I. Entscheidungen des BverfG
Der Schutz des Existenzminimums gilt auch für Studierende
Auch Studierende sind im Härtefall von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien. Der Schutz des Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG) gilt auch für sie, eine andere Behandlung ist ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG)
In den Entscheidungen des BVerfG vom 19. Januar 2022 (1 BvR 1089/18 und 1 BvR 2513/18) geht es um die Möglichkeit der Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für Studierende in Härtefällen aus Gründen der Gleichbehandlung.
Die Beschwerdeführerin war aus verschiedenen Gründen von der Rundfunkbeitragspflicht befreit; zunächst als Empfängerin von Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) und anschließend als Empfängerin von Arbeitslosengeld II nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Nach Wiederaufnahme ihres Studiums finanzierte die Alleinerziehende den Lebensunterhalt aus einem Studienkredit, Wohngeld und Unterhalt für ihren minderjährigen Sohn. Während dieser Zeit blieb die Beschwerdeführerin trotz Bemühens um eine Befreiung von der Rundfunkbeitragsplicht zur Beitragszahlung verpflichtet, obschon ihr Einkommen abzüglich Wohn- und Krankenversicherungskosten nach eigenen Angaben und ausweislich eines vorgelegten Wohngeldbescheids unterhalb der Höhe der sozialrechtlichen Regelsätze lag
Der Beschwerdeführer zog in der Abschlussphase seines Studiums zurück in die elterliche Wohnung. Für diese Wohnung wurde bis dahin kein Rundfunkbeitrag erhoben, weil die Eltern des Beschwerdeführers Arbeitslosengeld II empfingen.
Von beiden wurde nun der Rundfunkbeitrag verlangt. Anträge auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht als besonderer Härtefall, Widerspruch, Klage und Antrag auf Revision wurden abgelehnt. Eine Befreiung des Beschwerdeführers als besonderer Härtefall komme nicht in Betracht. Eine bloße Einkommensschwäche führe als solche nicht zu einer Befreiung.
Die Kammer sah dadurch in beiden Fällen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG als verletzt an. Der WDR, das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgerichts haben ihre Entscheidungen auf ein Verständnis von der rundfunkbeitragsrechtlichen Härtefallklausel gestützt, das der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 3 Abs. 1 GG und dem Schutz des Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG) widerspricht; dadurch wurde Beschwerdeführer/in in ihrem bzw. seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Beide werden durch die angegriffenen Entscheidungen gegenüber anderen finanziell bedürftigen Personen benachteiligt, denen die Zahlung des Rundfunkbeitrags aus ihren sozialrechtlichen Regelleistungen nicht zugemutet wird, weil diese das Existenzminimum schützen.
II. Entscheidungen des BVerwG
1. Keine selbständige Anfechtbarkeit des Austausches eines Prüfers wegen Besorgnis der Befangenheit im Staatsexamen
Gegen den Austausch eines einzelnen Prüfers im 1. Staatsexamen wegen Besorgnis der Befangenheit kann nicht isoliert vorgegangen werden.
Der 6. Senat entschied im Prüfungsrecht, einschl. der ersten und zweiten jur. Staatsprüfung, hier konkret zur Wiederholung von Prüfungen im 1. Jur. Staatsexamen - Beschluss vom 18.01.2022 - 6 B 21.21 –
Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet dem Prüfling gerichtlichen Rechtsschutz in Bezug auf die Einhaltung grundlegender Verfahrensanforderungen im Überdenkensverfahren zur Durchsetzung seines in Art. 12 Abs. 1 GG verankerten materiell-rechtlichen Anspruchs auf eine rechtmäßige Bewertung seiner Leistungen in einer berufsbezogenen Prüfung. Es gibt jedoch keine selbständige Anfechtbarkeit des Austausches eines Prüfers im Nachprüfungs-verfahren des § 14 JAPO wegen Besorgnis der Befangenheit.
2. Kein Rechtsschutzbedürfnis für Antrag nach § 123 VwGO mangels Vorbefassung der Behörde
Grundsätzlich erfordert das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Vorbefassung der zuständigen Behörde.
Der 6. Senat wies einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz als unzulässig ab (Beschluss vom 22.11.2021 - 6 VR 4.21 -) und führt aus (Rn. 7 u. 8):
„Dem Antragsteller fehlt mangels Vorbefassung der Antragsgegnerin das Bedürfnis für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Die Zulässigkeit verwaltungsgerichtlicher Rechtsbehelfe in der hier vorliegenden Leistungskonstellation, in der von der Behörde ein Handeln oder Unterlassen verlangt wird, hängt grundsätzlich davon ab, dass der Kläger bzw. Antragsteller das im gerichtlichen Verfahren geltend gemachte Begehren in einem vorangegangenen Verwaltungsverfahren bei der zuständigen Behörde ohne Erfolg beantragt hat. Diese Zulässigkeitsvoraussetzung ergibt sich für die Verpflichtungsklage aus § 68 Abs. 2, § 75 Satz 1 VwGO ("Antrag auf Vornahme"). Sie stellt neben dem Schutz der Gerichte vor unnötiger Inanspruchnahme eine Ausprägung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Gewaltenteilung dar, demzufolge es zunächst Sache der Verwaltung ist, sich mit Ansprüchen zu befassen, die an sie gerichtet werden.“
III. Entscheidungen des EuGH
Zur Rechtmäßigkeit des Rechtsstaatsmechanismus
Der Europäische Gerichtshof (Urteile des Plenums vom 16.02.2022, C-156 und 157-21, Ungarn und Polen gegen Parlament und Rat) hat die Nichtigkeitsklagen von Polen und Ungarn gegen die 2020 beschlossene Konditionalitätsverordnung der Europäischen Union abgewiesen und damit den sogenannten Rechtsstaatsmechanismus für rechtens erklärt.
Dieser besagt, dass die EU-Mittel künftig zurückhalten kann, wenn ein Mitgliedstaat gegen rechtsstaatliche Grundsätze verstößt und dadurch den EU-Haushalt beeinträchtigt. Die EU habe für die Verordnung eine Rechtsgrundlage, so der EuGH in der Begründung. Die Verordnung umgehe auch nicht den Sanktionsmechanismus gem. Art. 7 EU-Vertrag. Außerdem sei hinreichend geklärt, was die EU unter Rechtsstaatlichkeit versteht. Der Gerichtshof stellte auch klar, dass die Mitgliedstaaten die Werte der EU nicht nur zu Beginn ihrer Mitgliedschaft, sondern dauerhaft berücksichtigen müssen. Die EU-Kommission will den neuen Mechanismus nun nicht sofort anwenden. Im Juni sollen zunächst Leitlinien dazu vorgestellt werden.