Strafrecht BT
1. Wann ist der Schlüssel „falsch“?
Das Eindringen mit einem falschen Schlüssel erfüllt, sofern es sich um eine (dauerhaft genutzte) Wohnung handelt, die Voraussetzungen des § 244 Abs. 1 Nr.3 und Abs. 4 StGB sowie bei sonstigen umschlossenen Räumen die Voraussetzungen des § 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB.
Unter einem falschen Schlüssel versteht man unproblematisch solche, die ohne Wissen des Berechtigten nachgemacht wurden. Wann aber werden ehemals mit Wissen des Berechtigten genutzte Schlüssel falsch?
Der BGH (5 StR 219/21) musste sich mit einem Sachverhalt befassen, bei welchem der Täter einen, seinerzeit von seiner Ex-Freundin (Vormieterin der Wohnung) auf dem Dachboden versteckten Schlüssel an sich nahm und damit die Türe der jetzigen Mieterin M öffnete, um daraus diverse Gegenstände zu entwenden. M wusste nichts von der Existenz des Schlüssels. OB dem Vermieter V bekannt war, dass es diesen versteckten Schlüssel gab, konnte nicht geklärt werden.
Der BGH hat den Schlüssel als „falsch“ angesehen und ausgeführt:
„Unabhängig von einer etwaigen Kenntnis des Vermieters von diesem Schlüssel … war dieser im Sinne von § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB „falsch“. Dies ist der Fall, wenn dem Schlüssel im Tatzeitpunkt die Widmung des Berechtigten zum Öffnen des Schlosses fehlt … Berechtigte war vorliegend die Mieterin, der durch Mietvertrag der Gebrauch der Mietsache überlassen war, nicht der Vermieter … Zur ordnungsgemäßen Öffnung ihres Wohnungstürschlosses bestimmt waren deshalb nur die der Mieterin übergebenen und ihr bekannten Schlüssel. Behält ein Vermieter einen Schlüssel ohne Wissen des Mieters zurück, wird dieser durch die Vermietung der Wohnung entwidmet und damit „falsch“ … Gleiches gilt, wenn der Vermieter selbst keine Kenntnis mehr von der Existenz eines weiteren Wohnungsschlüssels hat. Durch die Vermietung einer Wohnung einschließlich der Übergabe der Wohnungsschlüssel wird zumindest konkludent zum Ausdruck gebracht, dass nunmehr nur noch die im Besitz des Mieters befindlichen Schlüssel zur ordnungsgemäßen Öffnung der Wohnung bestimmt sind, außer der Vermieter behält mit Kenntnis des Mieters vereinbarungsgemäß einen weiteren Schlüssel.“
2. Der Zurechnungszusammenhang bei § 227 StGB und das Dazwischentreten
Bei § 227 StGB muss der Tod „durch“ die Körperverletzung verursacht worden sein. Das setzt Kausalität und Zurechnung voraus. Dieser Zurechnungszusammenhang kann durch ein vorsätzliches Dazwischentreten eines Dritten durchbrochen sein. Ob dieser Dritte aber tatsächlich ein neues Risiko schafft oder ob er in dem bereits gesetzten Risiko des anderen weiter agiert und dieser mithin durch die von ihm begangene Körperverletzung diese (Eskalations-) Gefahr geschaffen hat, ist bei jedem Einzelfall gesondert zu bewerten.
Der BGH (3 StR 450/20) hatte sich mit folgendem Sachverhalt zu befassen: Die von ihrem Ehemann M jahrelang körperlich misshandelte E beauftragte ihren Sohn S damit, jemanden zu finden, der M eine „Tracht Prügel“ verabreicht, damit ihr Leiden aufhöre. S gegenüber erklärt sie, dass sie M „am liebsten einen Stein auf den Kopf hauen würde“. S findet als Mitstreiter X und Y. Auf Nachfrage erklärt er diesen, dass die Aussage seiner Mutter nicht ernst zu nehmen sei, da sie es bislang nicht geschafft habe, sie gegen M zur Wehr zu setzen. Am Tattag verprügeln alle 3 M unter Verwendung von Pfefferspray und Teleskopstock in seinem Wohnwagen, nachdem E diesen kurz zuvor verlassen hatte. Als E später den Wohnwagen wieder betritt findet sie M bewusstlos am Boden und nutzt die Gelegenheit, um M durch mehrfaches Schlagen mit einem Pflasterstein zu töten.
E hat sich unproblematisch gem. § 212 Abs. 1 StGB strafbar gemacht und S, X und Y haben sich ebenso unproblematisch gem. §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB strafbar gemacht. Fraglich ist aber, ob sich S, X und Y darüber hinaus gem. § 227 StGB strafbar gemacht haben könnten.
Der BGH hat das verneint:
„Bei der mittelbaren Verursachung einer vollverantwortlich begangenen fremden Vorsatztat ist streitig, ob eine Erfolgszurechnung über eine fahrlässige Täterschaft des Hintermannes überhaupt möglich ist …. Voraussetzung der Zurechnung ist aber jedenfalls, dass der Erfolgseintritt für die Angeklagten voraussehbar war …. Im Sinne des Fahrlässigkeitstatbestands voraussehbar ist, was der Täter nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten in der konkreten Tatsituation als möglich hätte vorhersehen können. Die Verantwortlichkeit des Täters entfällt deshalb für solche Ereignisse, die so sehr außerhalb der gewöhnlichen Erfahrung liegen, dass der Täter auch bei der nach den Umständen des Falles gebotenen und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen zuzumutenden Sorgfalt nicht mit ihnen rechnen muss. Eingetretene Folgen können insbesondere außerhalb der Lebenserfahrung liegen, wenn sich in den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Täters und dem Erfolg bewusste oder unbewusste Handlungen dritter Personen einschalten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Beitrag anderer Personen zum Geschehen in einem gänzlich vernunftwidrigen Verhalten besteht …. Daran gemessen lag der Geschehensablauf, der zum Tod des Geschädigten führte, nach dem vom Landgericht festgestellten Sachverhalt außerhalb der Lebenserfahrung und war für die Angeklagten nicht voraussehbar. Damit, dass die Mutter es einerseits über einen längeren Zeitraum hinnahm, vom Geschädigten misshandelt zu werden, und sie es nicht vermochte, sich von ihm zu trennen, aber andererseits nicht davor zurückschreckte, ihn auf die festgestellte Weise zu töten, mussten die Angeklagten bei Gesamtbetrachtung der Umstände nicht rechnen.“
Hinweis
Der BGH hat die Zurechnung mit dem „atypischen Kausalverlauf“ verneint. In der Tat liegt ein die Zurechnung durchbrechendendes Verhalten eines Dritten immer dann vor, wenn das Verhalten nach allgemeiner Lebenserfahrung für den Ersttäter nicht vorhersehbar ist.
3. Stellt der Verzicht auf eine uneinbringliche Forderung einen Vermögensschaden dar?
Wenn ein Täter ein Opfer mit Gewalt bedroht, um dieses dazu zu bringen eine Forderung aus einem Beförderungsvertrag nicht durchzusetzen, dann stellt sich die Frage, ob das Opfer auch dann einen Vermögensschaden erleidet, wenn die Forderung aufgrund der Vermögenslosigkeit des Täters wertlos ist.
Der BGH (2 StR 13/20) hat dazu folgendes ausgeführt:
„Voraussetzung für den Eintritt des vom Tatbestand vorausgesetzten Vermögensschadens ist in diesen Fällen, dass die Forderung werthaltig ist. Wer auf die Geltendmachung einer wertlosen, weil gänzlich uneinbringlichen Forderung verzichtet, erleidet dadurch keinen Vermögensschaden … Aufgrund der aus dem Beförderungsvertrag bestehenden, einredefreien Forderung kann der Geschädigte einen Titel erwirken, bei dem gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB erst 30 Jahre nach Rechtskraft Verjährung eintritt. Dass angesichts dieses langen Zeitraums nachträgliche Bemühungen des Geschädigten zur Vollstreckung seiner Forderung erfolgreich sein können, hat das Landgericht angesichts der von ihm festgestellten und gewürdigten persönlichen Lebensumstände und wirtschaftlichen Situation des zur Tatzeit 25 Jahre alten, nicht drogenabhängigen, über eine Wohnung verfügenden und arbeitsfähigen Angeklagten ohne Rechtsfehler angenommen. Daher kommt es entgegen den Ausführungen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht auf die Pfändungsfreigrenzen für Arbeitseinkommen (§ 850c ZPO) an. Diese beschränken zwar die zwangsweise Durchsetzung der Forderung, doch bestimmt sich deren Wert in erster Linie nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten, die hier – wie vom Landgericht dargelegt – dafürsprechen, von der Werthaltigkeit jedenfalls eines Teils der Forderung auszugehen.“