1. Sachverhalt
Der Antragsteller war Eigentümer eines Seegrundstücks und hatte eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Einfamilienhauses beantragt. Diese Genehmigung wurde ihm am 3. Mai 2010 erteilt. Ihr war eine Auflage beigefügt, wonach der Antragsteller einen ebenfalls auf dem Grundstück gelegenen Bungalow zu beseitigen habe.
Die Baugenehmigung enthielt weiter auch eine Rechtsbehelfsbelehrung, welche allerdings nicht darauf hinwies, dass der Adressat auch ein lediglich gegen die Auflage gerichtetes Rechtsmittel einlegen kann.
Als der Antragsteller der Abbruchverpflichtung nicht nachkam, wurde ein Zwangsgeld festgesetzt. Nachdem der Antragsteller weiter untätig blieb, drohte die Behörde anschließend ein zweites Zwangsgeld an.
Gegen diese Maßnahmen der Zwangsvollstreckung legte der Antragsteller im Jahr 2015 fristgerecht Widerspruch ein. Außerdem beantragte er beim VG Cottbus die Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieses Widerspruchs nach § 80 Abs. 5 VwGO. Dies lehnte das Gericht am 2. September 2015 ab. Gegen den Beschluss des VG legte der Antragsteller gem. § 146 Abs. 1 VwGO Beschwerde beim OVG Berlin Brandenburg ein.
2. Entscheidung
Das OVG Berlin Brandenburg hatte ihm Rahmen seiner Entscheidungsfindung nach § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO lediglich die vom Antragsteller dargelegten Gründe zu prüfen.
a. Berücksichtigung einer möglichen Rechtswidrigkeit der Auflage?
Zunächst setzte sich das OVG mit der Frage auseinander, ob das VG Cottbus es richtigerweise abgelehnt hatte, im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung zu prüfen. Das VG hatte lediglich die Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahmen nach dem VwVG Bbg geprüft. Es war davon ausgegangen, dass sowohl die Baugenehmigung wie auch die beigefügte Auflage bestandskräftig geworden seien, da der Antragsteller gegen diese nicht rechtzeitig Widerspruch eingelegt hatte. Die Bestimmungen waren damit vollstreckbar gem. § 3 VwVG Bbg und die Berücksichtigung einer etwaigen Rechtswidrigkeit der Auflage sei ausgeschlossen.
Dem schloss sich das OVG Berlin Brandenburg an. Es stellte zunächst fest, dass Grundverfügung und Auflage tatsächlich in Bestandskraft erwachsen seien. Dabei ließ es die Frage offen, ob die Rechtsbehelfsbelehrung, wie vom Antragsteller vorgebracht, tatsächlich rechtsfehlerhaft gewesen sein könnte, insoweit als sie nicht auf die isolierte Anfechtbarkeit der Auflage hinwies. Denn selbst wenn dies der Fall gewesen war, wäre nach § 58 Abs. 2 VwGO eine Anfechtung der Auflage lediglich innerhalb eines Jahres möglich gewesen. Diese Frist war aber jedenfalls ungenutzt verstrichen.
Das OVG führte weiter aus, dass mit dem gegen „Vollstreckungsmaßnahmen gerichteten Rechtsmittel […] aber nur deren Rechtswidrigkeit, nicht aber die Rechtswidrigkeit der Grundverfügung gerügt werden [kann]. Ist die Grundverfügung - wie hier - unanfechtbar geworden (vgl. § 3 Nr. 1 VwVG Bbg), so können Einwendungen gegen diese grundsätzlich nicht mehr berücksichtigt werden.“
b. Nichtigkeit der den Abbruch des Bungalows anordnenden Auflage?
„Eine Ausnahme von dem vorgenannten Grundsatz, dass Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung bei gegen Vollstreckungsmaßnahmen gerichteten Rechtsmitteln nicht mehr berücksichtigt werden können, besteht allerdings dann, wenn der zu vollstreckende Grundverwaltungsakt i.S.v. § 44 VwVfG nichtig und damit unwirksam wäre“ i.S.d. § 43 Abs. 3 VwVfG.
So hatte das OVG Berlin Brandenburg zu untersuchen, ob die den Abbruch anordnende gem. § 44 Abs. 1, 2 VwVfG nichtig war.
aa. Nichtigkeit nach § 44 Abs. 1 VwVfG wegen schwerwiegendem Fehler
Der Antragsteller hatte vorgebracht, der aus dem Jahr 1973 stammende Bungalow genieße Bestandschutz. Die Abbruchanordnung leide daher wegen Verstoßes gegen materielles Baurecht an einem schwerwiegenden Fehler.
Diesbezüglich befand allerdings das OVG, dass der Antragsteller es versäumt habe, i.S.d. § 146 Abs. 3 VwGO darzulegen, dass die Auflage einen derartigen Fehler aufweise.
„Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die aus Rechtsmängeln abgeleitete Folge der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts stets als eine besondere Ausnahme von dem Grundsatz angesehen worden, dass ein Akt der staatlichen Gewalt die Vermutung seiner Gültigkeit in sich trage […]. Besonders schwerwiegend im Sinne des § 44 Abs. 1 VwVfG ist daher nur ein Fehler, der den davon betroffenen Verwaltungsakt als schlechterdings unerträglich erscheinen, d.h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar sein lässt. […] Der schwerwiegende Fehler muss darüber hinaus für einen verständigen Bürger offensichtlich sein.“
Der darlegungspflichtige Antragsteller habe nicht substantiiert vorgebracht, dass der Bungalow zum Zeitpunkt der Antragstellung beim OVG Berlin Brandenburg noch Bestandsschutz genieße. „Unter Bestandsschutz wird verstanden, dass ein tatsächlicher oder rechtlicher Status quo (Bestand) unverändert bleiben darf. Hier wurde allerdings der Status quo vom Antragsteller selbst rechtlich erheblich verändert, indem die Grundstücksfläche seines Grundstücks in der Nähe des Sees mit einem Einfamilienhaus mit einer Grundfläche von rund 70 m² neu bebaut wurde und dabei der Bestand des vorhandenen kleineren Wochenendhauses bzw. Bungalows vom Antragsteller im Bauantrag selber zur Disposition gestellt wurde.“
bb. Nichtigkeit nach § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG wegen Verpflichtung zu einer rechtswidrigen Tat
Der Antragsteller hatte weiter geltend gemacht, bei Durchführung des ihm auferlegten Abbruchs des Bungalows verstoße er gegen die Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG. Diese Vorschrift untersagt es, Fortpflanzungs- oder Ruhestätten wild lebender Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören (Nr. 3). Zuwiderhandlungen gegen das Verbot können nach § 69 BNatSchG ordnungswidrig seien oder nach § 71 BNatSchG als Straftaten verfolgt werden.
Der Antragsteller hatte eine eidesstattlichen Versicherung abgegeben wonach im Dachkasten und an der Hauswand des abzubrechenden Bungalows „regelmäßig“ Fledermäuse sowie Brutvögel, z.B. der Haussperling, siedelten und diese dort „regelmäßig“ ihr Quartier und ihren Brutplatz einrichteten.
Allerdings befand das OVG Berlin Brandenburg, dass der Antragsteller damit nicht ausreichend substantiiert dargelegt habe, dass er tatsächlich gegen § 44 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 BNatSchG verstoße. Insbesondere sei er dem „Vorbringen des Antragsgegners, dass während der derzeitigen Winterzeit die besonders geschützten Vogelarten der Fledermaus und des Haussperlings dort nicht aufhältig seien, ist der Antragsteller […] nicht substantiiert entgegengetreten. […]
Zwar liegt eine Fortpflanzungs- oder Ruhestätte auch dann vor, wenn sie kurzzeitig oder vorübergehend nicht mit Vögeln besetzt ist, etwa weil die Bewohner auf Nahrungssuche sind oder Zugvögel winterlich abwesend sind, aber erwartungsgemäß die Lebensstätte wieder aufgesucht wird.“ Der Antragsteller habe aber nicht glaubhaft gemacht, dass derzeit konkrete der Fortpflanzung dienende Gegenstände, etwa Nester, am Bungalow vorhanden seien – dazu hätte er Fotos vorlegen müssen. „Angesichts des klaren und bestimmten Vorbringens des Antragsgegners, dass dem Abbruch des Wochenendhauses aufgrund der jetzigen Jahreszeit keine naturschutzrechtlichen Verbotstatbestände entgegenstünden, hätte der Antragsteller zur Substantiierung seiner gegenteiligen Bewertung [jedenfalls konkrete Beweismittel] vorlegen müssen, was unterblieben ist.“
c. Unverhältnismäßigkeit der Zwangsgeldfestsetzung und –androhung?
Schließlich befand das OVG, dass der Antragsteller nicht substantiiert dargelegt habe, dass ihm der Abbruch des Bungalows wirtschaftlich unmöglich sei und die im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung getroffenen Maßnahmen mithin als unverhältnismäßig zu beurteilen seien. Insbesondere habe der Antragsteller, der ja Eigentümer des mit einem Wohngebäude bebauten Grundstücks sei, nicht dargelegt, „dass es ihm unmöglich wäre, unter Nutzung seines Grundeigentums als Sicherheit ein Darlehen aufzunehmen, um so die Kosten zur Erfüllung der Auflage aufzubringen.“
Auch insoweit seien daher die Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung rechtmäßig.
d. Ergebnis
Damit lehnte das OVG Berlin Brandenburg die Beschwerde des Antragstellers als unbegründet ab.
Relevanz für ExamenskandidatInnen
An dieser Entscheidung lässt sich gut wiederholen, welche Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung bestehen. Führen Sie sich vor Augen, dass auch rechtswidrige Grundverfügungen rechtmäßig vollstreckt werden können, sofern sie einmal in Bestandskraft erwachsen sind. Etwas anderes gilt für Verwaltungsakte, die nichtig und damit von vorneherein nicht wirksam waren.
Auch die Nichtigkeitsgründe eines Verwaltungsaktes nach § 44 VwVfG sowie die Heilungsmöglichkeitne nach § 45 VwVfG sind ein beliebtes Klausurthema, das ExamenskandidatInnen unbedingt sicher prüfen können sollten.