nicht belegt. Darüber hinaus hat das Landgericht nicht erkennbar in seine Erwägungen eingestellt, dass der Angeklagte von P. und dem unbekannt gebliebenen weiteren Täter ein so genanntes Arbeitshandy ausgehändigt erhielt, über das ihm Anweisungen für die Rückreise erteilt werden sollten….“
Tatherrschaft im Hinblick auf die 2 von B und C später entwendeten Fahrzeuge kann danach wohl kaum angenommen werden, da das Verbringen des ersten Fahrzeugs keine Tatherrschaft bzgl. der anderen Fahrzeuge begründen kann. Hinsichtlich des ersten Fahrzeugs ist zu bedenken, dass A bei der Tatausführung nicht zugegen war und auch nur 500,00 € - bei einem Fahrzeugwert von 35.000 €-erhielt. Zudem unterstand er durch das Handy den genauen Anweisungen von B und C, so dass nicht von einer gleichberechtigten Partnerschaft ausgegangen werden kann, was gegen eine Mittäterschaft spricht.
Expertentipp
Wie immer kann aber in einer Klausur mit entsprechender Begründung alles vertreten werden. Für eine Mittäterschaft spricht, dass ohne den Tatbeitrag des A, B und C nur 2 Autos hätten klauen können und dass A diese Wichtigkeit im Hinblick auf den Gesamtplan auch bewusst war.