Beispielhafter Sachverhalt:
M und F sind seit Januar 2000 verheiratet. M und F erwerben im Jahr 2010 als Miteigentümer zu je ½ ein mit einem Haus bebautes Grundstück für 250.000€. Die Eltern der F (i.F. S) haben vor dem Kauf 100.000€ auf das gemeinsame Konto von M und F mit dem Betreff, „eure Finanzspritze ;-))“ überwiesen. Dabei leben S in einfachen Verhältnissen, die „Finanzspritze“ wurde aus der Altersvorsorge der S entnommen, wodurch diese gänzlich aufgebraucht wurde. S gingen davon aus, dass M und F bis zum Tod verheiratet bleiben und sich im Alter um sie kümmern würden. Da die Eheprobleme immer weiter zunehmen, lassen sich M und F im Jahr 2018 rechtskräftig scheiden. Nach der Scheidung zieht M aus, F bewohnt das auf dem Grundstück befindliche Haus weiterhin. Der Restwert des Grundstücks ist – wegen einer nachträglich in der Nähe errichteten Schweinemastanlage – bereits zum Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe auf 50.000€ gesunken.
Haben die S einen Anspruch gegen M auf (anteilige) Rückerstattung der Zuwendung?
Lösung:
I Die S könnten gegen M einen Anspruch auf Rückzahlung eines angemessenen Teils der Zuwendungen aus § 527 i.V.m. §§ 812ff. haben.
Hierfür müsste zwischen S und M ein Schenkungsvertrag bestehen.
Fraglich ist, ob bei Zahlungen von Schwiegereltern von einer Schenkung auch an M ausgegangen werden kann. Neben der generellen Frage, ob solche Zuwendungen überhaupt Schenkungsqualität haben, gilt es die Frage zu klären, ob die Zuwendung überhaupt (auch) an M gerichtet war.
Der Zuwendungsempfänger ist bei fehlender ausdrücklicher Bestimmung anhand aller Umstände des Einzelfalls zu bestimmen.
„Für die Feststellung des Leistungsempfängers einer Geldzuwendung der Schwiegereltern sind - bei Fehlen genauer Angaben - die Angaben auf dem Überweisungsträger, die Art und die Zweckbestimmung des Empfängerkontos sowie der vorgesehene Verwendungszweck ausschlaggebend.“
I.v.F. wurde die Überweisung auf das gemeinsame Konto des Ehepaares überwiesen, im Betreff wurde ferner von „eurer Finanzspritze“ gesprochen. Diese Umstände sprechen für eine Zuwendung an beide Ehegatten. Hierfür spricht auch der Umstand, dass sich das Grundstück im Miteigentum der Eheleute befindet.
Demnach kann im vorliegenden Fall von einer Zuwendung auch an M ausgegangen werden.
Fraglich ist, ob diese Zuwendung als Schenkung eingeordnet werden kann.
Nach früherer Rechtsprechung des BGH waren Zuwendungen von Schwiegereltern nicht als Schenkung zu qualifizieren. Der BGH behandelte solche Zuwendungen als Rechtsverhältnisse eigener Art (unbenannte Zuwendungen/ BGHZ 129, 259).
Nach heutigem Verständnis des BGH ist eine Schenkung auch dann zu bejahen, wenn sie um der Ehe des eigenen Kindes Willen erfolgt. Insbesondere fehlt diesen Zuwendungen nicht die notwendigerweise mit der Schenkung einhergehende Vermögensminderung beim Zuwendenden.
Es besteht gerade keine Vergleichbarkeit dieser Zuwendungen mit den sogenannten ehebezogenen Zuwendungen unter Ehegatten. Hier ist eine Schenkung regelmäßig zu verneinen. Der zugewendete Gegenstand wird hier in der Regel in der Erwartung geleistet, dass er der ehelichen Lebensgemeinschaft dient und damit letztlich auch dem Zuwendenden selbst zugutekommt. Im Gegensatz dazu partizipieren Schwiegereltern regelmäßig nicht von ihrer Zuwendung, weshalb eine dauerhafte Verminderung des Vermögens angenommen werden kann.
Im vorliegenden Fall kann demnach von einer Schenkung der Schwiegereltern ausgegangen werden.
Allerdings liegt keine vereinbarte Auflage vor, damit kommt eine Rückabwicklung gem. § 527 i.V.m. dem Bereicherungsrecht nicht in Betracht.
II Die S könnten gegen M einen Anspruch auf Rückzahlung eines angemessenen Teils der Zuwendungen aus §§ 530 I, 531 II, 812f. haben.
Nach § 530 I kann die Schenkung widerrufen werden, wenn sich der Beschenkte durch schwere Verfehlungen gegen einen nahen Angehörigen des Schenkers des groben Undanks schuldig gemacht hat. Hierfür kommen grundsätzlich auch eheliche Verfehlungen in Betracht. Allerdings reicht das bloße Scheitern der Ehe nicht. Darüber hinausgehende Verfehlungen des M gegen die F oder die S sind nicht ersichtlich, sodass ein Widerrufsgrund nach § 530 nicht vorliegt.
III Die S könnten gegen M einen Anspruch auf Rückzahlung eines angemessenen Teils der Zuwendungen aus § 313 I, II haben.
1 Anwendbarkeit der Vorschriften
Fraglich ist, ob die Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage auf den vorliegenden Fall überhaupt anwendbar sind.
Dies könnte man annehmen, da die §§ 527, 528 und 530 explizit normierte Sonderfälle der Störung der Geschäftsgrundlage sind. Allerdings kann die Sperrwirkung dieser Sondervorschriften nur soweit reichen wie ihr Anwendungsbereich. Im vorliegenden Fall ist eine Konstellation der oben genannten Vorschriften jedoch nicht betroffen (BGHZ 40, 336). Die allgemeinen Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage sind damit anwendbar.
2 Voraussetzungen
Fraglich ist, ob die Voraussetzungen der Störung der Geschäftsgrundlage vorliegen. Demnach müsste die Ehe zur Geschäftsgrundlage geworden sein und die Geschäftsgrundlage nachträglich entfallen sein und zudem ein Festhalten am Vertrag für S nicht zumutbar sein.
a Ehe als Geschäftsgrundlage
Fraglich ist, ob die Ehe zur Geschäftsgrundlage geworden ist.
(1) Tatsächliches Element
Die Parteien müssten bei Vertragsschluss Umstände vorausgesetzt haben, die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen wurden, oder nur eine Partei – für die andere erkennbar – solche Umstände vorausgesetzt haben.
Der Zuwendung der Schwiegereltern lag die Vorstellung zugrunde, die Ehe würde bis zum Tod eines der Ehegatten Bestand haben.
„Ist – wie hier – die Geschäftsgrundlage einer schwiegerelterlichen Schenkung die Erwartung, dass die Zuwendung dem eigenen Kind auf Dauer zugutekommt, so wird diese Erwartung jedenfalls dann nicht verwirklicht, wenn das eigene Kind nicht angemessen von der Schenkung profitiert. Falls dies Folge der Scheidung der Zuwendungsempfänger ist, ist die Geschäftsgrundlage dementsprechend insoweit entfallen, als die Begünstigung des eigenen Kindes entgegen der Erwartung seiner Eltern vorzeitig endet.“ (falsch verortet)
(2) Hypothetisches Element
Zudem dürften die Parteien – unterstellt sie hätten von der Änderung der Umstände Kenntnis – den Vertrag nicht oder zumindest nicht mit diesem Inhalt abgeschlossen haben.
Es ist nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass die S bei Kenntnis der Umstände die Schenkung nicht oder zumindest nur unter einer auflösenden Bedingung vorgenommen hätten.
(3) Normatives Element
Die andere Partei hätte sich - bei Kenntnis der veränderten Umstände und unter Beachtung der gesetzlichen und vertraglichen Risikoverteilung - redlicherweise auf eine Änderung oder den Nichtabschluss des Vertrags einlassen müssen.
M muss zumindest bewusst gewesen sein, dass die Zahlung nur daher auch an ihn - insbesondere ohne gesonderte Vereinbarung einer Rückzahlungspflicht – erfolgte, da er mit F verheiratet war. Hätten die Parteien die geänderten Umstände vorhergesehen, hätte sich M redlicherweise auf eine abweichende vertragliche Regelung einlassen müssen.
(4) Zwischenergebnis
Die Ehe wurde zur Geschäftsgrundlage des Schenkungsvertrags.
b Wegfall der Geschäftsgrundlage
Durch die rechtskräftige Scheidung ist die Geschäftsgrundlage nachträglich entfallen.
c Unzumutbarkeit
Das Festhalten am unveränderten Vertrag müsste für S unzumutbar sein. Unzumutbarkeit setzt voraus, dass das Festhalten am Vertrag zu einem untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin nicht vereinbarendem Ergebnis führen würde.
Dabei führt das Scheitern der Ehe nicht automatisch zur Unzumutbarkeit, sondern ist stets im jeweiligen Einzelfall zu bestimmen.
Fraglich ist, ob güterrechtliche Erwägungen der Unzumutbarkeit von vornherein entgegenstehen. Während sich die Rechtsprechung vor 2010 stark von güterrechtlichen Erwägungen leiten ließ, stehen diese nach heutigem Verständnis der Unzumutbarkeit nicht entgegen. Schenkungen von Schwiegereltern sind dem Anfangsvermögen nach § 1374 II zuzurechnen. Auch ist eine Gleichbehandlung mit ehebedingten Zuwendungen nicht geboten, da Zuwendungen von Schwiegereltern aus anderen Motiven erfolgen.
Demnach ist die Unzumutbarkeit nach den gängigen Kriterien zu beurteilen.
„Neben der Ehedauer sind dabei unter anderem die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse von Schwiegereltern und früheren Ehegatten, der Umfang der durch die Zuwendung bedingten und beim Schwiegerkind noch vorhandenen Vermögensmehrung, aber auch mit der Schenkung verbundene Erwartungen des Zuwendenden hinsichtlich seiner Versorgung im Alter von Bedeutung.“
Für eine Unzumutbarkeit spricht, dass die Mittel für die Schenkung aus der Altersvorsorge des S stammen. Die Leistung wurde erbracht, da die S davon ausgingen im Alter von den Eheleuten unterstützt zu werden. Die Zuwendung führte zum Aufbrauchen der Altersvorsorge. Diese Belange sind als gewichtig einzustufen. Demnach kann von Unzumutbarkeit der vollständigen Aufrechterhaltung der Zuwendung ausgegangen werden. Auf der anderen Seite gilt es zu berücksichtigen, dass die Eheleute seit der Zahlung ca. 8 Jahre im gemeinsamen Haus wohnten. Demnach hat sich das Motiv der S - die Ehe der Eheleute zu fördern und zu unterstützen - zumindest teilweise verwirklicht. Die teilweise Zweckerreichung führt jedoch nicht zum Wegfall der Unzumutbarkeit insgesamt, sondern zu einer Anpassung der Rückzahlungssumme.
„Im Rahmen der Abwägung ist als ein Kriterium zu berücksichtigen, inwieweit sich die mit der Schenkung verbundene Erwartung, das eigene Kind werde von dieser angemessen profitieren, verwirklicht hat. Handelt es sich um die durch die Schwiegereltern mitfinanzierte Immobilie, stellt sich also die Frage wie lange das eigene Kind diese Immobilie bis zum endgültigen Scheitern der Ehe mitgenutzt hat (vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 2015, 172, 175). Dieser Gesichtspunkt der so genannten teilweisen Zweckerreichung muss durch einen angemessenen Abschlag von der schwiegerelterlichen Zuwendung berücksichtigt werden“ (OLG Bremen Beschl. v. 17.8.2015 – 4 UF 52/15, BeckRS 2015, 15060).
Ein weiteres wichtiges Abwägungskriterium ist die Vermögensmehrung im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe. Der Erstattungsanspruch ist niemals höher als die Vermögensmehrung zum maßgeblichen Zeitpunkt (BGH NJW 2012, 523). Die Vermögensmehrung bei M zum Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe beläuft sich - wegen der nachträglichen Wertminderung des Grundstücks – auf 25.000€ (da nur hälftiger Miteigentumsanteil). Gegen eine weitere Kürzung des Anspruchs spricht die Tatsache, dass S mit der Zuwendung seine wesentliche Altersvorsorge aufgegeben hat. Zudem leben die S in einfachen Verhältnissen. Demnach kann eine Rückzahlung in Höhe von 25.000 € vermindert um einen Abschlag wegen teilweiser Zweckerreichung verlangt werden.
Hinweis
Hinweis: Eine konkrete Berechnung wird von Ihnen im Examen nicht erwartet. Wie dieser Abschlag im Einzelnen zu berechnen ist, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten. Teilweise verneinen Oberlandesgerichte einen Rückforderungsanspruch gänzlich, wenn seit der Zuwendung 20 Jahre vergangen sind.
Der BGH dagegen nimmt Abschläge vor. Die Abschläge bestimmen sich nach dem Verhältnis der Dauer ab der Zuwendung bis zum Scheitern der Ehe zur Gesamtdauer der Ehe ab der Zuwendung. Dabei unterstellt der BGH, dass die Ehe regelmäßig auf Lebenszeit geschlossen wird und zieht daher Tabellen zur Lebenserwartung heran (www.statistik.at/Lebenserwartung/action.do). Solche Ausführungen können von Ihnen ohne konkrete Angaben zur Lebenserwartung nicht erwartet werden. Es reicht demnach aus darauf zu verweisen, dass der Zweck der Zuwendung zumindest teilweise erreicht wurde und daher ein entsprechender Abschlag vorzunehmen ist.
3 Ergebnis
Die S haben gegen M einen Anspruch auf Rückzahlung von 25.000€ vermindert um einen angemessenen Abschlag wegen teilweiser Zweckerreichung aus § 313 I, II.
IV Anspruch der S gegen M aus § 812 I 2 Alt. 2 Auf Rückzahlung der Zuwendung?
„Auch wenn nach der geänderten Rechtsprechung des BGH ebenfalls ein Anspruch wegen Zweckverfehlung aus § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB grundsätzlich neben einem Anspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Frage kommt, ist ein derartiger Anspruch hier schon allein deshalb auszuscheiden, weil nicht von einer positiven Kenntnis des Antragsgegners von konkreten Zweckvorstellungen des Antragstellers bei den von ihm vorgenommenen Zahlungen ausgegangen werden kann (vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 2015, 172, 176).“
In Ermangelung einer beiderseitigen Zweckabrede besteht der Anspruch nicht.