A Entscheidung des BAG
Die Coronabedingte Betriebsschließung als Betriebsrisiko
Das BAG (Urteil v. 13.10.2021 – 5 AZR 211/21, NJW 2022, 560) musste sich in dieser Entscheidung mit der Frage auseinandersetzen, ob die im Rahmen eines allgemeinen „Lockdowns“ zur Bekämpfung der Corona-Pandemie staatlich verfügte vorübergehende Betriebsschließung einen Fall des vom Arbeitgeber nach § 615 Satz 3 BGB zu tragenden Betriebsrisikos darstellt.
Dies wurde im Ergebnis verneint, da die Voraussetzungen von § 615 Satz 1 BGB nicht vorlagen. Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs nach den §§ 293 ff. wurden angenommen. Allerdings war es dem Arbeitgeber unmöglich die Leistung des Arbeitnehmers anzunehmen. Die Unmöglichkeit der Annahme durch den Arbeitgeber stellt jedoch keinen Fall von § 615 Satz 1 BGB dar. Die Lösung war daher in § 615 Satz 3 BGB zu suchen.
Im Rahmen der Auflösung über § 615 Satz 3 BGB sind die vom BAG aufgestellten Grundsätze zur Zurechnung des Betriebsrisikos zu berücksichtigen.
Bei sogenannten „internen Betriebsstörungen“ trägt der Arbeitgeber das Betriebsrisiko, weil er den Betrieb leitet, die betrieblichen Abläufe organisiert, die Verantwortung trägt und die Erträge bezieht. Deshalb muss er dafür einstehen, dass die Arbeitsleistung aus Gründen unmöglich wird, die in seinem Einflussbereich liegen, wie etwa der Ausfall von Maschinen, Betriebsstoffen oder anderer für den Betriebsablauf notwendiger Betriebsmittel.
Über diese „internen Betriebsstörungen“ hinaus trägt der Arbeitgeber grundsätzlich auch das Risiko für von außen auf das Unternehmen einwirkende Umstände, die sich als höhere Gewalt darstellen, wie z.B. die Überschwemmung eines Fabrikgebäudes aufgrund einer Naturkatastrophe, die Zerstörung der Betriebseinrichtungen durch Brand, den Ausfall einer Ölheizung im Betrieb wegen eines plötzlichen Kälteeinbruchs oder den Stromausfall infolge einer Störung im Elektrizitätswerk. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber aufgrund äußerer Einflüsse selbstständige Entscheidungen trifft, die zur Unmöglichkeit der Arbeitsleistung führen.
Behördliche Verbote sind grundsätzlich dann dem Betriebsrisiko zuzurechnen, wenn sie auf besondere Risiken des Betriebs zurückgehen.
Ob § 615 Satz 3 BGB auch das Betriebsrisiko wegen Schließung aufgrund staatlicher Anordnungen zur Bekämpfung einer Pandemie erfasst ist umstritten.
„Während Fischinger/Hengstberger (NZA 2020, 559) ausgehend vom Prinzip der Substratsgefahrtragung bei pandemiebedingten behördlichen Betriebsschließungen einen Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs bereits aus § 615 Satz 1 BGB herleiten, weil der Arbeitgeber stets das Lohnrisiko zu tragen habe, verneint Wolf (FS Preis 2021 S. 1531, 1533 f.) bereits Annahmeverzug. Der Arbeitnehmer sei de facto zum Angebot seiner Arbeitsleistung nicht in der Lage, weil sich die staatliche Schließungsverfügung auch an ihn richte (zu Recht gegen diese Annahme Fischinger/Hengstberger NZA 2020, 559, 561 f.). Im Übrigen meint er - sich auf „Grundgedanken der Substratsgefahr“ berufend - bei einer allgemeinen Schließungsverfügung oder -verordnung verwirkliche sich eine allgemeine Gefahrensituation, die sowohl die Pflicht zur Leistungserbringung als auch die Pflicht zur Vergütung entfallen lasse.
Ein Teil des Schrifttums ist unter Berufung auf die vom Bundesarbeitsgericht (weiter-)entwickelten Grundsätze zum Betriebsrisiko der Auffassung, die staatlich/behördlich angeordnete Schließung des Betriebs aufgrund einer Pandemie sei generell ein vom Arbeitgeber nach § 615 Satz 3 BGB zu tragendes Risiko. Dabei wird zum Teil ergänzend angeführt, die Zuweisung des Betriebsrisikos an den Arbeitgeber auch bei flächendeckenden Betriebsschließungen entspreche allgemeinen Prinzipien der Arbeitsrechtsordnung, allerdings mit der Einschränkung, „diese Bewertung (könne) sich ändern, wenn staatliche Eingriffe gegen die Gesamtwirtschaft gerichtet werden und sich dann lediglich das allgemeine Risiko der Pandemie verwirklicht“; vgl. auch, der angefochtenen Entscheidung zust., Mazurek EWiR 2021, 504, 505; Schneider FS Preis 2021 S. 1199, 1203 ff. [1208], die maßgeblich darauf abstellt, dass es in der Hand des Arbeitgebers liege, dem Risiko des Arbeitsausfalls zu begegnen).
Andere Autoren differenzieren: Werde einem individuellen Arbeitgeber zu Zwecken des Gesundheitsschutzes behördlich die Schließung seines Betriebs aufgegeben, trage er das Betriebsrisiko, wenn die Schließung durch die besondere Eigenart des Betriebs bedingt sei, wie z.B. die Schließung schadstoffausstoßender Betriebe bei Smog. Richte sich das Verbot jedoch gegen ein Infektionsrisiko, das flächendeckend praktisch alle Betriebe treffe, reagierten die staatlichen Maßnahmen nicht auf ein dem zu schließenden Betrieb anhaftendes Risiko, sondern auf das allgemeine Infektionsrisiko, das Arbeitgeber nicht einmal abstrakt beherrschen könnten.“
Das BAG ordnet die behördliche Schließung zutreffend dem behördlichen Verbot zu. Die Notwendigkeit der Betriebsschließung ergibt sich hier nicht aus der Erkrankung der Belegschaft und der damit einhergehenden Unmöglichkeit der Fortführung des Betriebs, sondern maßgeblich auf der Schließungsanordnung. Die Allgemeinverfügung richtete sich gerade nicht speziell gegen den einzelnen Betrieb und beruht auch nicht auf in dem Betrieb angelegte besondere Gesundheitsrisiken. Die Maßnahmen dienen vielmehr dem Schutze der Gesamtbevölkerung und bekämpfen eine allgemeine Gefahrenlage. Eine solche Situation ist jedoch dem Betriebsrisiko nicht zuzurechnen. In solchen Fällen ist es vielmehr Sache des Staates die Beschäftigten durch hoheitliche Entlastungsmaßnahmen vor finanziellen Engpässen zu schützen.
B Entscheidung des BGH
Die identifizierende Verdachtsberichtserstattung
Im vorliegenden Fall musste sich der BGH (Urteil v. 22.02.2022 – VI ZR 1175/20, NJW 2022, 1751) mit Fragen zur identifizierenden Verdachtsberichterstattung in der Presse auseinandersetzen.
Ist vor der Berichterstattung eine Stellungnahme einzuholen?
Im Fall der Berichterstattung im laufenden Strafverfahren ist das Informationsinteresse der Bevölkerung und die Pressefreiheit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gegenüberzustellen und die Unschuldsvermutung zu beachten.
Daher fordert die Rechtsprechung, dass vor der Berichterstattung grds. eine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt wird.
Welche Grundsätze sind bei der Berichterstattung noch zu beachten?
Die Berichterstattung darf weder eine Vorverurteilung darstellen noch den Eindruck erwecken, dass bereits eine Verurteilung erfolgt ist.
Die Berichterstattung muss sich auf Beweistatsachen stützen, welche den Wahrheitsgehalt der Berichterstattung nahe legen.
Der Anlass der Berichterstattung muss ein ausreichendes Gewicht haben. Nur dann kann überhaupt ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht im Rahmen des Interessenausgleichs überwiegen.
Kann im Fall der Verletzung des APR Entschädigung in Geld verlangt werden?
„Nach der ständigen Rechtsprechung begründet die schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, also das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen.“
Wie kann sich ein erwirkter Unterlassungstitel auf den Entschädigungsanspruch auswirken?
„Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist auch ein erwirkter Unterlassungstitel zu berücksichtigen; der Titel und die mit ihm verbundenen Vollstreckungsmöglichkeiten können den Geldentschädigungsanspruch beeinflussen und im Zweifel sogar ausschließen.“
C Entscheidung der Oberlandesgerichte
Zur Wirksamkeit eines "Corona-Nottestaments"
Im vorliegenden Fall beschäftigt sich das OLG Düsseldorf (Beschluss v. 06.01.2022 – I-3 Wx 216/21, NJW-RR 2022, 298) mit der Wirksamkeit eines „Corona-Nottestaments“.
Im vorliegenden Fall war der im Krankenhaus liegende Erblasser E schwer an Krebs erkrankt und befürchtete den baldigen Eintritt seiner Testierunfähigkeit. Die Errichtung des Testaments vor einem Notar war nicht möglich. Der E diktierte sodann A – einem von drei an der Errichtung des Testaments beteiligten Zeugen – seine Anordnungen für den Todesfall. A hielt die Anordnungen handschriftlich fest und las dem E den Inhalt vor und unterschrieb sodann das Schriftstück. Aufgrund der coronabedingten Regelungen im Krankenhaus konnten die drei Zeugen jedoch nicht gleichzeitig im Raum sein, sondern betraten diesen nacheinander. Die weiteren Zeugen lasen dem E den Inhalt der Niederschrift von A jeweils vor und unterschrieben diese. Aufgrund der nahen Todesgefahr kam eine Errichtung eines Testaments nach § 2249 nicht in Betracht.
Ist das „Coronanottestament“ wirksam errichtet worden?
Regelungen zu Nottestamenten finden sich in den §§ 2249 ff.. Vorliegend könnte E ein Nottestament nach § 2250 I oder II errichtet haben. Problematisch ist im vorliegenden Fall jedoch, dass die drei Zeugen bei der mündlichen Erklärung nicht allesamt anwesend waren, sondern den Raum nacheinander betraten.
Die Vorschriften über die Errichtung von Testamenten zeichnen sich gerade durch ihre Formstrenge aus. Dies gilt schon für die §§ 2232, 2247 und erst recht für die Nottestamente, welche besondere Ausnahmevorschriften darstellen.
Die Bedeutung von § 2250 BGB und die dort normierte Errichtung vor drei Zeugen (Drei – Zeugen – Testament) liegt darin, dass durch möglichst klare und unmissverständliche Wiedergabe der Erklärungen des Erblassers dessen letzter Wille sowohl zum Ausdruck als auch zur Geltung gebracht werden soll.
Welche Anforderungen erfüllt werden müssen, damit die statt vor einem Notar oder einem Bürgermeister niedergelegten Erklärungen des Erblassers als rechtsverbindliche Wiedergabe seines in naher Todesgefahr geäußerten Willens gewertet werden können, steht nicht im Ermessen des Gerichts, sondern ist im Einzelnen gesetzlich vorgeschrieben.
Entscheidend für das Gericht war auch, dass die durch die Pandemie bedingten Kontaktbeschränkungen keine neue, vom Gesetzgeber nicht bereits in abstrakter Hinsicht bedachte Lage darstellen. Die Konstellation, dass sich der Erblasser an einem Ort aufhält, der infolge außerordentlicher Umstände derart abgesperrt ist, dass die Errichtung eines Testaments vor einem Notar nicht möglich oder erheblich erschwert ist wird bereits von der Regelung aus § 2250 Abs. 1 erfasst. Die Maßnahmen sind mit einer Isolation im Fall einer Quarantäne vergleichbar. Auch in den Fällen der Nottestamente nach § 2250 muss die Errichtung in (gleichzeitiger) Gegenwart von drei Zeugen erfolgen. Dies war vorliegend gerade nicht der Fall, weshalb die Erklärung nichtig ist.