Dem Urteil des BGH (Urt. v. 25.03.2015 – VIII ZR 38/14, abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de = NJW 2015, 1748 = BeckRS 2015, 08540 [Beck-online]) lag folgender – leicht vereinfachter – Sachverhalt zugrunde:
Der K kaufe bei B am 31.07.2009, einem gewerblich tätigem Autohändler, einen Neuwagen. Das Fahrzeug wurde dem K am 11.09.2009 übergeben. In der Folgezeit versuchte die B mehrfach, verschiedene Mängel des Fahrzeugs zu beseitigen. Nach dem letzten erfolglosen Nachbesserungsversuch erklärte der K mit Schreiben vom 22.08.2011 den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die B unter Fristsetzung bis zum 30.08.2011 unter anderem auf, den Kaufpreis unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zurückzuzahlen. Hierzu war B nicht bereit.
Am 29.08.2012 brannte das Fahrzeug, das sich nach wie vor bei K befand, weitgehend aus. Der K trat am 6.03.2013 sämtliche Ansprüche aus einem von ihm für das Fahrzeug abgeschlossenen Kaskoversicherungsvertrag an die B ab. Die B nahm die Abtretungserklärung an. Der Versicherer erklärte jedoch mit Schreiben vom 10.04.2013 unter Verweis auf einen – in den dem Versicherungsvertrag zu Grunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung enthaltenen – Genehmigungsvorbehalt, dass die Abtretung nicht genehmigt werden könne, da die Eintrittspflicht noch nicht abschließend geprüft sei.
Hat K gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung?
Anmerkung: Gehen Sie davon aus, dass K den Kauf als Verbraucher getätigt hat.
Falllösung:
A. Anspruch aus § 346 Abs. 1 BGB i.V.m. 434 Abs. 1, 437 Nr. 2, 323 Abs. 1, 348 BGB
K könnte gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung gemäß § 346 Abs. 1 BGB i.V.m. 434 Abs. 1, 437 Nr. 2, 323 Abs. 1, 348 BGB haben.
I. Wirksamer Kaufvertrag
Laut Sachverhalt haben K und B einen wirksamen Kaufvertrag gemäß § 433 BGB über einen Neuwagen geschlossen.
II. Mangel
Laut Sachverhalt war das Fahrzeug gemäß § 434 BGB mangelhaft.
Die Mängel müssten auch schon zur Zeit des Gefahrübergangs vorgelegen haben (§ 446 BGB). Dem Sachverhalt ist hierzu nichts zu entnehmen. Fraglich ist, ob jedenfalls die Vermutung des § 476 BGB greift. Hiernach wird vermutet, wenn sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel zeigt, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar. Dann müsste zunächst der Anwendungsbereich des Verbrauchsgüterkaufs eröffnet sein. Gemäß § 474 Abs. 1 BGB sind Verbrauchsgüterkäufe Verträge, durch die ein Verbraucher von einem Unternehmer eine bewegliche Sache kauft. Mit dem Fahrzeug handelt es um eine bewegliche Sache. Des Weiteren ist K Verbraucher und B Unternehmer, sodass der Anwendungsbereich von der §§ 474 ff. BGB eröffnet ist. Auch zeigten sich die Mängel in einem Zeitraum von sechs Monaten nach Gefahrübergang. Somit greift im Ergebnis die Vermutung des § 476 BGB, dass die Mängel bereits bei Gefahrübergang vorlagen.
III. Erfolgloses Setzen einer angemessenen Frist?
Grundsätzlich gilt im Kaufrecht der Vorrang der Nacherfüllung. Daher müsste K eine angemessene Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt haben. Er hat mehrmals zur Nacherfüllung aufgefordert. Die Mängel wurden jedoch nicht beseitigt, obwohl sich das Fahrzeug mehrfach für erhebliche Zeiträume in der Werkstatt der B befunden hat (§ 440 S. 1 Alt. 2, S. 2 BGB).
Mithin sind die Voraussetzungen des Rücktritts gegeben.
IV. Zurückbehaltungsrecht des B?
Fraglich ist jedoch, ob B ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber K hat, bis dieser ihm das Fahrzeug herausgibt.
1. Ursprüngliche Verpflichtung des K zur Herausgabe des Fahrzeugs gemäß § 346 Abs. 1 BGB
Ursprünglich war K gemäß §§ 434, 437 Nr. 2, § 346 Abs. 1 BGB zur Herausgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs verpflichtet. Hier brannte das Fahrzeug jedoch vor Rückübereignung vollständig aus und wurde zerstört. Somit ist objektive Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 1 BGB gegeben. Somit bestand eine solche Verpflichtung nicht mehr.
2. Verpflichtung des K zur Leistung von Wertersatz gemäß § 346 Abs. 2 Nr. 3 Hs. 1 BGB?
Grundsätzlich hat der K statt der Rückgewähr oder Herausgabe Wertersatz zu leisten gemäß § 346 Abs. 2 Nr. 3 Hs. 1 BGB, wenn der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist. Gemäß § 346 Abs. 3 Nr. 2 1. Alt. BGB entfällt jedoch die Pflicht zum Wertersatz, soweit der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat. Vertreten müssen i.S.d. Norm ist z.B. dann gegeben, wenn der Gläubiger sich im Gläubigerverzug befand (PWW/Stürner, § 346 Rn. 14).
Hier hat K am 22.08.2011 die Rückgabe des Fahrzeugs angeboten. Die Voraussetzungen des Rücktritts waren gegeben, sodass der B das Fahrzeug auch hätte annehmen müssen. Hierzu war er jedoch nicht bereit. Somit befand sich B im Zeitpunkt des Untergangs des Fahrzeugs am 29.08.2012 im Annahmeverzug.
3. Verpflichtung zur Herausgabe des Surrogats gemäß § 346 Abs. 3 S. 2 BGB?
Gemäß § 346 Abs. 3 S. 2 BGB bleibt die Verpflichtung zur Herausgabe einer Bereicherung jedoch bestehen.
Der BGH lehnt eine Zug um Zug Verurteilung gegen Abtretung der vermeindlichen Ansprüche des K gegen seine Kaskoversicherung, mit der Folge, dass B auch kein Zurückbehaltungsrecht gegen K zusteht, ab. Dies begründet er folgendermaßen:
„Das Berufungsgericht hat verkannt, dass der Beklagten - jedenfalls derzeit - kein Anspruch auf Abtretung der Ansprüche des Klägers gegen seine Kaskoversicherung zusteht und deshalb die Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises nicht durch einen entsprechenden Zug-um-Zug-Vorbehalt einzuschränken ist.
Gemäß § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB, der eine Rechtsfolgenverweisung auf das in §§ 812 ff. BGB geregelte Bereicherungsrecht enthält [..], hat der Rückgewährschuldner, der nach § 346 Abs. 3 Satz 1 BGB keinen Wertersatz nach § 346 Abs. 2 BGB zu leisten hat, eine verbleibende Bereicherung herauszugeben. Es kann dahinstehen, ob [...] überhaupt ein Wertersatzanspruch entfallen ist. Denn jedenfalls fehlt es an einer herausgabefähigen Bereicherung.
[..] Das Berufungsgericht ist allerdings im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass im Falle der Versicherung des untergegangenen Gegenstandes nicht erst die ausgezahlte Versicherungsleistung auszukehren, sondern grundsätzlich bereits der Anspruch auf die Versicherungsleistung an den Gläubiger abzutreten ist (§ 398 BGB).
[...] Die Abtretung des Anspruchs gegen die Kaskoversicherung hat der Kläger jedoch bereits erklärt. Anders als das Berufungsgericht meint, rechtfertigt der Umstand, dass nach den Versicherungsbedingungen eine Abtretung von der - hier ausdrücklich verweigerten - Genehmigung der Versicherung abhängt, aber nicht die Annahme, dass der Beklagten gegenwärtig ein Anspruch auf nochmalige - wirksame - Abtretung dieser Ansprüche zustünde.
[...] Denn das Berufungsgericht hat verkannt, dass der Kläger derzeit nichts erlangt hat, was er herausgeben könnte. Erlangt im Sinne des hier anwendbaren § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB ist etwas erst dann, wenn es sich aufgrund des Bereicherungsvorgangs im Vermögen des Bereicherten konkret manifestiert und dadurch eine Verbesserung seiner Vermögenslage [...]. Dies ist hier nicht der Fall, denn der Kläger hat weder eine Zahlung von der Versicherung erhalten noch hat diese ihre Eintrittspflicht anerkannt. Ein etwaiger, noch im Prüfungsstadium befindlicher und wegen der verweigerten Genehmigung derzeit nicht abtretbarer Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Versicherungsleistung stellt keine herausgabefähige Bereicherung im Sinn des § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB dar. Auf etwaige Ansprüche, die der Beklagten gegen den Kläger erst in Zukunft dadurch erwachsen könnten, dass die Versicherung des Klägers den Anspruch auf die Versicherungsleistung feststellt oder den festgestellten Betrag auszahlt, kann ein Zurückbehaltungsrecht von vornherein nicht gestützt werden.
[...] Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des § 348 BGB nichts anderes. Insbesondere lässt sich aus dieser Vorschrift nichts dafür herleiten, dass ein Rückgewährschuldner, der (wie der Kläger) die untergegangene Kaufsache nicht herausgeben kann, die Last der Auseinandersetzung mit seiner Versicherung zu tragen habe und durch ein Zurückbehaltungsrecht dazu anzuhalten sei, die Regulierung des Schadens durch die Kaskoversicherung zu erstreiten. Denn § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB erlegt dem Rücktrittsschuldner nur die Herausgabe einer bereits herausgabefähig vorhandenen Bereicherung auf, verpflichtet ihn aber nicht dazu, etwa durch eine auf eigenes Risiko und eigene Kosten erhobene Klage, eine - sodann herauszugebende - Bereicherung erst herbeizuführen.
[...] Auch aus § 346 Abs. 1, § 275 Abs. 1 BGB, § 285 BGB oder § 346 Abs. 2, § 285 BGB [..] ergibt sich kein Anspruch der Beklagten, den sie dem Kläger nach §§ 320, 348 BGB entgegen halten könnte. Es bedarf in diesem Zusammenhang keiner Entscheidung, ob § 285 BGB überhaupt auf das Rückgewährverhältnis gemäß §§ 346 ff. BGB nach dem neuen Schuldrecht Anwendung [...]. Denn selbst wenn dies der Fall sein sollte [...], ergibt sich daraus kein Anspruch der Beklagten.
[...] Denn nach § 285 BGB hätte der Kläger auch nur dasjenige herauszugeben, was er infolge der Unmöglichkeit, das durch Brand zerstörte Fahrzeug zurückzugeben, erlangt hat. Wie bereits ausgeführt, hat der Kläger aber von der Versicherung weder eine Zahlung erhalten noch hat diese ihre Eintrittspflicht anerkannt. Dass der Kläger künftig - etwa dadurch, dass die Versicherung den Anspruch feststellt und dieser abtretbar wird - etwas erlangen könnte, dessen Herausgabe die Beklagte sodann verlangen könnte, ist, wie ausgeführt, unerheblich, da ein Zurückbehaltungsrecht nicht auf Ansprüche gestützt werden kann, die noch gar nicht entstanden sind.“
Somit war keine Bereicherung des K gegeben, die gemäß § 346 Abs. 3 S. 2 BGB herauszugeben war. Ein Zurückbehaltungsrecht des B bestand nicht.
V. Abzug einer Nutzungsentschädigung?
Fraglich ist, ob es aber eines Abzugs einer Nutzungsentschädigung bedarf.
Hierzu führt der BGH folgendes aus:
„Gemäß § 346 Abs. 1 BGB sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und gezogene Nutzungen herauszugeben. Nutzungen in diesem Sinne sind gemäß § 100 BGB u. a. Gebrauchsvorteile. Da diese nicht in Natur herausgegeben werden können, ist gemäß § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB Wertersatz zu leisten. [...] Die Nutzungsentschädigung ist nach dem Verhältnis der insgesamt möglichen zur tatsächlichen Nutzung aus dem Wert der Sache zu berechnen. Maßgeblich ist die zeitanteilige lineare Wertminderung im Vergleich zwischen tatsächlichem Gebrauch und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer. Bei Kraftfahrzeugen ist der Kaufpreis zu der voraussichtlichen Restfahrleistung im Verhältnis zu setzen und mit der tatsächlichen Fahrleistung des Käufers zu multiplizieren.“
VI. Ergebnis
Mithin hat K gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung gemäß § 346 Abs. 1 BGB i.V.m. 434 Abs. 1, 437 Nr. 2, 323, 326 Abs. 5 BGB.
Hier noch einmal den Leitsatz des BGH im Überblick:
Der Käufer eines Fahrzeugs, welches er kaskoversichert hat, ist nach Untergang der Sache zur Herausgabe einer verbleibenden Bereicherung i.S.d. § 346 Abs. 3 S. 2 BGB nur insoweit verpflichtet, als er etwas erlangt hat, was er herausgeben könnte. Dies ist bei einer vom Kaskoversicherer verweigerten Genehmigung der Abtretung des Anspruchs auf Auszahlung der Versicherungsleistung an den Verkäufer nicht der Fall.
Anmerkung: Zur Vertiefung der Thematik kann auf die Anmerkung von Lorenz (NJW 2015, 1725) verwiesen werden. Weitere Ausführungen zu diesem Thema finden Sie auch in unseren ExO`s und im GuKO ZR. Eine Leseprobe aus unserem Skript finden Sie hier: http://www.juracademy.de/web/skript.php?id=37302.